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Verlorenes Paradies. Apples Logo erinnert an den angebissenen Apfel aus der Bibel – aber wer ist Eva, wer die Schlange?

© akg-images / Rabatti - Domingie

Apple: Vom Baum der Erkenntnis

Geschmackssache und Glaubensfrage: Apple ist ein Mythos. Man merkt es daran, dass der Erfolg nicht zu erklären ist.

Berlin - Als Apple die klassische Apfeltaste abschaffte, brach eine Welt zusammen. Die Apple-Gemeinde lief Sturm – der Schmerz ging noch tiefer, es war noch schlimmer als jene Hiobsbotschaft, die Saab-Aficionados bedeutete, dass die schwedischen Kultautos in Zukunft auf Opel-Fahrwerke montiert würden. Ende eines fahrbaren Mythos!

Apple aber hat alles überlebt, sogar die Kooperation mit dem Erzfeind Windows. Die Entwicklung von einer relativ teuren Nischenmarke zu einem der – am Börsenwert gemessen – wertvollsten Unternehmen der Welt hat das Image nicht beschädigt, im Gegenteil. Mit jedem neuen Produkt – iPod, iPhone, iPad – wuchs nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung, sondern auch das, was man mangels eines besseren oder größeren Ausdrucks eben den Mythos nennt.

Man wird kaum einen zweiten technischen Apparat finden, bei dem Marke und Funktion derart identisch sind. Das war so von Anfang an. Beim Schreiben auf einem Mac hat zwischen Hardware und Software nie ein Blatt Papier gepasst. Ein anachronistisches Bild, aber zutreffend: Der Mac erlaubt ein nicht durch Computergefummel entfremdetes Arbeiten, während alles andere alles andere war; PC eben oder Rechner. Wer mag schon auf einem Rechner schreiben? Das klingt nicht gut, und das sieht auch nicht gut aus. Apple-Geräte dagegen bestechen immer wieder durch ihr Design, ihre Dimensionierung. Technisch mag das iPad ein Witz sein, bloßer Luxus, aber das Ding hat das menschliche Maß.

Geschmackssache, sicher. Und Glaubensfrage sowieso. Wir sind also wieder beim Mythos. Offenbar sehnen sich Menschen nach Dingen, die eine Identifizierung auch jenseits von Oberflächen erlauben. Der angebissene Apfel vom Baum der Erkenntnis, das Apple-Logo, erinnert an den Sündenfall. Wenn wir uns also schon selbst aus dem Paradies herauskatapultiert haben, dann muss es auch einen Weg zurück geben, zumindest virtuell. Erinnert die spielerisch-automatische Handhabung des iPhone nicht an das blinde Hantieren mit der Gebetskette? Erst hat im 20. Jahrhundert die Kunst die Religion ersetzt, inzwischen treten digitale Wundermaschinen in der Größe einer Zigarettenschachtel an die Stelle traditioneller Medien.

Dabei lässt Apple den Kontakt zur Papierwelt nicht abreißen. Das iPad – zu groß für die Hosentasche, zu klein als ernsthafter Monitor – nimmt die Form der Schreibtafel wieder auf. Der „Economist“ zeigte bei der Einführung des Silbertabletts den Apple-Chef als alttestamentarischen Propheten, mit Heiligenschein und, anstelle der Schriftrolle, einem iPad in der Hand: „The Book of Jobs“ stand auf dem Cover. Ein Wortspiel mit dem Namen des Erfinders. Allerdings ist „Job“ im Englischen Hiob – der arme Mann, der alles Unglück der Welt von Gott auferlegt bekommt. Und „i“ heißt Ich ...

Die (pseudo-)religiösen Applikationen stammen nicht von der Firma Jobs, sie werden an sie herangetragen. Daran erkennt man einen Mythos am sichersten: Etwas gerät, im guten Sinn, außer Kontrolle und weist über sich hinaus.

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