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Wirtschaft: Arbeitgeber sehen Chemie nicht als Vorbild

Tarifabschluss nicht auf Metallbranche übertragbar

Berlin - Die Tarifeinigung in der Chemieindustrie, die eine Lohnerhöhung von bis zu 4,3 Prozent vorsieht, ist nach Einschätzung von Arbeitgebern und Ökonomen nicht oder nur selektiv auf andere Branchen übertragbar. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erklärte am Donnerstagabend, die Lohnerhöhung könne zwar für die Chemiebranche noch vertretbar sein, aber „eine solche Belastung ist auf keinen Fall ein Vorbild für andere Branchen“. Dazu seien Konjunktur und die Unternehmensstrukturen in anderen Industriezweigen zu unterschiedlich, sagte Hundt. Ähnlich äußerte sich Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser. Letztlich müsse jede Branche ihren eigenen Weg finden, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Schnitt gehe es den Metallunternehmen nicht so gut wie denen der Chemiebranche.

Der am Donnerstag erzielte Chemie- Abschluss war der erste große des Jahres, in dem zahlreiche Tarifverhandlungen anstehen. Am ersten Abschluss orientieren sich erfahrungsgemäß auch andere Branchen. Die 550 000 Chemie-Beschäftigten erhalten 3,6 Prozent mehr Lohn. Hinzu kommt eine Einmalzahlung von 0,7 Prozent eines Monatsentgeltes. Diese Einmalzahlung kann in Betrieben mit wirtschaftlichen Problemen aber abgesenkt werden, der Starttermin ist flexibel. Die Laufzeit beträgt insgesamt 14 Monate.

Der Abschluss gehe mit Blick auf die sehr positive Entwicklung der Chemiebranche im vergangenen Jahr „in Ordnung“, sagte ein Frankfurter Analyst. Es sei jetzt an der Zeit, die Mitarbeiter für die gute Arbeit des vergangenen Jahres angemessen zu entlohnen. Auch für das kommende Jahr erwartet er ein durchschnittliches Branchenwachstum von 3,5 bis vier Prozent, bei einzelnen Unternehmen sogar deutlich mehr.

Der Branchenverband VCI rechnet damit, dass die Chemieindustrie nach einem unerwartet kräftigen Produktionssprung im vergangenen Jahr auch 2007 weiter robust wachsen wird – wenn auch etwas schwächer als im Vorjahr. Als Grund geben Experten unter anderem niedrigere Rohstoffkosten an, die wahrscheinlich zu geringeren Margen führten, da die Kunden bei sinkenden Ölpreisen auf Preisnachlässe pochen dürften.

„Der Chemieabschluss setzt ein vernünftiges Signal in die nachgelagerten Industrien hinein“, sagte Lutz Grüten, Chemie-Analyst bei der Privatbank Julius Bär, dem Tagesspiegel.

Während die Tarifpartner in der Chemiebranche traditionell freundlich miteinander umgehen, stehen in der Metall- und Elektroindustrie härtere Kämpfe bevor. Den bundesweiten Auftakt zu den Verhandlungen macht an diesem Montag in Gelsenkirchen die Metall- und Elektroindustrie. Die IG Metall fordert für die 700 000 Beschäftigten Lohn- und Gehaltsverbesserungen von 6,5 Prozent.

Der Chef der NRW-Metallarbeitgeber, Horst-Werner Maier-Hunke, mahnte am Freitag zu einem mäßigen Abschluss. Die Chemie-Einigung könne keine Richtschnur für die anstehenden Verhandlungen der Metaller sein. „Eine Lohnerhöhung wirkt bei uns kräftiger als in der Chemiebranche, weil wir einen höheren Lohnkostenanteil haben.“ Der Arbeitgebervertreter legt mehr Wert auf eine Einmalzahlung und deutete an, in welche Richtung das Angebot der Arbeitgeber gehen könnte. Bei einer Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent müsse ein gewisser Ausgleich geschaffen werden.

Nach Ansicht von Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist der Chemie-Abschluss nur „selektiv“ auf solche Branchen übertragbar, die prosperierten. Er erwartet, dass die Metaller mit einer tariflichen Lohnerhöhung von rund 3,6 Prozent abschließen. „Das wäre gesamtwirtschaftlich auch nicht problematisch“, sagte Brenke. Schwächere Branchen wie der Einzelhandel könnten einen solchen Abschluss nicht erzielen. Der Handelsverband HDE hatte bereits gesagt, dass Verteilungsspielräume für tarifliche Entgeltzuwächse angesichts stagnierender Umsätze kaum gegeben seien.

Maren Peters

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