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Wirtschaft: Angst vor Kündigung bremst Innovationen

DÜSSELDORF (pt/HB).Die gesetzliche Verschlechterung des Kündigungsschutzes im Jahre 1996 hat nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes keine neuen Arbeitsplätze gebracht.

DÜSSELDORF (pt/HB).Die gesetzliche Verschlechterung des Kündigungsschutzes im Jahre 1996 hat nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes keine neuen Arbeitsplätze gebracht.Obwohl die Arbeitnehmer inzwischen kaum noch rechtliche Möglichkeiten mehr hätten, gegen mit Betriebsänderungen begründete Kündigungen vorzugehen, sei die Arbeitslosigkeit vielmehr im vergangenen Jahr von 4,28 Millionen auf 4,52 Millionen saisonbereinigt gestiegen.Die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Ursula Engelen-Kefer, erklärte in einem Gespräch mit dem Düsseldorfer Handelsblatt, es bestehe die Gefahr, daß die Verschlechterung der Rechtssicherheit der Beschäftigten sich auf Dauer als Innovationsbremse erweisen wird.

"Die erleichterte Möglichkeit der Entlassung erhöht den Druck auf die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten.Von ihnen wird Wohlverhalten und Zustimmung verlangt, wo oft Kritik und Widerspruch angebracht wären.Innovation wird dadurch gerade nicht gefördert," erklärte Engelen-Kefer.

Auch die übrigen Arbeitnehmerrechte würden durch die Lockerung des Kündigungsschutzes geschwächt, sagte die DGB-Vize.Der einzelne werde kaum seine Arbeitsschutzrechte und die Einhaltung vertraglicher Arbeitsbedingungen einfordern, wenn er befürchten müsse, bei der nächsten Kündigungswelle dabei zu sein.Dies gelte auch für die Anrufung des Betriebsrates oder ein Engagement in der Gewerkschaft.

Das Kündigungsschutzrecht diene der Sicherung der Menschenwürde des Arbeitnehmers und seiner Berufsfreiheit.Mit ihm müsse der Staat seiner Pflicht nach Artikel 12 Grundgesetz nachkommen, den Arbeitnehmer als "typischerweise schwächeren Partner" zu schützen.Das Bundesverfassungsgericht habe daher dem sozialen Schutzgedanken des Kündigungsschutzes in der staatlichen Rechtsordnung einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt.

Gleichwohl habe der Gesetzgeber mit der Heraufsetzung des Schwellenwertes, oberhalb dessen das Kündigungsschutzrecht angewendet werden muß, sechs bis acht Millionen Arbeitnehmer in über 80 Prozent der Unternehmen und Betriebe bei Kündigungen rechtlos gestellt.Schon heute zeige sich, daß diese Rechtsänderungen zu Betriebsspaltungen, Ausgliederungen und Betriebsübergängen geführt hätten.Hinzu komme die Begrenzung der sozialen Auswahlkriterien, die praktisch dazu führe, daß eine echte Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen nicht mehr durchgeführt werden müsse.Ob ein betrieblicher Kündigungsgrund tatsächlich besteht, sei einer Überprüfung kaum noch zugänglich.

3,7 Millionen der 1997 gezählten Erwerbslosen seien vor ihrer Arbeitslosigkeit erwerbstätig gewesen.2,4 Millionen hätten durch Kündigung des Arbeitgebers ihren Arbeitsplatz verloren.Nur ein geringer Teil dieser Kündigungen habe die Arbeitsgerichte beschäftigt.Zöge man die Zahl von 300 000 erledigten Bestandsstreitigkeiten im Jahre 1995 als Anhaltspunkt heran (aktuellere Daten gibt es nicht) dürften es nicht mehr als 10 Prozent sein.Von den 300 000 Verfahren seien 68 000 binnen vier Wochen, weitere 241 000 innerhalb von sechs Monaten erledigt gewesen.Die Mehrzahl solcher Arbeitsgerichtsverfahren führe zudem nicht zu einer Fortsetzung der Beschäftigung, auch wenn der Arbeitnehmer den Prozeß gewinne.Auf dem Hintergrund dieser Zahlen relativiere sich das Arbeitgeberargument, der Kündigungsschutz hindere die Betriebe an Neueinstellungen.

Keine nennenswerten Beschäftigungseffekte sind nach Ansicht des DGB auch von der Verlängerung und Erweiterung der Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen ausgegangen.

In den anderen Mitgliedstaaten der EU genüge anders als in Deutschland inzwischen der Wille des Arbeitgebers alleine nicht mehr zur Rechtfertigung einer Entlassung.Vielmehr sei in sämtlichen Rechtsordnungen eine Nachprüfung der Kündigungsgründe, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, möglich.Dies werde auch durch die Sozialcharta des Europarates verlangt.Zudem gelte in allen EU-Staaten die Regel, daß eine ungerechtfertigte Kündigung auch unrechtmäßig sei.In nahezu allen Mitgliedsländern dürfe die Kündigung nur als "Ultima ratio" eingesetzt werden.

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