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Wirtschaft: Anbieter unter Strom

Viele Lieferanten haben aufgegeben oder wie Yello ihre Preise erhöht – dennoch kann sich für Privathaushalte ein Wechsel lohnen

STROMMARKT: SO FINDEN SIE DEN GÜNSTIGSTEN TARIF

Die Bewag schlägt zurück. Nachdem der Berliner Stromversorger in den vergangenen Jahren zahlreiche Kunden an den Konkurrenten Yello abgeben musste, haben die Berliner jetzt Oberwasser. Denn der einstige Billigstromanbieter hat seine Preise empfindlich um rund 20 Prozent erhöht. Bereits im Februar wurden die Tarife für Neukunden heraufgesetzt, ab Mai müssen auch Stammkunden tiefer in die Tasche greifen. Alle Kunden, bei denen die für ein Jahr vertraglich vereinbarte Preisgarantie ausläuft, müssen jetzt mit Preiserhöhungen rechnen.

Die Bewag wittert Morgenluft. Denn nach den jüngsten Preiserhöhungen gehört die Tochter des Stromkonzerns EnBW und Erfinderin des gelben Stroms nicht mehr zu den Billiganbietern im Land. Selbst die jahrelang als zu teuer gescholtene Bewag hängt Yello – je nach Tarifwahl – inzwischen ab. Ein Umstand, den die Berliner mit einer für sie ungewohnt aggressiven Werbekampagne auszunutzen versuchen. Mit Erfolg, wie Bewag- Sprecher Olaf Weidner sagt: „Viele Yello- Kunden wollen jetzt zu uns zurückwechseln.“ Dabei steht ihnen ein Sonderkündigungsrecht zur Seite: Erhöht ein Stromanbieter die Preise, können die Kunden den Vertrag außerordentlich kündigen – allerdings spätestens 14 Tage nach Zugang des Schreibens, in dem die Preiserhöhung angekündigt wird. Mit der Kündigungsbestätigung von Yello können sich die Wechselwilligen dann bei einem anderen Lieferanten anmelden.

Das kann, aber muss nicht die Bewag sein. In unseren Tabellen finden Sie die günstigsten Stromanbieter in Berlin. Zwar hat sich der Abstand zwischen den Konkurrenten seit Jahresanfang verringert, doch lässt sich nach wie vor durch einen Wechsel Geld sparen. Hinzu kommt: Der Umstieg von einem auf den anderen Stromlieferanten ist kostenlos. Zudem übernimmt der neue Anbieter – anders als bei der außerordentlichen Kündigung – die gesamte Bürokratie, die mit dem Wechsel verbunden ist (siehe Kasten).

Deutscher Strom ist teuer. Rund 120 Euro im Jahr zahlen Privatkunden hier zu Lande mehr als im EU-Durchschnitt verlangt werden, kritisiert Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Geld, das sich sparen ließe, wenn es endlich einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Markt gäbe. Doch hohe staatliche Abgaben und die oft überteuerten Entgelte, die die Netzbetreiber den neuen Anbietern für die Durchleitung des Stroms durch ihre Netze in Rechnung stellen, vermiesen den Newcomern der Branche das Geschäft.

Fast alle neuen Anbieter arbeiten mit Verlust. Das lässt sich nicht unbegrenzt durchhalten. Zahlreiche Stromlieferanten sind bereits in die Knie gegangen. Im vergangenen Jahr rutschte die Deutsche Strom AG in die Pleite, im Winter folgten Ares und Riva. Der Bewag hat die Insolvenz der Konkurrenten neue Kunden beschert. Denn Berliner, die bisher von Ares oder Riva beliefert worden waren, bekamen ihren Strom im Rahmen der Notversorgung automatisch von der Bewag. Drei Monate haben die Kunden in einem solchen Fall Zeit, sich einen neuen Anbieter zu suchen, sonst werden sie automatisch zu Bewag-Dauerkunden. „Da der bürokratische Vorlauf aber zwei Monate kostet, sollten Kunden sich höchstens einen Monat Zeit für den Wechsel lassen“, rät Stephan Scherfenberg vom Verbraucherdienst Stromtip. Die jüngsten Pleiten und die deutlichen Preiserhöhungen, die Yello seinen Kunden zumutet, machen deutlich, unter welchem Druck die neuen Anbieter stehen. Der ist auch hausgemacht. In der Hoffnung auf sinkende Netznutzungsentgelte hatten viele Stromhändler in der Vergangenheit Kampfpreise verlangt, die nicht mehr zu halten sind. „Viele haben für jeden neuen Kunden noch Geld mitbringen müssen“, sagt ein Branchenkenner.

Das soll sich jetzt ändern. Jahrelang hatte der Staat den einstigen Monopolisten das Feld überlassen und ihnen erlaubt, mit ihrer Verbändevereinbarung selbst die Spielregeln für den Wettbewerb auf dem Strommarkt zu bestimmen. Jetzt soll eine staatliche Regulierungsbehörde geschaffen werden. Nicht zuletzt auf Druck der EU-Kommission, die den deutschen Sonderweg vor dem Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen wollte, einigten sich das Wirtschafts- und Umweltministerium sowie die Koalitionsfraktionen kürzlich darauf, ab dem 1. Juli 2004 eine neue Regulierungsbehörde einzurichten. Doch noch gibt es Streit darüber, welche Kompetenzen die Behörde haben soll und wer diese Aufgaben übernimmt.

Sollte es der neue Regulierer tatsächlich schaffen, für mehr Wettbewerb zu sorgen, könnte das dazu führen, dass Unternehmen wie Yello eines Tages kostendeckend arbeiten. Bis dahin hofft Yello-Sprecher Andreas Müller auf die Solidarität der Kunden. Der einstige Billig-Anbieter setzt jetzt auf innere Werte. „Die Leute schauen nicht nur auf den Preis“, sagt Müller, „Yello ist Garant für den Wettbewerb“. Aber ob das den Kunden 50 Euro wert ist?

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