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Angst vor Arbeitslosigkeit: Die Krise macht krank

Die Finanz- und Wirtschaftskrise führt in Deutschland zu einem Anstieg der Langzeiterkrankungen. Krankenkassen und private Versicherer müssen mehr für Langzeitpatienten zahlen.

Berlin/Frankfurt am Main - Die Finanz- und Wirtschaftskrise führt in Deutschland zu einem Anstieg der Langzeiterkrankungen. Nach einer Umfrage des „Handelsblatts“ sind bei Krankenkassen und privaten Krankenversicherern die Ausgaben für arbeitsunfähige Arbeitnehmer in diesem Jahr um sieben bis elf Prozent gestiegen. Der Grund: Viele Arbeitnehmer kurieren Krankheiten nicht aus, sondern arbeiten bis zur Erschöpfung und werden dann lange krank. „Trotz Krankheit arbeiten die Menschen weiter bis zum endgültigem K.O.“, sagt Birgit Fischer, Chefin der Barmer GEK.

Arbeiten trotz Krankheit ist inzwischen so weit verbreitet, dass Gesundheitsforscher ein eigenes Wort dafür gefunden haben: „Präsentismus“. Seit Jahren sänken die Krankenstände, sagt Katrin Macco, Expertin für betriebliche Gesundheitsvorsorge beim Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen (WidO). Auch der 2008 leicht angestiegene Krankenstand habe noch deutlich unter dem ersten gemessenen gesamtdeutschen Krankenstand im Jahr 1991 von 4,9 Prozent gelegen. In einer Studie befragte Macco unlängst Arbeitnehmer am Arbeitsplatz nach ihrem wirklichen Befinden. Das Ergebnis war erschreckend: Über 70 Prozent gaben an, dass sie im zurückliegenden Jahr auch krank zur Arbeit gegangen seien. Fast ein Drittel tat dies gegen den ausdrücklichen Rat des Arztes.

Eine aktuelle Studie aus Dänemark kommt zu dem Schluss, dass es für die Unternehmen letztlich höhere Kosten verursacht, wenn ihre Mitarbeiter krank zur Arbeit erscheinen. So wächst bei Menschen, die mehr als sechs Mal im Jahr krank zur Arbeit gehen, die Wahrscheinlichkeit, dass sie später länger als zwei Monate krankheitsbedingt ausfallen, um 74 Prozent. Und dann wird es auch für die Krankenkassen teuer. Denn ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit müssen sie Krankengeld zahlen. Die KKH-Allianz hat in den ersten drei Quartalen 2009 schon 25,5 Millionen Euro mehr für das Krankengeld aufgebracht. Bezogen auf die Summe von 166,2 Millionen entspreche dies einer Steigerung von 11,4 Prozent je Mitglied, sagt ein Sprecher. KKH-Allianz-Vorstandschef Ingo Kailuweit führt dies wie seine Kollegin Fischer auf die Zunahme psychischer Erkrankungen zurück.

Den „Trend zunehmender Langzeiterkrankungen“ beobachtet auch die AOK Rheinland/Hamburg seit Jahren. Vor allem Herz-, Kreislauf- und Rückenkrankheiten sowie Krebs kommen häufiger vor. Die Zunahme psychischer Erkrankungen führt man teilweise auf die „steigende Belastung im Berufsleben“ zurück. Die im Jahr 2008 beginnende Finanz- und Wirtschaftskrise habe „aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten für den Einzelnen auch sicherlich zu einem Anstieg der Krankengeldausgaben beigetragen“. Auch die Techniker-Krankenkasse, die Nummer zwei unter den gesetzlichen Kassen, muss mehr zahlen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seien die Ausgaben für Krankengeld bis Ende September um 10,5 Prozent je Versichertem gestiegen. Die Ergo-Tochter DKV, der zweitgrößte private Krankenversicherer, hat in den ersten zehn Monaten dieses Jahres sieben Prozent mehr Krankengeld ausgegeben.

Neben der Wirtschaftskrise sehen die Kassen auch in der Bevölkerungsentwicklung einen Grund für den aktuellen Anstieg beim Krankengeld. So zeigen Zahlen aus dem Gesundheitsreport der Techniker-Krankenkasse (TK), dass Arbeitnehmer mit steigendem Alter länger krank werden. Ein weiterer Grund sei die Reform der Lohnfortzahlung im öffentlichen Dienst, sagt KKH-Allianz-Vorstandschef Ingo Kailuweit. So habe der Staat bisher für seine Mitarbeiter 26 Wochen lang die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall übernommen. Mittlerweile würden nur noch sechs Wochen getragen. Die Kassen hätten daher nun massiv höhere Kosten. HB

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