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Wirtschaft: Anleger ziehen sich ins Eigenheim zurück

Berlin/Frankfurt (Main) (AP/ina/HB). Privatanleger setzen angesichts der Börsenflaute wieder verstärkt auf das Bausparen und ziehen sich aus Aktienfonds zurück.

Berlin/Frankfurt (Main) (AP/ina/HB). Privatanleger setzen angesichts der Börsenflaute wieder verstärkt auf das Bausparen und ziehen sich aus Aktienfonds zurück. Im ersten Halbjahr 2002 stieg die Bausparsumme gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,8 Prozent auf 24,8 Milliarden Euro, teilte der Verband der Privaten Bausparkassen am Mittwoch in Berlin mit. „Möglicherweise stehen wir auf Grund der anhaltenden Tauchfahrt der Börse vor einer neuen Lust auf Wohneigentum", sagte Verbandsgeschäftsführer Andreas Zehnder. Der im Jahr 2000 erreichte Tiefpunkt sei überwunden.

Abzulesen ist die neue Orientierung der Anleger auch an aktuellen Zahlen der Investmentfonds-Branche: Zum ersten Mal seit September 2001 haben die deutschen Anleger per saldo mehr Aktienfonds zurückgegeben als gekauft. Das belegt die jüngste Statistik des Fondsverbandes BVI. Damit liegen die deutschen Anleger im europäischen Trend. Laut Schroder Salomon Smith Barney starteten im Januar die Italiener mit Nettorückgaben. „Jetzt sieht es so aus, als habe sich diese Abgabeneigung über Europa ausgebreitet“, erklärt dazu ein Analyst. Die BVI-Juni-Statistik weist bei Aktienfonds Nettoverkäufe von einer Milliarde Euro aus, nachdem sich die Anleger im Vormonat noch mit 1,3 Milliarden Euro eingedeckt hatten.

Das Sicherheitsdenken habe bei den Bundesbürgern offenbar wieder die Oberhand gewonnen, interpretieren die Bausparkassen die Entwicklung. Statt in hochspekulative Geldanlagen werde lieber in die eigenen vier Wände investiert. Ende Juni verwalteten die privaten Bausparkassen nach Verbandsangaben 21,2 Millionen Verträge mit einem Volumen von 449,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2000 seien es zwar geringfügig mehr Verträge gewesen, die gesamte Bausparsumme habe jedoch um 4,5 Milliarden Euro niedriger gelegen. Rund 36,8 Milliarden Euro zahlten die Bausparkassen den Angaben zufolge im vergangenen Jahr an ihre Kunden aus. Im Jahr davor seien es 38 Milliarden Euro gewesen. „Doch diese Entwicklung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Zahl der insgesamt neu gebauten Wohnungen im vergangenen Jahr noch einmal um 22,9 Prozent auf nur noch 326000 Einheiten zurück ging", sagte Verbandschef Zehnder. Die Bausparkassen seien mit einem Marktanteil von 29 Prozent die mit Abstand stärkste Gruppe auf dem Markt der Wohnungsfinanzierer. An zweiter Stelle stünden die Sparkassen mit 23,8 Prozent, gefolgt von den Hypothekenbanken (15,6 Prozent).

Immobilien steigen auch in der Gunst der Sparer, die sich noch an der Börse engagieren. Der Trend zu wertstabilen Geldmarkt- und Immobilienfonds sei im Juni noch stärker ausgeprägt als im Vormonat, heißt es beim BVI. Einige Fachleute sehen die negative Absatzentwicklung bei Aktienfonds durch starke Abgaben bei den Branchenprodukten etwas überzeichnet.

Bürger sind noch misstrauisch

Betroffen waren vor allem jene Produkte, die auf Biotech/Pharma, Technologie und Telekommunikaton/Medien ausgerichtet sind. Hans-Dieter Runte, Geschäftsführer der BHF-Bank-Fondsgesellschaft Frankfurt-Trust glaubt zwar: „Wenn die Stimmung an den Börsen dreht, werden sich die Anleger auch wieder Aktienfonds zuwenden.“ Wie lange das dauern kann, darüber gehen die Meinungen indes auseinander. Bei Schroder Salomon Smith Barney heißt es: „Auch bei einem Drehen der Märkte nach oben werden die Anleger noch Monate brauchen, um wieder Vertrauen zu fassen."

Markus Rieß, Sprecher der Geschäftsführung des DIT, gibt sich dagegen gelassen: „Der Monat Juni ist nur ein Dämpfer. Monatsstatistiken sagen ohnehin wenig aus. Im Gesamtjahr rechne ich damit, dass die Anleger deutlich mehr Aktienfonds ordern werden als im Vorjahr.“ Es sei im Übrigen nur gut, so Rieß, dass Aktienfonds ihre dominante Stellung aus den Euphoriejahren 1999 und 2000 verloren hätten. Denn der Trend zu risikoärmeren und wertstabilen Produkten sei ein Zeichen für den „sehr vernünftigen Umgang mit dem eigenen Geld".

Klaus-Jürgen Baum, Geschäftsführer von Fidelity Investment Services in Frankfurt, findet dieses Verhalten nur verständlich: „Viele Investoren verfolgen im aktuellen Umfeld einfach das Ziel, ihre Anlagen zu sichern.“ Ganz ähnlich beurteilt Stefan Seip die Lage. Man könne vermuten, dass Investitionen in Geldmarktfonds zwischengeparkt würden, sagt der Sprecher des BVI-Vorstandes. DIT-Mann Rieß urteilt: „Der Fonds erlebt keine Vertrauenskrise, auch wenn die Anleger stärker auf Immobilien- und Geldmarktfonds umgestiegen sind." Die deutsche Fondsbranche verwaltete Ende Juni insgesamt 890 Milliarden Euro. Davon entfallen 405,5 Milliarden Euro auf Publikumsfonds, der Rest ist den Spezialfonds (institutionelle Anleger) zuzurechnen.

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