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Wirtschaft: Angst vor unangemeldetem Besuch in der Kanzlei

DÜSSELDORF .Manch ein "freier Mitarbeiter", der bislang in einer deutschen Anwaltskanzlei sein karges Brot verdiente, erlebt in diesen Tagen eine unverhoffte Beförderung: Statt der begehrten Festanstellung wird der Aktenknecht sogar gleich zum Sozius befördert.

DÜSSELDORF .Manch ein "freier Mitarbeiter", der bislang in einer deutschen Anwaltskanzlei sein karges Brot verdiente, erlebt in diesen Tagen eine unverhoffte Beförderung: Statt der begehrten Festanstellung wird der Aktenknecht sogar gleich zum Sozius befördert.Möglich gemacht hat es das heftig umstrittene Korrekturgesetz gegen Scheinselbständige.Denn von diesen vermeintlichen Unternehmern, die in Wirklichkeit wie ein Arbeitnehmer ihren Lohn in Abhängigkeit von einem einzigen Auftraggeber verdienen, finden sich bislang auch in den Reihen der Advokaten viele.Die Kehrseite der rot-grünen Novelle: Mancherorts trennen sich Kanzleien jetzt von ihren verkappten Angestellten, weil sie die sonst anfallenden Sozialabgaben nicht aufbringen wollen oder können.

"Da gibt es teilweise Knebelverträge", beschreibt der Berliner Fachanwalt für Steuerrecht Klaus Olbing die Mißstände in seiner Zunft.Manche sprechen hinter vorgehaltener Hand von "Sklavenarbeit".Hartmut Kilger, Fachanwalt für Sozialrecht in Hechingen und Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV), schätzt die Quote der nicht wirklich Selbständigen unter den vermeintlich freischaffenden Paragraphenkennern auf 90 Prozent.

In der Anwaltsszene kristallisieren sich derzeit ganz unterschiedliche Lösungsstrategien für die neue Rechtslage heraus.Arbeitsrechtlich orientierte Rechtsberater lassen vielfach alles beim alten und argumentieren mit dem unabhängigen Charakter einer jeden Anwaltstätigkeit, der die Einstufung als Scheinselbständiger und damit als weisungsgebundener Arbeitnehmer von vornherein ausschließe.Andere stellen jetzt einige ihrer Mitarbeiter auch förmlich ein, mit eigener Sekretärin und festem Gehalt - oder schassen sie nach dem Motto: "Wir können uns den Mann nun nicht mehr leisten." Wieder andere Anwaltsbüros fassen mehrere Hilfskräfte zu einer eigenen Sozietät zusammen und ernennen diese dann zum Subunternehmer.Und schließlich zeichnet sich ab, daß etliche Kanzleien ihre bewährten Zuarbeiter nun endlich richtig ins Boot holen und zum Partner ernennen.

"Besser ein vernünftiges Gespräch führen", legt auch Sozialrechtler Kilger seiner Gilde ans Herz, "als einfach zu kündigen - sonst marschieren die zu den Arbeitsgerichten." Die Beförderung zum Sozius gilt denn auch inzwischen als Mehrheitstrend.Das Problem: "Wie räumt man einem Nachrücker eine wirkliche und nicht nur eine scheinbare Partnerstellung ein, ohne andererseits dem alten Herren in der Sozietät zu viel von seinen Rechten zu nehmen?" fragt Anwalt Olbing.Und plädiert für einen Mittelweg, der allen Beteiligten gerecht wird."Gesellschaftsrechtlich gibt es unendlich viele Möglichkeiten, den Juniorpartner rechtlich wasserfest zu integrieren."

Allerdings warnt der Steuerjurist vor unüberlegten Schritten, die eine Kanzlei teuer zu stehen kommen können.Für die Zukunft lasse sich eine Legalisierung der Verhältnisse zwar durchaus erreichen.Die Fußangel: "Wenn ich die Umstrukturierungsmaßnahmen zum Arbeitnehmer von heute auf morgen hinbekomme, stubse ich ja die Finanz- und Sozialverwaltung mit der Nase darauf, daß sie das in Wahrheit vielleicht auch schon vorher waren." Dann drohen dem Freiberufler hohe Nachzahlungen an Lohnsteuern und Sozialbeiträgen für seine Mitarbeiter, und das gleich für mehrere Jahre.Olbigs Tip: Nach sorgfältiger Prüfung kann sich für den unfreiwilligen Arbeitgeber eine Selbstanzeige beim Finanzamt empfehlen - verbunden mit dem Hinweis, daß man gegen den dann folgenden Steuerbescheid Einspruch einlegen werde.Dann müsse man die bisher vertretene Rechtsposition, man habe nur Subunternehmer und keine Angestellten beschäftigt, nicht von sich aus räumen.

JOACHIM JAHN (HB)

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