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 Gutverdiener nutzen die Rentenversicherung als Anlagevehikel und schaden der Versichertengemeinschaft. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

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Anlagevehikel: Die Rente als Geldanlage

Immer mehr Gutverdiener nutzen die gesetzliche Rentenversicherung als Anlagevehikel. Das schadet jedoch den normalen Versicherten.

Seit 2010 können Beamte und berufsständisch Versicherte auch ohne die vorherige Erfüllung der fünfjährigen Wartezeit freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) einzahlen, um sich so den Anspruch auf eine Regelaltersrente zu sichern. Hohe Lohnzuwächse und Rentenanpassungen sorgen dafür, dass sich Beiträge in die GRV seit Jahren besser verzinsen als vergleichbar sichere Geldanlagen. Immer mehr Personen nutzen daher diese Möglichkeit und verschaffen sich so eine zusätzliche Altersvorsorge: Von 2010 bis 2015 ist die Zahl der freiwillig Versicherten, die den Höchstbeitrag einzahlen, von 1586 Personen auf 5045 angestiegen, was einer Verdreifachung entspricht. Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor, aber es lässt sich vermuten, dass die Zahl weiter rapide steigt, weil die niedrigen Zinsen anhalten und zunehmend damit geworben wird, dass sich die GRV als Anlagevehikel lohnt.

Aktuell beläuft sich der monatliche Höchstbeitrag zur GRV auf 1187,45 Euro. Dies entspricht einem Jahresbeitrag von 14 249,4 Euro. Menschen, die in der Lage sind, einen so hohen freiwilligen Rentenbeitrag aufzubringen, müssen sehr gut verdienen und benötigen eigentlich keine zusätzliche Rente aus der gesetzlichen Rente, weil sie von der Absenkung des Rentenniveaus nicht betroffen sind.

Schaden für die anderen Versicherten

Und was noch viel problematischer ist: Personen, die die GRV als Anlagevehikel benutzen, schaden der Versichertengemeinschaft. Denn erstens steigt infolge der freiwilligen Beiträge die künftige Finanzierungslast der GRV. In der Zukunft müssen die versicherungspflichtigen Beschäftigten die Zusatzrenten aus freiwilligen Beiträgen finanzieren, und dies bedeutet tendenziell höhere Rentenbeiträge. Am Ende müssen für die steigenden Kosten diejenigen Versicherten aufkommen, die pflichtversichert sind. Die freiwillig Versicherten werden ihre Beiträge dann einstellen, wenn sich für sie das Beitrags-Leistungs- Verhältnis beziehungsweise die Beitragsrendite verschlechtert. Diese Möglichkeit haben die Pflichtversicherten nicht.

Besserstellung von Gutverdienern zulasten von Geringverdienern

Zweitens findet durch den auffälligen Anstieg der freiwillig Versicherten mit Höchstbeitrag eine immer stärkere negative Risikoselektion statt, weil die freiwillig Versicherten, die in der Lage sind, Höchstbeiträge zu leisten, eine überdurchschnittlich lange Lebenserwartung aufweisen. Menschen, die absehbar überdurchschnittlich lange leben, stellen für Rentenversicherungen aber rechnerisch immer „schlechte Risiken“ dar. Im Ergebnis bedeutet diese Entwicklung vor allem eine Besserstellung von Gutverdienern zulasten von Geringverdienern innerhalb der GRV. Dies widerspricht der aktuellen rentenpolitischen Agenda sämtlicher Parteien.

Dr. Tim Köhler-Rama ist Dozent an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung.

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