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Wirtschaft: Anleger: Kein Investitionsendspurt aus Steuergründen

Deutsche Unternehmen haben trotz verlängerter Abschreibungsfristen im neuen Jahr ihre Investitionen nicht in nennenswertem Umfang vorgezogen. Das ist das Ergebnis einer Handelsblatt-Umfrage unter deutschen Firmen.

Deutsche Unternehmen haben trotz verlängerter Abschreibungsfristen im neuen Jahr ihre Investitionen nicht in nennenswertem Umfang vorgezogen. Das ist das Ergebnis einer Handelsblatt-Umfrage unter deutschen Firmen. Die Investitionspläne stelle man im Hinblick auf die Produkte auf und nicht im Hinblick auf Steuereffekte, argumentiert ein Sprecher des Autoherstellers Daimler-Chrysler. Daran änderten die "innovationsfeindlichen Abschreibungstabellen" nichts, die nach Meinung der Stuttgarter "die begrüßenswerte Reduzierung der Steuersätze fast vollständig aufsaugen". Beim Maschinenbauer Voith AG in Heidenheim kommt ein klares "Nein" auf die Frage, ob die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen zu vorgezogenen Investitionen geführt habe. "Höchstens unwesentlich" seien Projekte vorgezogen worden, sagt auch ein Sprecher des Getriebespezialisten ZF AG aus Friedrichshafen. "Wir haben ein Investitionsvolumen von 480 Millionen Mark. Das kann man nicht im großen Stil vorziehen."

Während für die meisten Industrieunternehmen die Steuerreform durch die verschlechterten Abschreibungsbedingungen zum Nullsummenspiel wird, sieht sich der Herrenbekleidungs-Hersteller Hugo Boss auf der Gewinnerseite. Man profitiere von den niedrigeren Steuersätzen, sei aber wegen des vergleichsweise geringen Anlagevermögens von den schlechteren Abschreibungsbedingungen kaum berührt, sagte Finanzvorstand Jörg-Viggo Müller. Bei dem Hamburger Autozulieferer Phoenix AG hat sich im Investitionsverhalten nichts geändert. "Zu kurzfristig und kaum machbar", kommentiert Phoenix-Vorstand Hans-Joachim Zwarg auf Anfrage. Schließlich müsse die Neuinvestition noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden, um noch in den Genuss der günstigeren Abschreibungsregeln zu kommen. Konkret hieße das: Losgelöst von der ursprünglichen Planung müsste innerhalb weniger Wochen eine größere Maschine in Dienst genommen werden.

Kaum anders sieht es bei anderen Konzernen aus. "Wir investieren nach den Erfordernissen des Marktes", kommentiert der Pressesprecher des Hamburger Transport- und Logistikkonzerns Hapag-Lloyd AG, Klaus Heims. "Wir ziehen unsere geplanten Investitionen so schnell wie möglich durch, weil wir sie für die Produktion benötigen", beschreibt HDW-Sprecher Jürgen Rohweder die Lage bei der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG in Kiel. Die kurzfristigen steuerlichen Änderungen spielten dabei keine Rolle. Auch bei der Drägerwerk AG in Lübeck werden Investitionen nach langfristigen Erwägungen beschlossen und nicht auf Grund kurzfristiger Steueränderungen. Ganz unverhohlen freut sich Peter Schäfer, Finanzvorstand der Beiersdorf AG, Hamburg: "Wir werden dieses Jahr ein Rekordergebnis erzielen. Da sind wir natürlich daran interessiert, Aufwand so weit wie möglich noch in diesem Jahr zu buchen, um das Steuergefälle auf Grund der deutschen Steuerreform zu nutzen." Deshalb sei er froh, dass Beiersdorf das Joint Venture mit dem britischen Konzern Smith + Nephew noch 2000 abschließen konnte. Damit falle auch der daraus resultierende Umstrukturierungsaufwand noch in diesem Jahr an.

In der Diskussion um die verlängerten Abschreibungsfristen hat sich auch der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) zu Wort gemeldet. Er sagte dem Handelsblatt, durch die durchschnittlich 20-prozentige Verlängerung der Abschreibungsfristen für Investitionsgüter könne es zu einer milliardenschweren Mehrbelastung der Wirtschaft kommen. "Die oftmals angespannte Kapitaldecke macht Abschreibungen für Unternehmen als Instrument zur Finanzierung ihrer Investitionen unerlässlich", sagte der Finanzminister. Je länger die Abschreibungsfrist, desto eher müssten Neuinvestitionen über zusätzliche Kredite finanziert werden. "Da hierdurch Liquiditätsverluste eintreten und Zinsbelastungen steigen, werden ökonomisch erforderliche Investitionen hinausgezögert oder gar nicht getätigt - nach dem Motto: Wer investiert, wird bestraft."

Mit den überarbeiteten Abschreibungstabellen will die Bundesregierung einen Teil der Steuerausfälle aus der Unternehmensteuerreform kompensieren. Die neuen Abschreibungsfristen gelten für Investitionsgüter, die nach dem 31.12.2000 angeschafft oder hergestellt worden sind. Die längeren Nutzungsdauern haben zur Folge, dass sich die jährlichen Absetzungen für Abnutzung (AfA) verringern und sich die Steuereinnahmen des Fiskus entsprechend erhöhen. Während die Wirtschaft mit einem Gesamtbetrag von sieben Milliarden Mark kalkuliert, erwartet das Bundesfinanzministerium für 2001 Mehreinnahmen von 1,93 Milliarden Mark. Mit den neuen Tabellen wird beispielsweise die Nutzungsdauer für Pkw auf sechs (bisher: fünf) Jahre erhöht, für Lastkraftwagen (Kipper) auf neun (sieben), für Großrechner auf sieben (fünf) Jahre, um nur einige Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite wird die Nutzungsdauer von Personalcomputern, Notebooks und Druckern von vier auf drei Jahre verkürzt.

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