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Wirtschaft: AOK bezweifelt Sparpotenzial des Rürup-Konzepts

Deutliche Kritik an den Vorschlägen der Kommission / Pharmahersteller befürchten Arbeitsplatzverlust

Berlin (ce/raw/pet). Gesundheitsexperten bezweifeln das von der RürupKommission angestrebte Einsparvolumen für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 24 Milliarden Euro. Die veranschlagten Einsparungen durch Zuzahlungen in Höhe von acht Milliarden Euro seien „gnadenlos unrealistisch“, sagte der Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK, Klaus Jacobs, dem Tagesspiegel. Die Rürup-Kommission hatte angeregt, die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente komplett den Patienten aufzubürden. Außerdem sollen die Zuzahlungen für die Medikamente deutlich steigen, für die es billigere Ersatzpräparate gibt. Das würde Einsparungen in Höhe von sechs Milliarden Euro bringen. Die Experten fordern zudem, die privaten Zuzahlungen beim Zahnersatz von derzeit 50 Prozent anzuheben. Damit sollten weitere 2,5 Milliarden Euro gekürzt werden.

Die Ausgaben der Kassen für Zahnersatz liegen ohnehin nur noch bei 3,6 Milliarden Euro. „Da kann man den Zahnersatz gleich ganz aus dem Katalog nehmen“, kritisierte der sozialpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Wolfgang Zöller, gegenüber dem Tagesspiegel. Sein Parteikollege, der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer sagte, Kranke würden mit den Rürup-Plänen in einem nie gekannten Ausmaß „abgezockt“. Seehofer prophezeite, der Vorschlag einer „gigantischen Erhöhung der Zuzahlung“ werde Ostern nicht überdauern.

Neben einer Erhöhung der Zuzahlungen hatte Rürup weitere Einsparungen angeregt: die private Finanzierung des Krankengelds (7,5 Milliarden Euro), die Ausgliederung von versicherungsfremden Leistungen (4,5 Milliarden Euro), eine Praxisgebühr für Arztbesuche (2 Milliarden Euro), sowie die Aufhebung der Preisbindung von Nachahmer-Produkten (2 Milliarden Euro). Vor allem die Praxisgebühr ist umstritten. AOK-Forscher Jacobs sagte, sie könne dazu führen, dass Krankheiten verschleppt werden, deren Behandlung dann viel teurer komme.

Um die Krankenkassen finanziell zu entlasten, hat die Gesundheitsministerin weitere Pläne. Mit der umstrittenen Positivliste für Arzneimittel, die zum 1. Juli 2003 in Kraft treten soll, erhofft sie sich jährliche Entlastungen in Höhe von 800 Millionen Euro. Sie grenzt umstrittene Medikamente von der Erstattung durch die Krankenkassen aus. Mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes dürfen nur die in der Liste aufgeführten Arzneimittel von den Krankenkassen bezahlt werden. Schätzungen zufolge wären dann nur noch etwa 20 000 statt rund 40 000 Präparate verschreibungsfähig. Der Pharmaverband BPI geht davon aus, dass die Regelung vor allem die mittelständischen Unternehmen treffen wird, von denen viele ihre Forschung über die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten finanzierten. Die Positivliste gefährde bis zu 25 Prozent der Arbeitsplätze.

Im Gespräch ist auch, Brillen und andere Hilfsmittel aus dem Leistungskatalog der Kassen zu streichen. Das könnte Einsparungen in Höhe von 700 Millionen Euro bringen.

Vor dem „Lügen-Ausschuss“ des Bundestags wies Ulla Schmidt Vorwürfe der Opposition zurück, sie habe von der katastrophalen Finanzlage der Krankenkassen schon vor der Bundestagswahl im September gewusst.

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