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Wirtschaft: AOL-Gründer Steve Case tritt ab

Nach dem Ende der Internet-Euphorie übernimmt das alte Management von Time Warner wieder die Macht

Berlin / New York (msh/pf). Der Chef des USMedienkonzerns AOL Time Warner, Steve Case, hat seinen Rücktritt angekündigt. Damit übernimmt der AOL-Gründer die Verantwortung für die schlechte Geschäftsentwicklung des Konzerns seit der Fusion des Internetdienstes America Online (AOL) mit dem viel größeren Medienunternehmen Time Warner vor drei Jahren. Case wird bei der Hauptversammlung im Mai abtreten, aber Mitglied des Aufsichtsrats bleiben.

Auf dem Höhepunkt des Internetbooms hatte AOL Anfang 2000 den Medienkonzern Timer Warner übernommen. Es war mit einem Volumen von 106 Milliarden Dollar die drittgrößte Übernahme aller Zeiten. Die hohen Erwartungen an die Fusion, die aus der Kombination von Filmen, Musik und Printmedien mit dem Internet erwuchsen, erfüllten sich aber nicht. Während das traditionelle Mediengeschäft des Konzerns erfolgreich ist, kämpft der Online-Dienst AOL mit sinkenden Umsätzen. Das schwache Internetgeschäft zog den Aktienkurs des Unternehmens um 70 Prozent in den Keller, was Anteilseigner und Mitarbeiter mehr und mehr gegen Case aufbrachte.

Er wolle weiteren Schaden für das Unternehmen vermeiden, erklärte der 44-jährige Case jetzt. Da viele Anteilseigner ihm persönlich die Schuld an der schwachen Performance von AOL Time Warner in den vergangenen drei Jahren gegeben hätten, trete er zurück. Besonders das Aufsichtsratmitglied Ted Turner, der Gründer von CNN, und der Kabelunternehmer John Malone, großer Anteilseigner bei AOL Time Warner, hatten auf einen Rückzug von Case gedrängt. Seine Abwahl bei der kommenden Sitzung des Aufsichtrates im Mai galt daher als wahrscheinlich. Mit seinem Rücktritt vermeidet Case nun diese persönliche Niederlage.

Bereits vor einem Jahr wurde klar, dass Case an Einfluss verlieren würde. Gerald Levin, der die Fusion auf Time-Warner-Seite eingefädelt hatte, musste zurücktreten. Sein Nachfolger wurde der Time-Warner-Veteran Richard Parsons. Kurz darauf musste auch AOL-Chef Robert Pittman gehen, der als Vertrauter von Case galt. Sein Management-Stil sei unvereinbar mit dem der Time-Warner-Leute, lautete die Begründung damals.

So verschoben sich im Konzern immer mehr die Gewichte zum etablierten Time- Warner-Management, das gegen die Fusion mit dem Internetdienst war. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Probleme von AOL. Das Geschäft mit Internetzugängen wächst nur noch mäßig und der Einbruch der Einnahmen aus der Online-Werbung führte zu einem deutlichen Umsatzrückgang. Um das Online-Geschäft wieder anzukurbeln, setzt AOL jetzt stärker auf Inhalte für schnelle Internetzugänge per DSL oder Kabel. Noch trägt diese Strategie aber keine Früchte.

Dagegen entwickelten sich die klassischen Mediengeschäfte positiv und stärkten so die Gegner von Case. Vor allem die Filmstudios Warner Bros. sorgen mit ihren Kassenknüllern „Herr der Ringe“ und „Harry Potter“ für hohe Einnahmen, die mit ihren Fortsetzungen auch in den kommenden Jahren garantiert sind. Auch das Printgeschäft mit den Magazinen „Time“ und „Fortune“ sowie die Fernsehsender CNN und HBO laufen gut.

Case und seine Leute hätten sich Time Warner für ein paar Dollar unter den Nagel gerissen, schimpfen die Kritiker der Fusion mit Blick auf den Aktientausch vor zwei Jahren. Case sei auch für die aggressive Unternehmenskultur bei AOL verantwortlich, die zu fragwürdigen Bilanzierungsmethoden und Ermittlungen der Börsenaufsicht geführt hätten. Case wird ferner angelastet, er setze zu stark auf Technologie als die treibende Kraft der Unterhaltungsbranche.

Case hatte 1985 America Online mit gegründet. Er machte das Unternehmen durch eine zielstrebige Expansion und später durch den Kauf von mehreren Konkurrenten wie Compuserve und der Browser-Firma Netscape zum weltgrößten Onlinekonzern. AOL verfügt weltweit über mehr als 35 Millionen Kunden. Case hatte sich als Internetunternehmer vor allem während der Technologie-Spekulationsblase der späten 90er Jahre an der Wall Street einen geradezu legendären Ruf erworben.

Die Aktien von America Online wiesen zeitweise einen Gesamtwert von 260 Milliarden Dollar auf. Mit dieser „Kaufwährung“ ausgestattet, kündigte Case Anfang 2000 die Übernahme des weltgrößten Medienunternehmens Time Warner für 156 Milliarden Dollar an. Als die Übernahme ein Jahr später vollzogen wurde, war die Transaktion wegen der inzwischen stark gefallenen Aktienkurse „nur“ noch etwa 106 Milliarden Dollar wert. Als Reaktion auf den Rücktritt stieg der Aktienkurs von AOL Time Warner am Montag in New York im vorbörslichen Handel um vier Prozent auf 15,50 Dollar, gab dann aber wieder leicht nach.

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