zum Hauptinhalt
Nicht für alle Sparer lohnt sich die Riester-Rente.

© dpa

Altersvorsorge: Deutsche Sparer in der Riester-Falle

Der Staat empfiehlt, mit Riester-Produkten fürs Alter zu sparen. Doch die Tücken liegen im Detail. Worauf Anleger achten müssen.

Gut 16 Millionen sparen Deutsche derzeit mit einem Riester-Vertrag fürs Alter an. Sie profitieren zwar im optimalen Fall von staatlichen Zuschüssen (154 Euro Grundzulage plus bis zu 300 Euro pro Kind und Jahr) und Steuererleichterungen. Doch eine Altersvorsorge, die „leichter ist als gedacht“, wie die deutsche Rentenversicherung wirbt, ist Riester nicht. Die vollen Zulagen erhalten beispielsweise nur 57 Prozent der Riester-Sparer. In der Praxis warten viele Fallstricke auf die Alterssparer.

Wenn sich der Eigenbeitrag ändert

Den Riester-Vertrag abschließen und ab damit in die Schublade? Weit gefehlt. Riester-Sparer müssen regelmäßig und selbstständig prüfen, ob ihr Eigenanteil noch zu ihrem Einkommen passt. Denn steigt ihr Einkommen oder verändert sich ihre familiäre Situation, könnte der Eigenbeitrag unter jene vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Bruttoeinkommens sinken, die nötig sind, um die vollen staatlichen Zulagen zu erhalten. Wer beispielsweise 35 000 Euro im Jahr brutto verdient, muss 1400 Euro in seinen Vertrag einzahlen. Die Zulagen kann er von diesem Betrag abziehen. Bei einer Grundzulage und zwei Kindern, die nach 2008 geboren sind, reduziert sich der Eigenbeitrag auf 646 Euro im Jahr oder knapp 54 Euro pro Monat. Steigt das Gehalt auf 40 000 Euro, muss der Sparer den Dauerauftrag auf 70,50 Euro erhöhen, um die vollen Zulagen zu erhalten.

Neben steigenden Einkommen sollte zum Beispiel auch die Geburt eines Kindes ein Anlass sein, den Eigenbeitrag zu kontrollieren. Ein Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei förderfähigen Einkommen bekommt im Dezember 2015 ein Kind, ein Elternteil mit Riester-Vertrag bleibt ab Januar 2016 in der Elternzeit ohne beitragspflichtiges Einkommen zu Hause. Um die volle Zulage weiter zu kassieren, muss der betreuende Elternteil auch nach der Geburt des Kindes weiter den alten Eigenanteil zahlen – denn maßgeblich ist das Einkommen des Vorjahres. Dies gilt auch umgekehrt: Geht der Kinderbetreuer, ob Vater oder Mutter, nach der Elternzeit wieder arbeiten, muss er beziehungsweise sie im ersten Jahr nur den Sockelbeitrag von 60 Euro überweisen, um die vollen Zulagen zu erhalten. Denn auch hier zählt das rentenversicherungspflichtige eigene Einkommen des Vorjahres, das in diesem Fall bei 0 lag. Das Elterngeld fließt nicht in die Rechnung ein.

Wenn man ins Ausland zieht

Dem Gesetzgeber missfällt es, wenn Riester-Sparer auf die Idee kommen, zum Beispiel in die USA, in die Schweiz oder in die Türkei umzuziehen. Denn verlegt der Alterssparer oder Riester-Renten-Bezieher seinen Lebensmittelpunkt in ein Land außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (das sind die EU plus Island, Liechtenstein und Norwegen), dann gilt dies als „schädliche Verwendung“. Die Folge: Der Sparer muss zurückzahlen, was er vom Staat erhalten hat. Damit werden Riester-Sparer vom Gesetzgeber gegenüber Beziehern normaler gesetzlicher Renten benachteiligt, denn diesen wird die Rente in den meisten Fällen einfach ins Ausland überwiesen. Die Rentenversicherer haben zuletzt gesetzliche Renten in 150 Länder überwiesen. Wichtig ist dabei, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen existiert. Bei der Riester-Rente hingegen sieht das Bundesfinanzministerium die nachgelagerte Besteuerung in der Phase der Auszahlung nicht gewährleistet. Als Gegenleistung für die Zulagen oder Steuerermäßigungen müssen Rentner ihre Riester-Leistungen im Alter ja voll versteuern.

Zieht ein Riester-Sparer also ins Ausland außerhalb des EWR, wird ihm die Rückzahlung auf Antrag zunächst bis zum Rentenbeginn gestundet. Seit 2010 kostet die Stundung pro Monat (!) 0,5 Prozent Zinsen. Ab Rentenbeginn hat der Auswanderer die Wahl: Entweder kann er alle Zulagen komplett zurückzahlen, oder er zwackt jeden Monat pauschal 15 Prozent der Riester-Rente ab und überweist das Geld an den deutschen Fiskus – so lange, bis die Forderung samt Zinsen abgestottert ist. Deutschtürken, die mit dem Gedanken spielen, ihren Lebensabend in der Türkei zu verbringen, sollten also andere Formen der zusätzlichen Alterssicherung wählen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Wird ein Riester-Sparer von seinem Arbeitgeber ins Ausland geschickt und bleibt damit in der deutschen Rentenversicherung, zahlt der Staat die Zulagen weiter – auch außerhalb des EWR.

Wenn man den Vertrag wechselt

Grundsätzlich kann jeder Riester-Sparer Anbieter und Sparform ändern. Allerdings: Da Riester-Anbieter das eingezahlte Geld nur zum Ende des Vertrages garantieren müssen, kann es sein, dass zum Zeitpunkt des Wechsels noch Ebbe im Vertrag herrscht, etwa wegen der hohen Kosten in den Anfangsjahren einer Versicherung oder wegen fallender Aktienmärkte. Der neue Anbieter muss dann auch nur die niedrigere Summe neu garantieren. Der Teufel steckt hier im Detail: Wer etwa zu einer anderen Versicherung wechselt, muss erneut die hohen Vertriebskosten zahlen, allerdings nur für 50 Prozent des Geldes.

Für den Wechsel darf der ursprüngliche Anbieter höchstens 150 Euro in Rechnung stellen. Da die Garantiezinsen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gefallen sind (von Anfang Januar bis heute von 1,75 auf 1,25 Prozent), würde ein neuer Vertrag derzeit auch bedeuten: Der Garantiezins ist niedriger. Die deutsche Rentenversicherung rät deshalb, alte Verträge notfalls einfach beitragsfrei ruhigzustellen – und bei einem neuen Anbieter oder mit einem neuen Produkt von vorne zu beginnen. Der Altanbieter muss das Geld inklusive Zulagen bis zur Rentenphase weiter verwalten und verzinsen.

Wenn man das Geld vererben will

Wer glaubt, dass er das angesparte Riester-Geld im Todesfall problemlos an seine Nachkommen vererben kann, irrt. Zwar ist es grundsätzlich möglich, das Guthaben weiterzureichen. Doch in den meisten Fällen werden die Nachkommen nicht viel davon haben. Nur der Ehepartner darf die komplette Summe inklusive gezahlter Zulagen behalten – und dies auch nur, wenn er, ob förderberechtigt oder nicht, einen eigenen Riester-Vertrag abschließt oder das Geld in einen bereits bestehenden überführt. Geschwister, Kinder oder andere Erben müssen Zulagen und Steuervorteile dagegen in den meisten Fällen zurückzahlen und dürfen nur den angesparten Eigenbeitrag behalten.

War der Verstorbene bereits in der „Restverrentungsphase“, wie die Zeit ab dem 85. Geburtstag auf Bürokratendeutsch heißt, dann gehen Erben vollkommen leer aus – und zwar unabhängig von der Art der Riester-Rente, auch bei verrenteten Banksparplänen oder Fondsguthaben. Wählen Alterssparer das Versicherungsmodell, heißt es: aufs Kleingedruckte achten und notfalls Bedingungen verändern. Stirbt der Sparer früh, ist das Ersparte meist komplett weg, denn die Versicherer ziehen ihre hohen Abschlusskosten in den ersten fünf Jahren von den Beiträgen ab. Mit Beginn der Auszahlungsphase kann bei einer Versicherung gar nichts mehr vererbt werden – es sei denn, der Riester-Sparer hat einen Todesfallschutz oder eine Rentengarantiezeit (in der die Rente garantiert gezahlt wird, auch an Erben) vereinbart. Dies kappt jedoch die eigenen Rentenansprüche. Verbraucherschützer empfehlen deshalb, Altersvorsorge und Todesfallschutz zu trennen, da dies günstiger sei.

Wenn man wenig verdient

Über die Frage, wer vom Riestern profitiert, gehen die Meinungen auseinander. Während der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft und die DRV der Auffassung sind, dass vor allem Menschen mit geringem Einkommen und Familien mit Kindern zu den Riester-Begünstigten gehören, errechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie mit der Freien Universität Berlin: Von 2,79 Milliarden Euro gezahlten Fördergeldern ging zuletzt etwa eine Milliarde an Riester-Kunden mit mehr als 60 000 Euro brutto pro Jahr. Umgekehrt werden laut DRV 66,3 Prozent der Zulagen an Riester-Sparer überwiesen, deren Einkommen unter dem Durchschnitt aller rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer liegt. 65 Prozent verfügen über weniger als 30 000 Euro pro Jahr und 46 Prozent haben weniger als 20 000 Euro brutto. Laut DRV-Sprecher Dirk von der Heide ist eine reine Betrachtung der Sparphase wenig sinnvoll. Bei Geringverdienern, Frauen und kinderreichen Familien sei das Verhältnis zwischen Eigenleistung und Zulagen (und damit die persönliche Rendite) besser, gleichzeitig liege der Steuersatz im Alter meist niedriger. Das DIW argumentiert, dass sich die untersten Gehaltsstufen Riester oft gar nicht leisten könnten. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer, die im Alter vermutlich auf eine Grundsicherung angewiesen sein werden, eine Riester-Rente voll anrechnen müssen. Dennoch sei dies im Prinzip kein Grund, auf Riester komplett zu verzichten, heißt es bei der Stiftung Warentest. Denn es sei ja unklar, ob ein heute niedriges Einkommen weiter niedrig bleibe oder ob zum Beispiel ein Partner zur Versorgung beitrage.

Wenn man nicht mehr einzahlt

Langfristig betrachtet hält etwa die Hälfte der Riester-Sparer den Vertrag nicht bis zum Ende durch, etwa wegen dringenden Geldbedarfs, wegen Arbeitslosigkeit oder weil der Sparer das Modell Riester nicht mehr möchte. Allerdings ist es nur selten eine gute Idee, dann den Vertrag komplett zu kündigen und das Guthaben zu Cash zu machen. Denn der Staat hat das Modell Riester eigens für die langfristige Altersanlage vorgesehen. Wer kündigt und den Vertrag komplett auflöst, muss deshalb sofort alle Zulagen zurücküberweisen. Gerade bei kleinen Einkommen ist der Anteil des Staates am Guthaben oft deutlich höher als der Eigenbeitrag. Verbraucherschützer raten deshalb auch hier: Wer nicht mehr zahlen kann, sollte den Vertrag einfach beitragsfrei ruhen lassen.

Wenn die Zinsen niedrig bleiben

Nicht die komplizierten Riester-Bedingungen, sondern die aktuelle Marktlage sorgt für weitere Fallstricke bei Riester: die sehr niedrigen Zinsen und die Aussicht auf eine Zinswende. Gerade Versicherungskunden und ältere Kunden von Fondssparplänen werden selbst dann noch im Zinstal gefangen bleiben, wenn die Zinsen längst wieder gestiegen sind. Denn die Versicherer zehren zwar von alten, höher verzinsten Anleihen und sitzen gleichzeitig auf Bergen niedriger verzinster, neuerer Anleihen. Bei beiden werden die Kurse stark fallen, wenn sich eine Zinswende andeutet bzw. schon Realität ist. Auch ältere Kunden von Fondslösungen betrifft dies: denn die meisten Anbieter schichten bei geringsten Schwächephasen an der Börse bei älteren Kunden sehr schnell von Aktien in Renten um, um die vom Staat verlangte Kapitalgarantie darstellen zu können.

Mehr zum Thema Altersvorsorge

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false