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Die Fassade der neuen Microsoft-Deutschland-Zentrale in München.

© dpa

Anti-Virus-Programm „Defender“: Neue Kartellbeschwerde gegen Microsoft

Mit dem Anti-Virus-Programm „Defender“ dränge Microsoft alle Konkurrenzprodukte vom Markt. Die EU-Kommission könnte ein Kartellverfahren einleiten.

Dem amerikanischen Softwarekonzern Microsoft droht erneut ein Kartellverfahren der EU-Kommission. Anlass ist das Anti-Virus-Programm „Defender“, das automatisch mit dem Betriebssystem Windows 10 auf den damit ausgestatteten Rechnern installiert wird. Alle Konkurrenzprodukte würden so aus dem Markt gedrängt, beschweren sich Wettbewerber. Mindestens drei Hersteller von Sicherheits-Software, so erfuhr das Journalisten-Team Investigate Europe, sind bereits bei der Brüsseler Behörde vorstellig geworden und werfen dem US-Konzern einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vor.

„Wir haben jetzt entschieden, diesen Fall bei der EU-Kommission anzuzeigen und bereiten einen entsprechenden Antrag vor“, bestätigte ein Sprecher der Firma Kaspersky Lab gegenüber dem Journalisten-Team Investigate Europe. Kaspersky Lab mit Sitz in Moskau und London, ist nach eigenen Angaben Marktführer in Europa für Programme zur Abwehr von Schadsoftware.

Microsoft missbrauche seine marktbeherrschende Stellung

Die übrigen Hersteller der Branche zögern noch mit einer offiziellen Beschwerde und drängen die Behörde, selbst die Initiative zu ergreifen. Eine der Firmen schrieb einen Brief an die Generadirektion Wettbewerb, der Investigate Europe vorliegt. Darin heißt es, der US-Konzern dehne „de facto das Prinzip seines Betriebssystems auf jede andere Software aus, die Microsoft produziert“ und erzeuge damit „einen künstlichen Vertriebsvorteil gegenüber anderen Wettbewerbern, der nichts mit der Qualität der Softwareprodukte selbst zu tun“ habe. So könne das Unternehmen potenziell „jedes Programm zum Bestandteil seines Betriebssystems machen“.

Ein hochrangiger Beamter der Generaldirektion Wettbewerb bestätigte gegenüber Investigate Europe, die Kommission sei sich „der Lage bewusst“, Microsoft missbrauche seine marktbeherrschende Stellung. Derzeit liege der „Fokus“ der Behörde aber auf dem Fall Google. Darum warte man „auf eine formale Beschwerde, um eine stärkere Position zu haben“. Die gleiche Quelle bestätigte, dass es bereits „mehrere Treffen“ der zuständigen Beamten mit Vertretern der Unternehmen aus der Branche für Cybersecurity wegen dieses Falles gegeben habe. Sobald die Anzeige von Kaspersky in Brüssel eintrifft, muss die EU-Kommission nun entscheiden, ob sie ein Verfahren eröffnen will.

Kartellstrafen gegen Microsoft in Höhe von zusammen mehr als einer Milliarde Euro

Der Fall gleicht den beiden Verfahren, mit denen die EU-Kommission schon früher gegen Microsoft vorging, weil das Unternehmen seinen „Media Player“ und den Webbrowser „Internet Explorer“ in das Betriebssystem Windows integriert hatte und damit Wettbewerber verdrängte. Gleich zwei Mal, 2004 und 2013, verhängte die Kommission deswegen Kartellstrafen gegen Microsoft in Höhe von zusammen mehr als einer Milliarde Euro.

Mit dem Schutzprogramm Defender verfolge der Konzern nun die gleiche Strategie, schreibt Jewgeny Kaspersky, der Gründer und Chef des gleichnamigen Unternehmens, in seinem Blog. Microsoft zwinge „den Defender den Nutzern auf“. Das sei „nicht gut für den Schutz gegen Cyber-Angriffe“ und es schaffe „Hindernisse für den Marktzugang“ für „unabhängige Entwickler“.

Genauso argumentiert ein weiteres Unternehmen für Cybersicherheit in einem Schreiben an die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission. Microsoft verfolge eine Strategie, „die darauf abzielt, eine höchstmögliche Zahl von Nutzern mit einem kostenlosen Angebot an ein bezahltes Produkt zu binden.“ Zudem sei es „sicherheitstechnisch riskant, dass Microsoft aggressiv sein eigenes Anti-Virus-Produkt fördert“, weil damit „das Monokultur-Risiko“ einhergehe, warnt das Unternehmern. Microsoft lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme zum Thema ab.

Harald Schumann ist Mitglied des Teams Investigate Europe.

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