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Autohersteller wie BMW testen an ihren Produktionsstraßen den Arbeitsalltag in einer alternden Gesellschaft.

© dpa

Arbeit im Alter: Rückenschule und Roboter

In Zukunft werden immer mehr ältere Menschen immer länger arbeiten müssen. Wie Unternehmen älteren Mitarbeitern den Joballtag erleichtern wollen.

Wer wissen will, wie der Arbeitsalltag eines Pflegers in Deutschland in 20 Jahren aussehen könnte, muss sich das heutige Japan angucken, sagt Erhard Weiß von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Dort gebe es schon heute Roboter, die pflegebedürftige Menschen bei der Essenzubereitung unterstützen, beim Aufstehen helfen und sie sogar zur Toilette führen können. Zwar seien die Reaktionen der Betreuten auf ihre automatischen Helfer nur sehr verhalten, berichtet Weiß. Trotzdem sei zu erwarten, dass auch bei uns der Pflegebereich in Zukunft technisiert werde.

Ursache dieser Entwicklung ist der sich beschleunigende demografische Wandel. Er zwingt nicht nur die Pflegebranche, sich Gedanken darüber zu machen, wie sich Arbeitsplätze und -prozesse verändern müssen, damit Menschen jenseits der 60 überhaupt noch erwerbstätig sein können. Denn ungeachtet des politischen Streits um die Rente mit 67 ist klar: In Zukunft werden immer mehr ältere Menschen immer länger arbeiten müssen. „Betriebe und Unternehmen werden ihre Arbeitsplätze zunehmend an die Bedürfnisse älterer Menschen anpassen müssen“, sagt Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik beim Institut zur Zukunft der Arbeit.

Nach Angaben der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände hat die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen zwischen 2002 und 2009 zwar fast um ein Drittel zugenommen. Trotzdem ging im Jahr 2007 erst jeder zweite aus dieser Altersgruppe einer Arbeit nach.

Fakt ist, viele Arbeiten können von älteren Menschen nicht mehr ausgeübt werden. Dazu zählen nicht nur Berufe in der Pflege, die gleichermaßen psychisch wie körperlich anstrengend sind, sondern auch viele Tätigkeiten in der Industrie, im Handwerk oder auf dem Bau. In vielen Unternehmen gibt es deshalb schon heute Ansätze, wie beispielsweise körperlicher Verschleiß – einer der häufigsten Gründe für einen verfrühten Renteneintritt – vermieden werden kann. So sehen beispielsweise der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ der chemischen Industrie oder der „Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente“ in der Metall- und Elektroindustrie eine verstärkte Gesundheitsschulung mit Vorträgen, Fortbildungstagen, Antirauchertraining oder Rückenschulen vor.

Auch die Maschinen werden sich verändern. So unterzieht zum Beispiel der Autobauer Daimler neue Produktionsanlagen einer ergonomischen Bewertung, um mögliche Gesundheitsrisiken etwa durch das Arbeiten in unnatürlicher Haltung auszuschließen. Zusätzlich versucht Daimler, einseitige körperliche Belastungen der Mitarbeiter zu verhindern, indem diese regelmäßig zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen wechseln.

Auch dies dürfte jedoch nicht verhindern, dass viele Arbeiter irgendwann nicht mehr in der Lage sein werden, ihrer Tätigkeit nachzugehen. Hilmar Schneider fordert deshalb einen Gesundheitscheck in allen Berufsgruppen, damit sich Arbeitnehmer rechtzeitig neu orientieren können. Schneider kann sich zum Beispiel vorstellen, dass ein Zimmermann oder Maurer bis zum Alter von 40 Jahren in diesem Beruf arbeitet und danach wechselt – etwa Verkäufer in einem Baumarkt wird.

Auch bei Daimler kann man sich vorstellen, Mitarbeiter mehrfach die Tätigkeit wechseln zu lassen, damit sie jeweils ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden. Wer alt ist, sei ja nicht nur alt, sondern verfüge auch über große Erfahrung und Qualitätsbewusstsein, heißt es.

Erhard Weiß vom BGW regt an, dass in Zukunft schon bei der Einstellung eines Mitarbeiters langfristige Karrierepläne mit verschiedenen Stationen eingeplant werden. Das hätte den Vorteil, dass Arbeitnehmer – zumal in Zeiten zunehmenden Facharbeitermangels – enger und länger an einen Arbeitgeber gebunden werden könnten.

Für einen anderen Ansatz plädiert Frank-Peter Muschiol, Geschäftsführer der Berliner Big-B GmbH und Bauunternehmer in der zweiten Generation. „In vielen Bereichen der Arbeitswelt werden sich die Probleme nicht einfach mittels Technologie lösen lassen“, sagt er. Gerade im Handwerk werde auch in Zukunft ein Bedarf nach individueller Arbeit und Qualität bestehen. „Es wäre besser, wir schließen Frieden mit der Idee, dass nicht jeder bis ins hohe Alter volle Leistung bringen kann.“ Mancher Angestellte werde dann eben einfach weniger arbeiten. Die Mehrkosten, die den Unternehmen dadurch entstünden, das räumt Muschiol ein, müssten allerdings die Kunden tragen.

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