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Wirtschaft: An den Weltbörsen kehrt wieder Vernunft ein: Von rosarot bis rabenschwarz

Nach dieser turbulenten Woche an den Aktienmärkten stellen sich manche Beobachter sicher die Frage: Ist die Börse ein Spielcasino? Wer insbesondere am Frankfurter Neuen Markt die Euphorie in den ersten Monaten dieses Jahres und danach den Absturz beobachtet hat, könnte so denken.

Nach dieser turbulenten Woche an den Aktienmärkten stellen sich manche Beobachter sicher die Frage: Ist die Börse ein Spielcasino? Wer insbesondere am Frankfurter Neuen Markt die Euphorie in den ersten Monaten dieses Jahres und danach den Absturz beobachtet hat, könnte so denken. Nicht nur die enormen Kursausschläge an sich, sondern auch die Begleitumstände geben zu denken: Das teilweise fragwürdige Prognose- und Bilanzierungsgebaren einiger Unternehmen, aber auch die Empfehlungen von etlichen Analysten und Fondsmanagern, die teilweise die Kurse hochgejubelt haben. Nachdem der Neue Markt seit März fast zwei Drittel verloren hat, gibt es tatsächlich Experten, die den Markt im Sommer nächsten Jahres schon wieder in der Nähe des Rekordhochs erwarten.

Auf der anderen Seite sollte man auch nicht schwarz malen, sondern Chancen und Risiken am gesamten Markt nüchtern abwägen. Für Euphorie besteht sicher kein Anlass, aber alles in allem sieht das Börsenumfeld gar nicht so schlecht aus. Sicher gibt es Risiken: Die Inflation ist gestiegen, und niemand weiß, ob der Ölpreis so hoch bleibt oder sogar noch weiter steigt. Dazu herrscht Unsicherheit über mögliche weitere Zinserhöhungen in den USA und im Euroraum. Andererseits schwächt sich das Wachstum ab, die Prognosen für das nächste Jahr wurden leicht nach unten revidiert. Dabei besteht die Gefahr einer harten Konjunkturlandung in den USA. Der Euro könnte die Trendwende schaffen und anziehen, was die europäische Exportwirtschaft schwächen würde. Die Technologie-Börsen waren heißgelaufen und es fehlt jetzt nach vielen Gewinnwarnungen und den massiven Kurseinbrüchen das Vertrauen der Anleger, wieder in größerem Maße einzusteigen. Ganz wichtig: Die vergangenen Zinserhöhungen der amerikanischen und europäischen Notenbanken wirken sich zeitverzögert nun auf die Liquidität an den Finanzmärkten aus. Geld ist teurer und knapper geworden, damit fehlen die Mittel für massive Aktienkäufe.

Nun zu den Chancen. Erstens: Die schlechten Nachrichten sind überwiegend bereits in den Aktienkursen berücksichtigt. Eine weitere Abwärtsbewegung wäre nur damit zu begründen, dass die Weltwirtschaft sich deutlicher abschwächt und die US-Konjunktur eine harte Landung hinlegt oder die Inflation weiter steigt und die Notenbanken deshalb die Zinsen nochmals heraufsetzen müssten. Beides ist wenig wahrscheinlich. Trotz der Wachstumsabschwächung ist die Konjunkturlage immer noch recht gut. In Deutschland und anderen europäischen Ländern gibt es Steuersenkungen, die sich günstig auf Wachstum und Gewinnaussichten der Unternehmen auswirken. Und bei der Inflation wird es 2001 einen Basiseffekt geben, denn der bisherige Ölpreisanstieg ist bereits in der Inflationsrate drin. Zudem könnte ein steigender Euro die Importe verbilligen und so die Inflation dämpfen. An den Börsen sind neben schlechten Aktien, die zu Recht abgestraft wurden, auch gute Werte so weit im Kurs gesunken, dass sie wieder ein günstiges Niveau für einen Einstieg bieten. Das gilt sowohl für einige High-Tech-Werte wie auch für Aktien der "Old Economy". Außerdem gelten langfristige Trends, die für die Aktienanlage sprechen - vor allem das gestiegene Renditebewusstsein bei Anlegern und die Tendenz zur zusätzlichen Altersvorsorge.

Bernd Frank

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