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Ralf Kleber ist seit Februar 2002 Geschäftsführer von Amazon Deutschland mit Sitz in München. Der Betriebswirt ist verheiratet und hat zwei Kinder.

© Amazon

Amazon-Deutschland-Chef im Interview: „Es sind fordernde Jobs“

Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber über Kontrolle am Arbeitsplatz, den Streit über die Bezahlung und Saisonkräfte für das Weihnachtsgeschäft.

Herr Kleber, arbeiten Sie gern für Amazon?

Ich arbeite schon seit 15 Jahren für Amazon. Das würde ich nicht tun, wenn ich nicht total davon überzeugt wäre. Die Arbeit macht großen Spaß, und das Team ist hochmotiviert. In den 15 Jahren haben wir die Firma x-mal neu erfunden, es war nicht einen Tag langweilig.

Sie scheinen von einem ganz anderen Unternehmen zu sprechen. Zuletzt gab es Berichte über miese Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung in Logistikzentren.

Die Bezahlung ist nicht schlecht. Bei uns erhält jeder Mitarbeiter als Einstiegsgehalt mindestens 9,55 Euro – egal ob er zeitlich befristet angestellt ist oder unbefristet. Dazu kommen Boni, Zuschläge, Weihnachtsgeld, Versicherungsleistungen. Und jeder, der länger als zwei Jahre angestellt ist, erhält Aktien von der Firma.

Die Gewerkschaft Verdi sagt, das sei viel weniger als im Einzelhandel üblich.

Die Logistikzentren sind aber keine Einzelhändler. In unseren Lagern sind weder Verkäufer noch Kunden, es wird weder beraten noch kassiert. Was wir machen, ist eindeutig Logistik. Und als Logistiker arbeiten wir übrigens nicht nur für Amazon, sondern auch für andere Händler. Der Verdienst liegt an der Spitze dessen, was in der Logistik üblich ist.

Werden Sie mit Verdi sprechen?

Nein, wir sprechen nicht mit Verdi und haben das auch nicht vor. Wir haben an jedem Standort – nur in Brieselang als gerade eröffnetem Standort noch nicht – einen gewählten Betriebsrat, der die Interessen der Mitarbeiter vertritt. Wir sind in ständigem Kontakt, entwickeln uns weiter, und daher wissen wir nicht, wozu wir die Hilfe von Verdi brauchen sollten.

Ein anderer Vorwurf lautet, dass Sie Ihre Mitarbeiter überwachen und dauernd unter Druck setzen.

Unsere Logistik funktioniert so gut, weil wir durchstrukturierte Prozesse haben. Und natürlich sind diese Prozesse vorgegeben. Wenn wir einem Kunden auf der Webseite eine besonders schnelle Zustellung versprechen, dann muss das Produkt im Lager auch in einer bestimmten Zeit auf den Weg gebracht werden. Das hat nichts mit Kontrolle zu tun, da geht es um Effizienz. Es hat seinen Grund, warum Amazon eines der erfolgreichsten Logistikunternehmen der Welt ist.

Wie schnell muss sich ein Mensch bewegen, damit Sie Ihr Versprechen einhalten?

Um Gottes Willen, der darf nicht rennen. Rennen bedeutet Unfallgefahr. Und natürlich haben wir kein Interesse daran, dass ein Mitarbeiter besonders weit läuft. Lange Wege sind ineffizient. Um es klar zu sagen: Es sind fordernde Jobs. Aber sie sind sicher, sauber und alles andere als uninteressant, weil sich das Umfeld ständig ändert.

Warum darf man sich bei der Arbeit nicht unterhalten?

Viele nehmen ihre Aufgaben sehr konzentriert wahr. Aber wir haben sicher kein Redeverbot in unseren Versandzentren.

Sind die Versandzentren überall auf der Welt gleich?

Vom Prinzip her folgen sie alle der gleichen Systematik, sehen aber in den verschiedenen Regionen ein bisschen anders aus. Der Prozessablauf und die Prozessoptimierung ist dagegen global. Der Kunde in Italien oder den USA will genauso wie der Kunde hierzulande wissen, wann seine Bestellung ankommt.

Das Weihnachtsgeschäft steht an. Wie viel Umsatz machen Sie im vierten Quartal?

In der Vergangenheit lag das vierte Quartal bei etwa einem Drittel des Geschäfts.

Wie viele Leute brauchen Sie zusätzlich?

Neben unseren 9000 Stammkräften rekrutieren wir zusätzlich 14 000 Saisonkräfte. Wir versuchen die Mitarbeiter in der jeweiligen Region zu gewinnen. Für viele Leute aus der Landwirtschaft oder vom Bau sind das attraktive Jobs, und sie kommen in der nächsten Saison wieder.

Bekommen sie denn genug Leute, jetzt, wo Ihr Ruf so schlecht ist?

Wir suchen unsere Standorte danach aus, wo es Arbeitskräfte gibt. Und im Moment sieht es so aus, als ob es uns gelingt. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter Amazon als Arbeitgeber schätzt. Das sehen Sie auch daran, dass sich von den 9000 Mitarbeitern in den Versandzentren nur ein paar hundert an den Streiks beteiligen.

Sie bauen neue Versandzentren in Polen und in der Tschechischen Republik. Fliehen Sie vor dem Ärger in Deutschland?

Nein, wir bauen unser Geschäft aus.

Sie verlagern also keine Tätigkeiten von Deutschland nach Osteuropa?

Um das einmal zu klären: Amazon ist ein europäisches Netzwerk. Wenn Sie bei Amazon bestellen, ist es heute schon so, dass Pakete aus England, Italien oder Frankreich gesendet werden. Zugleich senden wir Pakete von Deutschland aus in diese Länder. Wir bauen Versandzentren überall dort, wo es Bedarf gibt. Ein Beispiel: Seit wir das Versandzentrum in Augsburg haben, können wir allen Münchnern, Stuttgartern und Ulmern sagen, dass Ihre Bestellungen von elf Uhr noch am selben Tag um 18 Uhr geliefert werden.

Was ist im Weihnachtsgeschäft besonders gefragt?

Die neuen Spielekonsolen werden eine wichtige Rolle spielen. Genau wie Spielzeug, Bücher, Filme und Elektronik, also Handys und Tablets, wie unser Kindle Fire.

Das elektronische Buch namens Kindle war eines ihrer ersten eigenen Produkte. Wann kommt das Smartphone oder die TV-Box von Amazon?

Dazu haben wir nichts angekündigt.

Wie wird sich Amazon weiterentwickeln? Wann wird es zum Beispiel frische Lebensmittel geben?

In den USA bieten wir das schon an, in Seattle und ganz neu in Los Angeles. Wir arbeiten an dem Thema, aber wann es in Deutschland so weit sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen.

Ralf Kleber ist seit Februar 2002 Geschäftsführer von Amazon Deutschland mit Sitz in München. Der Betriebswirt ist verheiratet und hat zwei Kinder. Das Gespräch führte Corinna Visser.

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