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Wirtschaft: Altes Geld

Tages- oder Festgeld, Staatsanleihen, Immobilien, Aktien – wie Senioren ihre Ersparnisse retten und vermehren können.

Er habe 90 Prozent seines Vermögens in Aktien investiert, sagte jüngst Gottfried Heller. Der Vermögensverwalter, einst Geschäftspartner von Börsenlegende André Kostolany und nicht für spekulativen Aktionismus bekannt, ist 77 Jahre alt.

Heller entspricht damit nicht gerade dem idealtypischen Anleger, dem spätestens mit 55 zu „risikoarmen“ Investments, Festzinssparen und Bundesanleihen geraten wird. Denn gemeinhin gilt die Formel: Die Aktienquote sollte nie das Ergebnis der Gleichung „100 minus Lebensjahre“ überschreiten. Wer 55 ist, darf danach im äußersten Fall mit 45 Prozent seines Geldes auf Unternehmensbeteiligungen setzen, wer 70 ist, sollte nie mehr als 30 Prozent in Aktien investieren. Mehr gilt als spekulativ.

Die große Mehrheit der Deutschen, ob 25, 55 oder 75 Jahre alt, erreicht nicht einmal diese Aktienquoten beziehungsweise verzichtet komplett darauf. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass jede zweite 55-jährige Frau mindestens ihr 85. Lebensjahr erreicht, jeder zweite 55-jährige Mann immerhin 80 wird. Die Chance, auch mit 55 oder 60 noch genug Zeit zu haben, um von der langfristigen Ertragsstärke eines Aktien-Portfolios zu profitieren, ist also nicht gerade niedrig.

Empirisch genügten bisher eigentlich schon zehn bis 15 Jahre, um die Schwankungen der Märkte zu glätten und mit Aktien Geld zu verdienen. Ablesbar ist das, zum Beispiel, an der Zehnjahres-Performance von Exchange Traded Funds (ETF), also passiven und kostengünstigen Fonds. Allen zurückliegenden und gegenwärtigen Krisen zum Trotz liegt, zum Beispiel, der Dax-ETF der Firma iShares seit 2002 insgesamt 118 Prozent im Plus. Selbst der extrem finanzlastige Euro- Stoxx-ETF, der auch spanische und italienische Papiere enthält, schaffte in diesem Zeitraum die nahezu gleiche Wertentwicklung wie deutsche Bundesanleihen mit Laufzeiten von 5,5 bis 10,5 Jahren – gut 40 Prozent. Dabei galten für Aktien denkbar negative Szenarios, für Anleihen jedoch positive, da sich die Kurse laufender deutscher Anleihen angesichts der Risikoscheu und extrem niedriger Renditen auf Rekordhöhen befinden.

AKTIEN UND FONDS

„Die älteren Menschen von gestern sind nicht mehr die älteren Menschen von heute“, sagt Marc Bubeck, Europa-Sprecher des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Die meisten Menschen könnten sich heute auf eine lange zweite Lebenshälfte freuen und benötigten deshalb mehr Geld. Blackrock rät deshalb auch älteren Menschen, nicht nur auf „vermeintlich sichere“ und niedrig verzinste Tagesgelder und Anleihen zu vertrauen, sondern auch einen Blick auf Aktien zu werfen. Das bedeute nicht, „dass 80-jährige ihr Sparbuch kündigen und alles in einzelne Aktien investieren sollten“, sagt Bubeck. Aber einen Teil des Geldes könnten auch Senioren in eine Mischung aus Qualitätspapieren und multinationalen Konzernen stecken, am besten über Fonds und ETF. Hier sei eine gute Beratung im individuellen Einzelfall notwendig.

Auch die Schweizer Vermögensberatung VZ Vermögenszentrum, die vor allem die Generation 55plus zu ihren Kunden zählt, hält „nichts davon, älteren Menschen von Aktien abzuraten“. Im optimalen Fall enthalte ein Portfolio eine Aktienquote zwischen 25 und 50 Prozent, daneben andere Anlagevehikel wie Unternehmens- und Wandelanleihen, um das Schwankungsrisiko etwas zu glätten und Klumpenrisiken zu vermeiden, sagt VZ-Finanzexperte Tom Friess. Entscheidend für den Aktienanteil sei: Benötige ich das Geld kurz- oder mittelfristig, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Muss ich also regelmäßig Geld entnehmen? Fries nennt zwei Beispiele: So könne eine 60-Jährige mit ordentlicher Basisversorgung und 100 000 Euro Kapital mit durchaus hohen Aktienquoten arbeiten. Dagegen müsse eine 60-Jährige ohne Basisversorgung, aber mit einer Million auf der hohen Kante, eher eine niedrige Aktienquote wählen.

Auch die Stiftung Warentest hält zu viel Vorsicht für „übertrieben“. Investmentfonds etwa eigneten sich für wohlhabendere Senioren. Ein Depot mit Aktienfonds erhöhe die Chance auf Erträge und lasse älteren Menschen die Möglichkeit, „den Nachkommen ein weiches Finanzpolster zu hinterlassen“. Angesichts der steigenden Lebenserwartung könnten 65- bis 70-Jährige einen Teil ihres Vermögens in Aktien stecken, ohne „finanziell Harakiri zu begehen“.

ANLEIHEN, TAGES- UND FESTGELD

Wichtig sei der Blick auf die Aktie, da sind sich viele einig, vor allem angesichts der gegenwärtigen Lage an den Finanzmärkten. Zwar ist die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen zuletzt wieder gestiegen, doch verharrt sie mit 1,63 Prozent weiter deutlich unter der Inflationsrate von 2,1 Prozent. Das bedeutet: Geld, das in der deutschen Staatsverschuldung angelegt ist, verliert an Wert. Wer langfristig zumindest den Wert des Vermögens bewahren möchte, muss umgekehrt also eine Rendite von 2,1 Prozent im Jahr erwirtschaften, nach Kosten und Steuern. Auch Tagesgelder und Festgelder erreichen diese Sätze derzeit in den meisten Fällen nicht. Wie unangenehm sich die Geldentwertung langfristig auf Spargelder auswirkt, rechnet die DWS vor, die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank: Bei einer Inflationsrate von nur zwei Prozent ist eine Rente von heute 1000 Euro in 30 Jahren nur noch 552 Euro wert. Sie müsste also auf 1811 Euro steigen, um die gleiche Kaufkraft wie heute zu erzielen. Das heißt in der Folge: Entweder muss die Sparquote deutlich steigen. Oder der Anleger sucht nach renditestärkeren Anlageformen.

GOLD UND IMMOBILIEN

Gerne investieren deutsche Senioren auch in Immobilien oder Gold, gerade zum Inflationsschutz. Seit die Schuldenkrise gärt, ist die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen deutlich gestiegen. Gold wiederum ist vor allem seit der Ankündigung der Europäischen Notenbank, die Krise notfalls auch mit dem Kauf von Staatsanleihen zu bekämpfen, stark nachgefragt: Der Goldpreis stieg seit Juli von 1570 auf jetzt 1770 Dollar je Feinunze. VZ-Experte Friess hält beide Anlageformen in Wahrheit jedoch für sehr spekulativ: „Immobilien sind erheblich risikoreicher als die meisten glauben.“ Der Anleger deponiere einen beträchtlichen Teil des Vermögens in der Immobilie, schaffe damit ein Klumpenrisiko. Dabei gebe es weder einen geregelten Markt noch eine Sicherheit, die Immobilie zu jedem Zeitpunkt und zu guten Konditionen verkaufen zu können. Auch Gold sei bestenfalls eine Notversicherung für Katastrophenzeiten. Denn es werfe keinerlei Rendite ab, der Preis sei ausschließlich abhängig von Angebot und Nachfrage. Der Goldanteil im Depot solle deshalb sehr begrenzt bleiben, glaubt Friess. Ziehe die Inflation an, werde Gold rasch an Wert verlieren, denn „dann steigen auch die Zinsen und bieten einen regelmäßigen Ertrag“.

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