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ANLEGER Frage: an Oliver Borgis Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank

Droht Deutschland die Herabstufung?

Viele europäische Staaten mussten bereits schlechtere Ratings hinnehmen. Kann das auch Deutschland passieren, und was würde das für die Anleger bedeuten?

Aller Unzufriedenheit mit den Ratingagenturen zum Trotz gelten deren Bonitätseinstufungen nach wie vor als wichtiges Urteil am Anleihenmarkt. Unter den großen Industrienationen haben neben Frankreich im Januar 2012 auch die USA im August 2011 und Japan seit 2001 von zumindest einer der drei führenden Agenturen die Bestnote AAA entzogen bekommen. Es ist gut möglich, dass sich auch Deutschland hier bald einreiht: Mit einem Schuldenstand von über 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung haben wir hierzulande einen fast so großen Schuldenberg angehäuft wie Frankreich. Bei anderen Kriterien steht Deutschland gleichwohl besser da. So betrug die Neuverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt hierzulande nur rund ein Fünftel der französischen.

Dafür sind die deutschen Verpflichtungen und Garantien aus den Euro-Rettungsschirmen höher. Eine Herabstufung des Ratings für Bundesanleihen würde dann in greifbare Nähe rücken, wenn erhebliche weitere Hilfszusagen für taumelnde Euro-Partnerländer zahlungswirksam werden oder die Vergemeinschaftung europäischer Staatsschulden vorangetrieben wird, sei es über einen Schuldentilgungsfonds oder über Eurobonds.

Gemeinhin gilt das Rating als entscheidend für die Finanzierungskosten eines Schuldners, doch offenbar nicht im Bereich der obersten Ratingklassen. In keinem der genannten Herabstufungsfälle sind die Schuldzinsen gestiegen. Faktoren wie Konjunktur, Inflation, Leitzins und Kapitalströme internationaler Anleger überlagern die zunächst nur graduellen Ratingwirkungen. Eine direkte Auswirkung wäre allerdings, dass der wesentlich auf der deutschen Bonität fußende Europäische Sicherungsmechanismus (ESM) ein schwächeres Rating erhalten würde. Da das bereits jetzt nicht am obersten Ende rangiert, dürften wohl dessen Refinanzierungskosten steigen.

Die Folgen für den deutschen Anleger würden insgesamt aber gering sein. Pfandbriefe und Unternehmensanleihen zum Beispiel wären nicht betroffen und sollten sich kursmäßig sogar sehr gut behaupten können. Selbst der Aktienmarkt würde die schlechte Nachricht wohl schnell abschütteln können. Als alternativer Zufluchtsort risikoscheuer Anlagegelder könnte die Schweiz größer Leidtragender werden und den Höchstkurs des Franken von 1,20 gegenüber dem Euro nicht verteidigen können – mit extrem negativen Folgen für Wirtschaft und Aktienmarkt.

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an Oliver Borgis

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