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Wirtschaft: Arbeit am Limit

Die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten sinkt ab 26 Grad, aber Ökonomen bleiben cool: Das holen wir wieder auf

WAS DIE HITZE MIT DER WIRTSCHAFT MACHT – UND DIE WIRTSCHAFT MIT DER HITZE

Im Büro von Elisabeth Arnold steht das Thermometer kurz nach Mittag bei 31,1 Grad Celsius. „Die psycho-mentale Performance ist nicht so, wie man sich das wünscht“, beschreibt Arnold die Folgen der Hitze. Sie muss es wissen, denn Arnold hat sich als Arbeitsmedizinerin bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft in Mainz mit der Wirkung von Wärme auf die Arbeitskraft befasst. Dass die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nachlässt, kann sich jeder denken. Aber es geht schon ab 26 Grad abwärts, und zwar um zehn bis 15 Prozent je zusätzlichem Grad. Wer zum Beispiel bei einer Temperatur von 30 Grad malocht, ist nicht mal mehr halb so leistungsstark wie bei normalen Temperaturen. Was aber passiert mit der Wirtschaft, wenn die 38 Millionen Beschäftigten in Deutschland über viele Wochen nur einen Bruchteil ihrer Leistung bringen?

Gar nichts, sagt Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Die Hitze ist ein Non-Issue“, habe überhaupt keinen Einfluss auf Konjunktur und Wachstum. Selbst wenn es noch einige Wochen heiß bleibt, rechnet Grömling nicht mit größeren Auswirkungen auf die Wirtschaft. „Die Unternehmen sind darauf eingestellt, dass im August wenig läuft.“ Und wenn es zu Leistungseinschränkungen komme, fingen das die Firmen und ihre Beschäftigten über „Aufschiebeeffekte“ auf: Was im August nicht geschafft wird, holen sie im September nach.

Auch die Befürchtungen über steigende Lebensmittelpreise auf Grund der Dürre in der Landwirtschaft teilt Grömling nicht. Jüngst hatte es Berichte gegeben über höhere Bier-, Kartoffel- oder Maispreise. Und teurere Futtermittel könnten sich im Herbst auch auf die Fleischpreise auswirken. Grömling glaubt das nicht, „weil in der EU wegen der Überproduktion Lebensmittel vernichtet werden“. Anders gesagt: Ernteverluste in einem Teil Europas können durch andere Regionen ausgeglichen werden.

Grömlings Kollege Gebhard Flaig vom Münchener Ifo Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass in besonders heißen oder besonders kalten Monaten die Industrieproduktion rund ein Prozent unter dem Durchschnitt liegt. Aber auch das sei kein Grund zur Sorge: In den folgenden Monaten wird der Rückgang ausgeglichen. Deshalb bleiben auch die großen deutschen Unternehmen cool. „Es ist August, viele sind in Urlaub“, sagt Siemens-Sprecher Thomas Weber. Bislang habe die Hitze keine messbaren Folgen gehabt. „Bei uns ist Business as usual.“ Bei Daimler-Chrysler auch. Wobei sich die 365000 Beschäftigten des deutsch-amerikanischen Konzerns einer besonderen Fürsorge erfreuen. „Die Führungskräfte achten permanent darauf, dass es ihren Leuten gut geht“, sagt Daimler-Chrysler-Sprecherin Nicole Ladage.

Gut geht es den Leuten bis 26 Grad. Dies meint die Arbeitsstättenrichtlinie 6, die besagt, „dass die Raumtemperatur in Arbeitsräumen 26 Grad nicht übersteigen soll“. Die Betonung liegt auf „soll“ – es handelt sich also nicht um eine Mussvorschrift. Das Gleiche gilt für die Vorgabe nach DIN 1946 für Klimaanlagen; die Geräte sollen so leistungsfähig sein, dass sie bei einer Außentemperatur von 32 Grad eine sechs Grad tiefere Innentemperatur erreichen können.

Häufig klappt das. Arbeitsmedizinerin Arnold hat „in den letzten fünf Jahren“ beobachtet“, wie die Unternehmen „große Anstrengungen“ zur Kühlung der Arbeitsräume unternommen haben. Zum Beispiel durch den Einbau von Kühldecken und Einraum-Klimaanlagen. Obere Etagen würden zunehmend als Lager genutzt, damit die Mitarbeiter nicht unterm Dach in der größten Hitze schuften müssen.

Arm dran sind dagegen jene, die draußen arbeiten oder – zum Beispiel in Stahlhütten – produktionsbedingt ständig mit Temperaturen über 30 Grad leben müssen. Da helfen nur „besondere Maßnahmen“, wie Arnold sagt. Also eventuell Schutzkleidung, eine kürzere Arbeitszeit oder vom Arbeitgeber gestellte Getränke.

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