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Amazon sagt, man sei für das Weihnachtsgeschäft gerüstet.

© AFP

Amazon: Verdi droht Versandhändler mit neuen Streiks

Deutsche Mitarbeiter von Amazon wollen ihrem Arbeitgeber und den Kunden das Leben vor Weihnachten schwer machen. Amazons ganzer Stolz, die Verlässlichkeit, soll damit unterwandert werden.

Es sind große Versprechungen, mit denen Amazon in diesen Tagen um Kundschaft wirbt: „Amazon Prime macht mein Leben leichter“, verspricht der Versandhändler in einem TV-Werbespot, „Amazon Prime kommt immer pünktlich am nächsten Tag“ in einem anderen. Doch nicht nur im Fernsehen, auch im richtigen Leben beteuern Mitarbeiter des Konzerns die Werbeversprechen: „Prime-Kunden, die am 23. Dezember bis mittags bestellen, bekommen das Paket auf jeden Fall an Heiligabend geliefert“, verspricht etwa Robert Gottfried Marhan, Geschäftsführer der größten deutschen Amazon-Niederlassung im nordhessischen Bad Hersfeld. Marhan hat die Presse zum Medientag eingeladen.

Viele Mitarbeiter wollen ihrem Arbeitgeber das Leben schwer machen

Anders allerdings als TV-Werbung und Marhan suggerieren, dürfte es unterm Tannenbaum nicht überall harmonisch zugehen. Denn viele von Marhans Mitarbeitern wollen ihrem Arbeitgeber und den Amazon-Kunden das Leben vor Weihnachten schwer machen. „Wir werden demnächst wieder zum Streik aufrufen, um Amazon dazu zu bewegen, mit uns über einen Tarifvertrag zu verhandeln“, sagt Gewerkschaftssekretärin Mechthild Middeke von Verdi. Amazons ganzer Stolz, die Verlässlichkeit, soll damit unterwandert werden.

Die Fronten sind verhärtet

Seit rund anderthalb Jahren versucht die Gewerkschaft, den Versandhändler zu Verhandlungen zu bewegen – bislang erfolglos. Die Fronten sind klar und hart: Verdi fordert von Amazon, die Stundenlöhne auf das übliche Tarifniveau des Einzel- und Versandhandels anzuheben. Amazon erwidert, dass es kein Handelsunternehmen, sondern ein Logistikunternehmen sei und die gezahlten Stundenlöhne im Vergleich zur restlichen Branche im oberen Drittel lägen. Eine Definition, die das Zeug dazu hat, nicht nur eingefleischte Gewerkschafter zu überraschen. Zumal der Konzern auf dem amerikanischen Heimatmarkt als Handelsunternehmen gelistet ist.

Amazon konnte seine Umsätze in den vergangenen Jahren steigern

Während der Versandhändler seine Umsätze von Jahr zu Jahr steigert, geraten kleine Einzelhändler und große Warenhäuser in Schwierigkeiten. Sie müssen schließen, verschwinden vielerorts aus den Einkaufsstraßen und Ortskernen – und mit ihnen tausende Arbeitsplätze im Handel. Diese Jobs tauchen dann an der Peripherie wieder auf – in großen Logistikzentren draußen an der Autobahn, in Städten wie Leipzig oder Koblenz oder eben in Bad Hersfeld. 7000 neue Stellen hat Amazon seit 2010 deutschlandweit geschaffen.

Niedrige Einstiegsgehälter bei Amazon

Die neuen Jobs haben im Vergleich zu anderen Branchengrößen einen Nachteil: Denn wer früher bei Karstadt oder Schlecker angestellt war und jetzt für Amazon arbeitet, befriedigt mit seiner Arbeit womöglich das gleiche Konsumbedürfnis wie früher. Allerdings für weniger Geld: Der Einstiegslohn für eine Vollzeitstelle liegt mit 1631,63 Euro brutto ganze 18 Prozent unter der Forderung der Gewerkschaft. Diese Entwicklung macht viele Betroffene wütend.

Beim Streik im November beteiligten sich fünf der neun Logistikzentren

Beim jüngsten Streik Anfang November beteiligten sich fünf der insgesamt neun Amazon-Logistikzentren und insgesamt rund 2000 Beschäftigte – so viele wie nie zuvor. Vor dem Weihnachtsfest im vergangenen Jahr waren es mit 1000 Streikenden noch deutlich weniger gewesen. „Wir sehen eine positive Entwicklung, was die Bereitschaft zum Arbeitskampf angeht“, sagt Verdi-Funktionärin Middeke.

Das Unternehmen gibt sich gelassen

Niederlassungsleiter Marhan lehnt sich bei der Frage nach dem bevorstehenden Streik dennoch gelassen zurück. „Wir sind auf alles vorbereitet“, sagt er. Gerade wurden in den zwei Amazon-Niederlassungen in Bad Hersfeld 1000 zusätzliche Saisonkräfte für das Weihnachtsgeschäft eingestellt. Hausfrauen, Arbeitslose, Rentner, Studenten oder Saisonarbeiter aus der Landwirtschaft, die 10,23 Euro brutto pro Stunde verdienen und aller Voraussicht nach nicht streiken werden. Es klingt, als sei der Versandriese unverwundbar, als könnten ihm die Streiks in der lukrativsten Zeit des Jahres nichts anhaben. „Wir operieren als europäisches Netzwerk“, sagt Marhan. Das heißt: Logistikzentren, die Amazon in Polen, Frankreich, Tschechien oder Großbritannien betreibt, könnten den deutschen Niederlassungen zu Hilfe kommen.

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