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ANLEGER Frage: Der Dax hat keinen Boden

Der Dax hat seit Jahresanfang fast 1500 Punkte verloren. 4000 Punkte sind schon unterschritten. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Dax das Rekordtief bei 2200 Punkten noch einmal testet? Eine Anlegerfrage an Oliver Borgis, Leiter des Portfoliomanagements der Weberbank.

Schon vor der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hatte der Dax ein Drittel des gesamten Gewinns verloren, den er zwischen März 2003 (2200 Punkte) und Juli 2007 (8100 Punkte) gemacht hatte. Das zweite Drittel schwand bis Februar 2009 – als Ergebnis der brutal auf die Realwirtschaft übergreifenden Finanzkrise.

Ein Szenario, in dem ein Verlust auch des letzten Drittels und mehr plausibel wäre, wäre zum Beispiel eine Depression wie in den dreißiger Jahren. Dafür allerdings spricht wenig, denn die weltweit expansive Geld- und Fiskalpolitik steht diametral zu der deflationären Politik der dreißiger Jahre. Auch üblere Szenarien wie ein Auseinanderbrechen der Europäischen Währungsunion sind denkbar, aber allesamt unwahrscheinlich. Ausreichen könnte allerdings, dass die Marktteilnehmer sich eines dieser Katastrophenbilder nur ausmalen.

Würde tatsächlich auch das letzte Drittel des Dax-Gewinns verloren gehen, bedürfte es eines weit düstereren Blicks in die Zukunft als 2003. Denn ein Dax von 2200 Punkten wäre heute viel billiger. Weil die Gewinne der Unternehmen deutlich höher sind und ihre Verschuldung geringer ist, würde der gleiche Indexstand einer deutlich schlechteren Bewertung von Substanz und Zukunftsaussichten der Unternehmen entsprechen. 2003 war der Dax im Tief etwa mit dem 12-Fachen der erwarteten Gewinnsumme der Dax-Aktien bewertet. Geht man von einem Gewinnrückgang im laufenden Jahr um weitere 30 Prozent aus, so stünde der Vergleichswert bei einem Dax-Stand von 2200 heute bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von nur etwa 7.

Ein weiteres Abbröckeln in den Bereich von 3000 bis 3500 Punkten ist einzukalkulieren, da das volle Ausmaß der Rezession erst mit einem scharfen Anstieg der Arbeitslosenzahlen offenbar werden wird. Selbst dann wird es Einzeltitel und Branchen geben, die Chancen bieten. Aber aller Forschung und gestiegenen Rechnerkapazitäten zum Trotz hat sich die Prognosefähigkeit bezüglich Wirtschaft und Börse nicht verbessert. Oder, wie Sir Isaac Newton sagte: „Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunden berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann.“ Die Antwort auf die Frage lautet deshalb: Es ist sehr unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Spätestens 2008 hat uns gelehrt, auch das bis dato Undenkbare einzukalkulieren.

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an Oliver Borgis

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