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Wirtschaft: Arbeiten für den Staat

Die SPD plant Beschäftigungsgesellschaften für Langzeitarbeitslose. Als Vorbild dient Schweden – aber dort ist der Erfolg mäßig

Von Antje Sirleschtov

Berlin/Stockholm - Die Arbeitsmarktpolitiker von SPD und Union wollen für Langzeitarbeitslose neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen. Zielgruppe sind Personen, die keine Perspektiven auf einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt haben. „Die derzeitigen Instrumente des Arbeitsmarktes reichen für die Integration dieser Menschen nicht aus“, sagte der SPD-Arbeitsmarktpolitiker Klaus Brandner dem Tagesspiegel am Sonntag. Daher prüfen die Fachleute der SPD-Fraktion zurzeit, wie regionale Arbeitsagenturen und Jobcenter eigene Beschäftigungsgesellschaften gründen und Langzeitarbeitslosen darin Jobs anbieten können. Auch der Unions-Arbeitsmarktpolitiker Ralf Brauksiepe (CDU) zeigte sich offen für ein solches Modell. Öffentliche Beschäftigungsgesellschaften seien „ein denkbarer Weg, über den wir im Zusammenhang mit Kombi-Löhnen noch in diesem Jahr diskutieren werden“, sagte er dieser Zeitung.

Sich um die berufliche Zukunft von Menschen zu kümmern, deren Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, haben Union und SPD bereits während der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2005 vereinbart. Im Koalitionsvertrag steht deshalb der Auftrag, „zu prüfen, ob und wie die Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass auch für diese Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen“. Konkret geht es dabei zum einen um ältere Langzeitarbeitslose, bei denen andere Integrationsbemühungen, etwa Weiterbildung oder Ein-Euro-Jobs, nicht dazu geführt haben, sie für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. Zum anderen sind aber auch Jüngere mit sozialen Problemen und fehlendem Schulabschluss gemeint. Rund 20 Prozent der Langzeitarbeitslosen in Deutschland haben überhaupt keinen Schulabschluss, 46 Prozent keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Als Vorbild für die regionalen Beschäftigungsgesellschaften sieht SPD-Politiker Brandner die schwedische Integrationsfirma Samhall. Samhall ist eine staatliche Aktiengesellschaft, in der rund 23 000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Allerdings richtet sich das Projekt nicht so sehr an schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose, sondern vor allem an Menschen mit Behinderungen. „Wir verstehen uns nicht als ein arbeitsmarktpolitisches Instrument“, sagt Anna-Karin Hedlund, Managerin bei Samhall. Das Unternehmen könne man nicht als Musterbeispiel für die Wiedereingliederung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt anführen. Immerhin haben 90 Prozent der Mitarbeiter körperliche, geistige oder psychische Behinderungen.

Samhall ist aus der in den 70er Jahren gegründeten staatlichen Stiftung Samhällsföretag (Gemeinschaftsunternehmen) entstanden. Für die Finanzierung kam der Staat in vollem Umfang auf. Eines der Ziele war es, Menschen mit vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder starker Beeinträchtigung wieder in den regulären Arbeitsmarkt einzugliedern.

Doch dieser Vorsatz misslang, wie man heute auch bei Samhall zugibt. „Wir haben heute die Zielvorgabe, rund fünf Prozent unserer Mitarbeiter in den regulären Arbeitsmarkt zu überführen, und das ist im vergangenen Jahr auch gelungen“, sagt Hedlund. Viel mehr sei angesichts der größtenteils schweren Behinderungen der Mitarbeiter nicht möglich.

Die angespannte finanzielle Situation des Staates machte Anfang der 90er Jahre ein Umdenken notwendig, und Samhällsföretag wurde in die Aktiengesellschaft Samhall umgewandelt. Das Staatsunternehmen durfte Gewinne erwirtschaften, musste aber gleichzeitig seine Arbeit so effektiv gestalten, dass es Finanzierungsdefizite selbst ausgleichen konnte. Das führte dazu, dass Samhall zeitweise das eigene Ziel aus den Augen verlor und hauptsächlich die Leistungsfähigsten unter den Behinderten anstellte.

In jüngster Zeit wurde zunehmend Kritik an Samhall laut – vor allem von der bürgerlichen Opposition, aber auch von einer durch die sozialdemokratische Regierung eingesetzten Expertenkommission: Da die Samhall-Löhne zu 90 Prozent vom Staat subventioniert werden, könne der Wettbewerb verzerrt werden – zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmen, die Marktlöhne zahlen müssen. Die Kommission empfahl deshalb, das Unternehmen unter Konkurrenzdruck zu setzen. Der Staat solle Privatunternehmen, die Behinderte einstellen, ähnliche Subventionen zahlen wie Samhall – diesen Vorschlag verwarf die Regierung jedoch.

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