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Die Amerikaner lieben ihre Autos. Für den Kauf nehmen sie häufig einen Kredit auf.

© Getty Images

Amerikanische Autokredite: Droht eine neue Finanzkrise?

Die Amerikaner nehmen übermäßig viele Autokredite auf und ihre Banken reichen die Risiken an die Anleger weiter. Das könnte zu einem "weltweiten Ansteckungseffekt" führen, warnen Experten.

Von Carla Neuhaus

Das Auto ist für Amerikaner ein Statussymbol, ähnlich wichtig wie das Eigenheim. Entsprechend groß ist die Bereitschaft vieler US-Bürger, sich für einen neuen Wagen zu verschulden. Mit über 1000 Milliarden Dollar sind die Amerikaner inzwischen in den Miesen, weil so viele von ihnen Autokredite aufgenommen haben. Ein Rekordwert, der Experten Sorgen macht.

Denn viele dieser Kredite gelten schon jetzt als ausfallgefährdet. Das heißt, es ist bereits absehbar, dass etliche Schuldner ihr Darlehen nicht rechtzeitig zurückzahlen können. Sollten dann auch noch die Zinsen steigen oder sich die Wirtschaft in den USA abschwächen, könnten diese Kredite massenhaft ausfallen. Die deutsche Wirtschaftsweise Isabel Schnabel warnt deshalb vor einer neuen „krisenhaften Entwicklung“. Tatsächlich gibt es einige Parallelen zu dem, was vor zehn Jahren passiert ist.

Wieder vergeben Banken scheinbar wahllos Kredite

Zugespitzt hat sich die Lage damals am 9. August 2007, als über Nacht das Vertrauen in der Finanzbranche verloren ging. Plötzlich wollten sich die Banken nicht einmal mehr untereinander Geld leihen. Die Notenbanken mussten einspringen, damit das Finanzsystem nicht gänzlich zum Erliegen kam. Allein die EZB stellte kurzfristig fast 95 Milliarden Euro bereit, um die Bankgeschäfte am Laufen zu halten.

Ausgelöst worden war diese Vertrauenskrise durch eine übermäßige Kreditvergabe in den USA. Dort hatten die Banken zuvor jahrelang wahllos Immobilienkredite vergeben – selbst an Menschen, die sich die Kredite gar nicht leisten konnten. Als dann die Immobilienpreise einbrachen, fielen diese Darlehen reihenweise aus. Banken wie Investoren gerieten in Schwierigkeiten, der Staat musste vielerorts einspringen.

Zehn Jahre später warnen Experten erneut vor einer solch übertriebenen Kreditvergabe. Nur dass es diesmal eben nicht um Immobiliendarlehen geht – sondern um amerikanische Autokredite.

Schon jetzt werden 40 Prozent der Kredite als kritisch eingestuft

Die niedrigen Kreditzinsen haben viele Amerikaner in den letzten Jahren genutzt, um sich einen neuen Wagen anzuschaffen. Für die Autobauer und die Banken war das lange ein sehr gutes Geschäft. Womöglich gar ein so gutes Geschäft, dass sie zuletzt nicht mehr allzu genau geprüft haben, ob die Kunden sich die Autokredite auch wirklich leisten können. Ob sie kreditwürdig sind. Nur so ist zu erklären, dass trotz guter Konjunktur inzwischen fast 40 Prozent der ausstehenden Autokredite in den USA als ausfallgefährdet gelten und damit in die Kategorie der Subprime-Kredite fallen. Also in eben jene Kategorie von Darlehen, die 2007 die Finanzkrise ausgelöst haben.

Nun ist der Markt für Autokredite sehr viel kleiner als der für Immobiliendarlehen – allein schon deshalb, weil ein Eigenheim sehr viel mehr kostet als ein neuer Wagen. „Dennoch“, sagt Wirtschaftsweise Schnabel, „hätte eine Krise in diesem Markt spürbare Auswirkungen“. Zumal neben den USA inzwischen auch in Großbritannien die Zahl der Autokredite auf ein bedenkliches Maß angestiegen ist. 2016 haben die Briten Darlehen für den Kauf neuer Wagens in Höhe von insgesamt 31,6 Milliarden Pfund aufgenommen, ebenfalls ein Rekordwert.

Auch Großbanken bekämen Probleme

Die britische Aufsichtsbehörde FCA hat deshalb erst vor wenigen Tagen angekündigt, verstärkt ein Auge auf die Kreditvergabe haben zu wollen. Vor allem wolle sie prüfen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Autokäufer ihre Schulden zurückzahlen können.

Sorgen machen sich die Aufseher, weil ein Ausfall der Kredite längst nicht nur die Autokäufer und die Banken treffen würde, die die Kredite vergeben haben. Auch Autobauer, Investoren und andere Großbanken bekämen Probleme. Denn sie alle verdienen inzwischen an den Geschäft mit Autokrediten mit.

Vergeben werden Autokredite mittlerweile meist von den Autobauern selbst, die fast alle konzerneigene Banken aufgebaut haben – Institute wie die BMW Bank, Mercedes-Benz Bank oder Volkswagen Bank. Weil diese Geldhäuser das Risiko aber nicht alleine tragen wollen, reichen sie die Kredite weiter. An andere Banken oder Investmenthäuser, die die Darlehen bündeln und als Finanzpapiere am Kapitalmarkt verkaufen.

Ausländische Geldinstitute mischen mit

Beteiligt sind an einer solchen Transaktion meist eine ganze Reihe von Instituten, was zeigt, wie komplex dieser Vorgang ist. So hat die PSA Finance, die britische Finanztochter von Peugeot, im letzten Jahr ein Paket mit Autokrediten im Wert von 1,2 Milliarden Pfund verkauft. Beteiligt waren daran diverse Großbanken wie HSBC, Lloyds, Wells Fargo und BNP Paribas. Weil auf diese Weise auch etliche ausländische Banken bei dem Geschäft mit US-Autokrediten mitmischen und die Finanzpapiere international vertrieben werden, sagt Schnabel: „Weltweite Ansteckungseffekte lassen sich nicht ausschließen.“

Wie fatal gerade diese Verbriefung von Krediten sein kann, hat sich in der Finanzkrise vor zehn Jahren gezeigt. Auch damals haben Institute ausfallgefährdete Darlehen zu so komplexen Finanzpapieren verpackt, dass am Ende keiner mehr sagen konnte, welche Risiken sich dahinter verbargen. Verkauft worden sind diese Papiere dann als vermeintlich sichere Geldanlage – auch an deutsche Landesbanken. Erst als die Immobilienblase in den USA platzte, fiel auf, dass die Papiere tatsächlich wertlos waren.

Wenn die Zinsen steigen, können viele nicht mehr zahlen

Auch jetzt stufen die Ratingagenturen die meisten verbrieften Autokredite noch immer als unbedenklich ein. Dabei müssen nur die Zinsen steigen oder sich die Wirtschaft in den USA abschwächen, und schon werden viele Autokäufer ihre Kredite nicht zurückzahlen können.

Das Fatale ist, dass von einer solchen Krise diesmal nicht nur Banken sondern auch Autobauer betroffen wären. Sie gerieten gleich von zwei Seiten unter Druck. Zum einen sind sie über ihre hauseigenen Banken an den Autokrediten beteiligt. Zum anderen dürfte die Nachfrage nach Neuwagen einbrechen. Allein schon deshalb, weil sich die Institute dann mit der Vergabe neuer Autokredite plötzlich zurückhalten würden. Außerdem kämen auf einen Schlag viele Gebrauchtwagen auf den Markt, die besonders günstig wären. Gerade deutsche Autobauer, für die der US-Markt enorm wichtig ist, würde das hart treffen.

Und das ist nicht alles. Wirtschaftsweise Schnabel geht davon aus, dass sich eine solche Krise kaum auf den Bereich der Autokredite beschränken dürfte. „Viel wahrscheinlicher wäre es, dass in verschiedenen Kreditsegmenten gleichzeitig Verwerfungen auftreten“, sagt Schnabel. So dürften die Banken die Kreditvergabe insgesamt zurückfahren – aus Sorge, ihre Darlehen nicht zurückzubekommen. Damit wären wir dann wieder zurück in einer neuen Schuldenkrise. Und das obwohl Europa noch nicht einmal die Folgen der letzten Krise überwunden hat.

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