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Wirtschaft: Anleihen aus Lateinamerika: Hochprozenter sind mit Vorsicht zu genießen

Der Jubel über den Handelsgipfel von Quebec ist groß: Zollfreier Warenverkehr von Feuerland bis Alaska soll den amerikanischen Staaten die größte Freihandelszone der Welt bringen. Was im Jubel der internationalen Delegation unterging: In Lateinamerika bahnt sich die nächste Emerging-Markets-Krise an.

Der Jubel über den Handelsgipfel von Quebec ist groß: Zollfreier Warenverkehr von Feuerland bis Alaska soll den amerikanischen Staaten die größte Freihandelszone der Welt bringen. Was im Jubel der internationalen Delegation unterging: In Lateinamerika bahnt sich die nächste Emerging-Markets-Krise an. Die Angst wächst, dass Argentinien seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Seit Jahresbeginn verloren argentinische Anleihen deutlich an Wert. Beinahe panikartig kehren Investoren dem brasilianischen Finanzmarkt den Rücken. Immer mehr Anleger fürchteten, dass die chronische Wirtschaftskrise in Argentinien auf das größte Land des Kontinents überschwappt. Seit Januar wertete der brasilianische Real um 15 Prozent ab. Er rutschte gegenüber dem Dollar auf den tiefsten Stand seit 1994, obwohl die Zentralbank vergangene Woche die Zinsen zum zweiten Mal in einem Monat erhöhte. Hatten Volkswirte dem Land bis vor kurzem noch ein Wachstum von 4,5 Prozent vorhergesagt, revidieren sie ihre Prognosen jetzt nach unten.

Die hochprozentigen Zinspapiere der beiden lateinamerikanischen Länder wurden in der Vergangenheit rege zum Kauf empfohlen. Viele Privatanleger suchten, enttäuscht von der Börsenflaute und den Mickerzinsen auf Bundesanleihen, in den Emerging Markets Zuflucht. In Brasilien- und Argentinien-Bonds erkannten sie eine akzeptable Möglichkeit, die Rendite ihres Depots aufzumöbeln. Immerhin locken auf Euro lautende Anleihen aus Argentinien und Brasilien mit einem stolzen Zinsvorsprung vor Bundesfinanzminister Hans Eichels Papieren. Sollen sie angesichts der zunehmenden Unruhe am Markt jetzt verkauft werden?

"Anleger sollten die beiden Länder nicht über einen Kamm scheren", rät Jan Holthusen, Leiter des Market Research bei der DG-Bank. "Die fundamentale Situation sieht in Argentinien schlechter aus als in Brasilien - anders als vor zwei Jahren, als es umgekehrt war." Die Brasilianer haben die Probleme der weltweiten Emerging-Markets-Krise aber gut in den Griff bekommen - nicht zuletzt, weil sie ihre Währung abwerten konnten. Der argentinische Peso durfte dagegen nicht abwerten, weil er im Verhältnis eins zu eins an den US-Dollar gebunden ist. Die Dollarfixierung schützte den Peso zwar vor spekulativen Attacken, schwächte aber die Wettbewerbsfähigkeit des Landes empfindlich und führte die Wirtschaft in eine Rezession. "Jetzt sind die brasilianischen Anleihen durch die Krise in Argentinien in Mitleidenschaft gezogen worden, ohne dass das gerechtfertigt wäre", sagt Holthusen. Die Handelsverflechtungen zwischen beiden Ländern seien nicht so dicht wie oft angenommen. "Brasilien-Anleihen sind zwar ein spekulatives Investment, das zeigt auch das Rating. Das Risiko wird momentan aber sehr gut bezahlt. Deshalb empfehlen wir Brasilien zur Zeit zum Kauf", erklärt der Rentenexperte weiter. Wer also Brasilien-Anleihen im Depot habe, solle sie auf jeden Fall behalten. Anders ist die Lage in Argentinien, deren Anleihen jüngst von den Rating-Agenturen heruntergestuft wurden. "Argentiniens Wirtschaft kommt nicht auf die Beine", sagt Holthusen. "Das hat zur Folge, dass es schwierig wird, die angehäuften Schulden zu begleichen." Deshalb sei das Land in den kommenden Jahren auf Gelder des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen. "Wir raten derzeit auf keinen Fall zu einem Einstieg in Argentinien", so der Experte. "Auf dem aktuell niedrigen Kursniveau sollten Anleger, die die Anleihen bereits besitzen, aber nicht verkaufen." Der neue und zugleich alte Wirtschaftsminister Cavallo mache ihm Hoffnung. Argentinien erlebte in den vergangenen Monaten drei Kabinettsumbildungen, eine davon brachte Cavallo wieder an die Macht. Er gilt als "starker Mann" Argentiniens, genießt im Ausland Vertrauen und wird für seine guten Kontakte zum IWF gerühmt. Sein jüngster Coup: Künftig soll neben dem Dollar auch der Euro als Referenzwährung des Peso figurieren. Der so gebildete Währungskorb würde die Wettbewerbsfähigkeit Argentiniens zweifellos verbessern, wovon auch die Anleihen profitieren sollten.

chn

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