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Wirtschaft: Anlageberatung: Bankangestellte machen es sich oft zu leicht

"Wieviel möchten Sie denn anlegen", fragt die Kundenbetreuerin der Berliner Bank. "59 000 Mark - geerbt von der Großmutter", sagt die Kundin.

"Wieviel möchten Sie denn anlegen", fragt die Kundenbetreuerin der Berliner Bank. "59 000 Mark - geerbt von der Großmutter", sagt die Kundin. Sie ist jung und in Anlagedingen noch unerfahren. Verzocken möchte sie das Geld nicht, ein gewisses Risiko will sie aber in Kauf nehmen.10 000 Mark will sie kurzfristig für eine größere Anschaffung zur Verfügung haben. Der Rest ist für später. Doch so viel möchte die Beraterin über die Kundin, ihre Anlagewünsche und ihren finanziellen Hintergrund gar nicht wissen. "Ich würde die Summe aufteilen und zum Teil in einem Immobilienfonds, einem Eurosparbrief und einem Aktienfonds anlegen", empfiehlt sie routinemäßig. Schnell hat sie zu jeder Anlageform den passenden Prospekt aus der Schublade gezogen. "Lesen Sie sich erst einmal alles in Ruhe durch." Nach 15 Minuten ist die Beratung beendet. Ist mehr Zeit für 59 000 Mark nicht drin?

Weiter geht es zur Berliner Sparkasse. "Gemeinsam finden wir die passende Lösung" - das Plakat in der Eingangshalle lässt hoffen. Die Kundenberaterin, mit der am Tag zuvor der Termin vereinbart wurde, begrüßt die Erbin freundlich: "Das Gespräch wird nun doch mein Kollege führen. Der hat in diesen Dingen mehr Erfahrung." "Na fein", denkt die Anlegerin. Der Kollege ist noch keine 30 Jahre alt und seine Funktion ist der Visitenkarte nicht zu entnehmen. Die folgenden 60 Minuten braucht der Berater, um anhand des Formulars "Persönlicher Vermögens-Check" Familienstand, Nettomonatsgehalt, Geldanlageziele und die Anlegermentalität zu ermitteln. Das wäre sicher auch in 15 Minuten möglich gewesen, hätte er nicht das Formular Wort für Wort vorgelesen. Immerhin weiß die Kundin jetzt, dass sie ein wachstumsorientierter Anlegertyp ist. Wie es der Zufall will, gibt es für jeden Anlegertyp natürlich auch gleich den passenden Dachfonds der hauseigenen Investmentgesellschaft Deka. Was der ganze Spaß kostet, ist dem Berater erst auf Nachfrage zu entlocken. Auch in diesem Fall war die Kundenabwehr erfolgreich.

Zwei Gespräche; nicht mehr als Stichproben. Doch auch die Stiftung Warentest hat bei einer breit angelegten Untersuchung zum Thema Geldanlage gravierende Mängel bei der Bank-Beratung festgestellt: Erstens erfassen viele Kundenberater die wichtigsten Kundendaten, wie Ziele der Geldanlage, Risikobereitschaft und gewünschte Verfügbarkeit der Anlage nicht differenziert genug. Zweitens stellen die Bankangestellten zwar häufig die unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten vor, scheuen sich aber vor konkreten Empfehlungen. Und drittens entwickeln nur wenige Anlageberater den Ehrgeiz, für den Kunden ein individuelles Anlagemodell auszuarbeiten. Sie machen es sich einfach und empfehlen nur Produkte, bei denen man kaum etwas falsch machen kann, wie etwa Dachfonds. Die stammen der Einfachheit halber meist aus dem eigenen Haus. Dachfonds sind Investmentfonds, die wiederum in andere Fonds wie Aktien-, Renten-, Immobilien- und Geldmarktfonds investieren. Offensichtlich tun sich die Berater schwer, die Kunden bei Produkten fremder Fondsgesellschaften zu beraten.

Dass es auch anders gehen kann, zeigt ein Gespräch bei einer Filiale der Hypovereinsbank in Berlin: "Wir suchen uns selber was zusammen", empfiehlt die Privatkundenbetreuerin. Sie bietet der Erbin von Anfang an auch Fonds anderer Banken an. Am Ende des über einstündigen Gesprächs nimmt die junge Frau einen individuellen Anlageplan und Infomaterial zu den vorgeschlagenen Produkten mit nach Hause.

Wieder etwas milder gestimmt, geht es zur Deutschen Bank 24. Doch kurz nach dem Betreten der Filiale kommen erste Zweifel auf: Die Angestellte am Kundenschalter, die gerade noch Überweisungen ausgefüllt und Geld ausgezahlt hat, gibt sich als Anlageberaterin zu erkennen. Die Erbin ist skeptisch. Auch der Tisch im hinteren Teil der Schalterhalle, für alle zugänglich, ist dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses nicht gerade zuträglich. Doch die Beratung überzeugt. Ausführlich werden Anlagewünsche, -erfahrung und -ziele besprochen und ein Anlageplan erstellt. 30 000 Mark legt sie sicher an. 20 000 werden auf Aktien und weltweite Aktienfonds verteilt. Die 10 000 für eine größere Anschaffung auf einem Sparkonto mit hoher Verzinsung geparkt. Die Skizze, die sie dazu anfertigt, lässt keine Fragen offen. "Sie müssen damit gut schlafen können. Wenn Sie nach der Beratung kein gutes Gefühl haben, dann müssen Sie zu einem anderen Berater gehen", sagt sie. Der Tipp der Beraterin, sich von einem Deutsche-Bank-24-Kunden werben zu lassen und als Werbegeschenk noch die elektrische Zahnbürste oder das Bügeleisen mitzunehmen, steigert die Rendite von Anfang an.

Eine Filiale der Berliner Volksbank und ein weiterer Versuch, das Erbe renditeversprechend anzulegen: Die Messlatte hängt hoch. Doch der Kundenberater versteht es, den Anlage-Neuling zu überzeugen. Keine Frage bleibt offen: Was ein Aktienfonds ist, wird schnell mit Hilfe einer Zeichnung erklärt. Preise und Gebühren werden nach der Firmendevise "Wir machen den Weg frei" gleich zu Beginn des Gesprächs erläutert. "Ich kann nicht mehr", sagt die Erbin nach 60 minütiger, intensiver Beratung und bremst den Elan der Kundenbetreuers.

Fazit des Beratungs-Marathons: 5,8 Kilogramm Broschüren und Informationsmaterial. Zehn Stunden für Gespräche und Anfahrt. Und noch immer ist die junge Frau hin und hergerissen zwischen Berliner Volksbank und Deutsche Bank 24. Schließlich macht die elektrische Zahnbürste und die solide Anlageempfehlung der Deutschen Bank 24 den Unterschied.

Jacqueline Dreyhaupt

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