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© Kai-Uwe Heinrich

Andreas Penk, Pfizer: "Krebs wird Killer Nummer eins"

Andreas Penk, Chef von Pfizer Deutschland, über neue Medikamente, Krebserkrankungen und den Standort Berlin.

Herr Penk, am morgigen Sonntag startet in Berlin Europas größter Krebs-Kongress mit 15 000 Teilnehmern. Was tut der weltgrößte Pharmakonzern gegen Krebs?



Wir wissen, dass der Krebs die Herz- Kreislauf-Erkrankungen als Killer Nummer eins bald ablösen wird. Jeder hat Freunde oder Familienangehörige, die daran erkrankt sind. Und jeder weiß, wie beschränkt die Heilungsmöglichkeiten sind. Wir wollen künftig in der Onkologie eine führende Rolle spielen, deshalb wollen wir auf diesem Gebiet massiv investieren. Schon heute fließen 20 Prozent unserer Forschungsgelder in die Krebsforschung.

Mit welchem Ergebnis?

Wir sind schon heute im Bereich Nieren- und Brustkrebs sehr gut vertreten. Aber wir verstärken die Forschung, weil wir in allen wichtigen Krebsarten Medikamente entwickeln wollen. Das betrifft zum Beispiel den Lungen-, Brust-, Darm- und Prostatakrebs. Auf all diesen Gebieten haben wir schon klinische Projekte in der Entwicklung.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Krebs?

Die Onkologie hat mich schon als Arzt interessiert, wobei ich auch Phasen erlebt habe, wo die Frustration über die fehlenden Möglichkeiten der Medizin oft größer war als die Bereitschaft, das aktiv anzugehen. Wer einmal vor einem krebskranken, nicht weiter therapierbaren Patienten stand, kann sich vorstellen, wie hilflos man sich in so einem Moment fühlt. Auch das war für mich Antrieb, mich mehr zu engagieren.

Jetzt lenken Sie von Berlin aus Pfizers Onkologiegeschäft für ganz Europa. Warum hat die New Yorker Konzernleitung diese Abteilung nach Berlin gegeben?

Diese Stadt hat in den USA einen unzerstörbar guten Ruf. Wenn unsere Zentrale nicht in Berlin ihren Sitz hätte, wären wir wohl nicht zum wichtigsten europäischen Standort in der Pfizer-Onkologie geworden. Die Wissenschaftslandschaft hier ist ausgezeichnet. Das gilt für die Grundlagen- und die klinische Forschung, für die Forscher an den Universitäten wie auch an den außeruniversitären Instituten.

Trotzdem scheint die Forschung weltweit zu stocken. Nach Angaben der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA werden in den USA derzeit 860 Wirkstoffe getestet, darunter viele potenzielle Krebsmedikamente. Warum kommt davon so wenig bei den Patienten an?

Es ist eine sehr gute Nachricht für die Patienten, dass jetzt eine Rekordzahl von Medikamenten in der Pipeline ist. Aber es stimmt: In den letzten Jahren hat die Forschungsproduktivität, wenn man sie an der Zahl der zugelassenen Medikamente misst, nicht die gewünschten Zahlen erreicht. Dieses Jahr zum Beispiel konnte die gesamte Pharmaindustrie nur für ein neuartiges Krebsmedikament bei der FDA eine Zulassung erhalten. Das ist definitiv zu wenig und entspricht nicht dem, was gebraucht wird.

Und woran liegt das?

Daran, dass die Wirkstoffe, die jetzt in den USA und Europa von den Behörden geprüft werden, das Ergebnis der Forschung von vor zehn oder 15 Jahren sind. Seitdem hat die Krebsforschung große Fortschritte erzielt. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren deutliche Zuwächse bei den Zulassungszahlen sehen werden. Ich sehe eine Welle neuer Medikamente kommen.

Trotz aller Fortschritte beim Krebs gerät Ihre Branche immer mehr in die Kritik: Auch Pfizer warf man zuletzt vor, unliebsame Studiendaten für Ihr Antidepressivum Edronax zurückgehalten zu haben. Wie gehen Sie mit der Kritik um?

Ich weise sie zurück. Wir haben keine Daten zurückgehalten, aber auf Wunsch des Instituts, das das behauptet hat, haben wir noch weitere Daten bereitgestellt.

Formaljuristisch ist das vielleicht korrekt. Aber das Imageproblem bleibt. Wie wollen Sie das lösen?

Wir sind grundsätzlich der Transparenz verpflichtet. Dazu gehört, dass wir seit 2005 unsere Daten auf einer Website www.clinicaltrials.gov veröffentlichen. Das ist eine Industrieverpflichtung, der wir gründlich nachkommen. Wir haben alle Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass bei uns in Deutschland alle unsere Aktionen korrekt sind und wir das Licht der Öffentlichkeit nicht scheuen müssen.

Und was, wenn andere Firmen fragwürdige Praktiken betreiben?

Dafür gibt es die freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie, die FSA. Die ist eine mittlerweile fest etablierte Institution in Deutschland, die solche Vorwürfe prüft. Die FSA ist auch in der Lage, notfalls Sanktionen zu verhängen.

Bis 2012 laufen bei Ihnen 14 wichtige Patente aus, was einen Verlust von 35 Milliarden Dollar bedeuten könnte. Wie wollen Sie diese Summe ausgleichen?

Eine strategische Antwort ist der Kauf des US-Wettbewerbers Wyeth. Diese Aquisition wird helfen, den Patentablauf des wichtigen Medikaments Lipitor, dessen Schutz jetzt ausläuft, auszugleichen. Wir sind danach so breit aufgestellt, dass kein einziges Mittel mehr als zehn Prozent unseres Umsatzes ausmacht. Dadurch werden wir in der Lage sein, stabile Umsätze in den nächsten Jahren zu erwirtschaften.

Durch den Kauf von Wyeth für 68 Milliarden Dollar wird Pfizer der mit Abstand größte Pharmakonzern der Welt. Was bringt Ihnen diese Marktmacht?

Wir können die wichtigsten Probleme besser angehen, die in der nächsten Dekade auf uns zukommen. In den entwickelten Ländern wird mit der Alterung der Bevölkerung die Demenz zunehmen, auch Krebs. Gleichzeitig sind die Sozialsysteme unter Druck. Das heißt, dass wir neue Wege finden müssen, um Medikamente mit einem noch höheren Nutzen zu entwickeln.

Und was tun Sie für die schlechter entwickelte Welt?

Auch dort müssen wir den Menschen Zugang zu qualitativ guten Medikamenten ermöglichen. Wir sind mehrere Partnerschaften eingegangen. Zum Beispiel läuft derzeit ein sehr interessantes Projekt mit der Grameen Bank des Nobelpreisträgers Mohammad Yunus, in dem wir versuchen, ein Konzept zu entwickeln, um Medikamente für die Regionen zugleich verfügbar und finanzierbar zu machen.

Kann man als Pharmakonzern in der sogenannten Dritten Welt derzeit überhaupt Geld verdienen?

Wir dürfen diese Länder nicht als reine Armenhäuser betrachten. Auch dort gibt es eine Mittelschicht, Menschen, die den ersten Schritt erreicht haben auf der Wohlstandsleiter. Die wollen ihren Familien eine echte Gesundheitsversorgung bieten und wegkommen von gefälschten Tabletten. Sie können natürlich nicht so viel Geld ausgeben wie Menschen in unserem Gesundheitssystem. Jetzt kommt es darauf an, auch für diese Menschen ein Angebot zu entwickeln und nicht nur für die Eliten.

Was müsste man am deutschen System ändern – und was wünschen Sie sich von der nächsten Regierung?

Über den Ausgang der Wahl will ich nicht spekulieren. Ich sehe das Gesundheitssystem in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau, und ich unterstütze auch das Prinzip der solidarischen Finanzierung ausdrücklich. Um das aber auch in die Zukunft zu führen, ist ein Wechsel der Perspektive notwendig.

Wie soll der aussehen?

Wir müssen aufhören, das Gesundheitssystem lediglich als einen Kostenfaktor zu begreifen. Das Gesundheitssystem ist ein wichtiger Faktor für die Dynamik und Produktivität einer Gesellschaft. Wir werden zum Glück alle immer älter. Das ist eine gute Nachricht. Das bedeutet aber auch, dass wir einiges tun müssen, um auch produktiv und dynamisch zu bleiben.

Was fordern Sie konkret?

Ich erhoffe mir von der kommenden Regierung, dass sie stärker Innovationen fördert, die den medizinischen Fortschritt bringen. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, angefangen bei der Deregulierung des Gesundheitssektors. Das ist eine Sache des politischen Dialogs. Wir brauchen aber auch einen gesellschaftlichen Dialog darüber, was uns Gesundheit wert ist. Diese Debatte sollte eine neue Regierung anstoßen.

Das Interview führten Kevin P. Hoffmann und Hartmut Wewetzer.

DER MANAGER

Andreas Penk, 1965 in Leipzig geboren, ist Mediziner. 1994 kam er zu Pfizer, seit März 2007 ist er Geschäftsführer von Pfizer Deutschland. Zusätzlich leitet er seit November 2008 von Berlin aus die europäische Geschäftseinheit Onkologie. Penk ist verheiratet und Vater zweier Töchter.

DAS UNTERNEHMEN

Pfizer Deutschland ist eine 1958 gegründete Tochter des weltgrößten Pharmakonzerns Pfizer in New York. Weltweit setzt der Konzern 32,9 Milliarden Euro um und beschäftigt 87 000 Menschen. In Deutschland arbeiten 3800 Mitarbeiter für das Pharmaunternehmen, 525 davon in der Berliner Zentrale, die vor eineinhalb Jahren von Karlsruhe in die Hauptstadt umzog. Der Umsatz in Deutschland lag 2008 bei 1,4 Milliarden Euro.

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