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Die neue Kryptowährung Libra könnte ein lukratives privates Währungsmonopol schaffen.

© Dado Ruvic/Illustration/Reuters

Angst vor Digitalwährung Libra: Deutschen ist die Facebook-Währung nicht geheuer

Experten warnen, dass Facebook eine Parallel-Währung mit „großer Durchschlagskraft“ schaffen könnte. Auch die Bevölkerung ist skeptisch gegenüber Libra.

Libra, die von Facebook geplante Digitalwährung, ist den Deutschen nicht geheuer: 71 Prozent zeigten sich in einer Umfrage skeptisch, nur zwölf Prozent äußerten sich positiv zu dem Projekt. Selbst unter deutschen Facebook- Nutzern hält sich die Begeisterung in Grenzen: Gut zwei Drittel sehen Libra sehr skeptisch oder jedenfalls eher skeptisch.

Die Erhebung durch das Yougov-Institut im Auftrag der „Bürgerbewegung Finanzwende“ fand Anfang Juli statt, also noch bevor die kritischen Reaktionen aus der Politik und von den Zentralbanken ein größeres Ausmaß erreicht hatten. Facebook hatte die Libra-Pläne am 18. Juni vorgestellt und angekündigt, die Digital-Währung schon im kommenden Jahr für Nutzer des Netzwerks zum Kauf anzubieten.

Hinter „Finanzwende“ steht der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick. Er sieht die Gefahr, dass sich aus Libra – vorerst nicht mehr als eine Art Zahlungs- und Verrechnungseinheit für Transaktionen innerhalb des Facebook-Netzwerks – mit der Zeit eine globale Parallelwährung mit „großer Durchschlagskraft“ entwickelt, die sich der Kontrolle und Regulierung durch die Staaten und Zentralbanken entzieht. Mit Libra gäbe es dann erstmals eine breit genutzte Währung „eines privaten Monopolanbieters“, wie Schick sagt. „Einmal eingeführt, ließe sich Libra kaum noch stoppen“, glaubt Schick.

Und wieder: Too big to fail?

Allerdings verweist der frühere Finanzmarktexperte der Grünen-Fraktion, der sein Bundestagsmandat im Dezember zurückgegeben hat, auch auf ein Kernproblem des Facebook-Projekts: Es ist unklar, wer mit welcher Begründung eigentlich ein Verbot aussprechen oder zumindest für eine strikte Regulierung sorgen könnte.

Ausgegeben und betrieben werden soll die Ergänzungswährung von einer eigens gegründeten Libra Association mit Sitz in der Schweiz. Unklar ist laut Schick, wie internationale, US-amerikanische oder europäische Instanzen und Behörden, die sich schon kritisch zu der Einführung geäußert haben, vorgehen könnten.

Zuletzt hatten die G7-Finanzminister sich gegen das Projekt ausgesprochen. Denn laut Schick ist unsicher, um was es sich bei dem Libra-Projekt finanzmarkttechnisch handelt. Er sieht Parallelen zu Geldmarktfonds, die Gelder einsammeln und gering verzinst, aber vorgeblich sehr sicher anlegen.

Doch hätten sich in der Finanzkrise 2008 viele dieser Fonds tatsächlich als unsicher erwiesen. Sollte Libra die von seinen Gründern erwarteten Dimensionen annehmen, entstünde wieder die Gefahr des „too big to fail“ – also die Existenz eines Finanzgiganten, der nur aus Steuermitteln gerettet werden kann, sollte er ins Schlingern geraten. Schick geht davon aus, dass es eines neuen regulatorischen Regelwerks bedarf, um Libra kontrollieren zu können. Dabei sei nun Eile geboten – Regierungen und Zentralbanken müssten sich das Motto der Digitalwirtschaft zu eigen machen: „move fast“.

Stabiler angelegt als Bitcoin

Libra ist eine sogenannte „stable coin“ – eine digital erzeugte Ersatzwährung, die zum einen auf einem Korb von akzeptierten Währungen basiert, zum anderen aber unbegrenzt käuflich ist. Damit wäre sie deutlich wertstabiler als Digitalwährungen wie der Bitcoin, die ungebunden sind und zudem nur mit einem begrenzten Volumen gehandelt werden, was massive, spekulative Auf- und Abschwünge des Kurses ermöglicht.

Mit Libra sollen Transaktionen in dem Netzwerk möglich sein, das Facebook mit bis zu hundert Partnern bilden will. Bisher gehören Paypal, Visa, Mastercard, Uber, Spotify, Ebay und Vodafone dazu. Nicht zuletzt dürfte die Möglichkeit, Transfers und Käufe einfach und mit geringen Gebühren über soziale Medien wie Whatsapp abzuwickeln, Kunden anlocken. Denen wird Sicherheit versprochen, indem ihr echtes Geld, mit dem sie Libra-Tokens gekauft haben, in stabilen Wertpapieren angelegt wird, vor allem wohl Staatsanleihen.

Ein gutes Geschäft

Damit ist aber auch das Geschäft beschrieben, das die Teilnehmer des Konsortiums machen können: Die Zinsen aus diesen Anlagen nämlich fließen allein ihnen zu. So verbinden sich hier mehrere kommerzielle Absichten der Digital-Giganten: das Erwirtschaften einer relativ risikolosen Rendite, das Schaffen einer noch höheren Kundenbindung und das Sammeln von noch mehr Daten von Abermillionen Nutzern, in dem Fall die besonders lukrativen Finanztransaktionen.

Schick geht aufgrund von US-Studien davon aus, dass sich auf den Anlagenkonten des Konsortiums mit der Zeit allein mehrere hundert Milliarden Dollar ansammeln und so selbst in der Niedrigzinsphase Renditen im einstelligen Milliardenbereich möglich sind – es dürften mehr sein, wenn sich Libra tatsächlich weltweit durchsetzen sollte.

Zu erwarten ist aber, dass zunächst nicht zuletzt Facebook-Nutzer, die aus Schwachwährungsregionen in Lateinamerika, Afrika und Asien in die USA oder nach Europa zugewandert sind, ihre Rücküberweisungen in ihre Heimatländer nahezu kostenfrei abwickeln – bisher sind dafür hohe Gebühren fällig.

Kein Markt für Libra in Europa?

Die Bundesbank sieht daher vor allem Gefahren für „weniger wertstabile Währungen“, die „in einem gewissen Ausmaß“ verdrängt werden könnten, wie es generell zu der Wirkung von „stable coins“ im aktuellen Monatsbericht der deutschen Zentralbank heißt. Die skeptische Haltung der Deutschen zu Libra, die aus dem Umfrageergebnis spricht, können die Bundesbanker wiederum als Bestätigung nehmen.

Denn in dem Bericht wird das Marktpotenzial von Libra in „hochentwickelten Wirtschaftsräumen mit leistungsfähigen Zahlungsverkehrssystemen und stabilen Währungen“ als überschaubar eingestuft. Denn wo Transaktionen schon heute zügig, sicher und billig abgewickelt werden können, ist nach Ansicht der Bundesbank der Zusatznutzen von „stable coins“ wie Libra geringer.

Zumal es mindestens zwei größere Risiken gibt. Zum einen besteht ein Wechselkursrisiko gegenüber dem Währungskorb, in dem nicht nur Euro liegen, sondern mutmaßlich vor allem US-Dollar – denn den Dollarraum dürften Facebook & Co. vor allem im Blick haben. Zum anderen gibt es laut Bundesbank bei solchen Ersatzwährungen ein Liquiditätsrisiko – falls die als Sicherheit dienenden Anlagen bei größerem Abgabedruck von Libra-Eignern nicht schnell genug verkauft werden können. Im Extremfall ist auch ein Kreditrisiko möglich, wenn der Anbieter einer „stable coin“ zahlungsunfähig ist.

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