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Wirtschaft: Arbeitgeber wollen nach Leistung bezahlen

Verband will Tarife, die sich stärker am Unternehmenserfolg orientieren/Gewerkschaften wehren ab

Berlin (vis). Künftig sollen Mitarbeiter noch stärker nach ihrer eigenen Leistung und abhängig vom Erfolg ihres Unternehmens bezahlt werden. Das ist jedenfalls die Strategie, mit der die Arbeitgeber in die Tarifverhandlungen 2003 gehen wollen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat dazu jetzt eine entsprechende Stellungnahme vorgelegt. Darin heißt es, um den betrieblichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, müsse der Branchentarifvertrag „eine stärkere Diffenrenzierung sowohl nach der Ertragssituation des Betriebes als auch nach der Leistung des einzelnen Mitarbeiters“ ermöglichen. Die neuen Komponenten in den Tarifverträgen sollen den Betrieben „die nötige Luft zum Atmen“ geben, „um auch konjunkturelle Schwächephasen ohne Personalabbau zu überstehen“.

Die Forderung nach mehr Flexibilität und Differenzierung seitens der Arbeitgeber sind zwar nicht neu. Und Tarifabschlüsse mit leistungs und ertragsabhängigen Komponenten hat es bereits im vergangenen Jahr in der chemischen Industrie und im privaten Bankgewerbe gegeben. Nun fordern die Arbeitgeber: „Selbstverständlich kann eine Differenzierung nicht bedeuten, ergebnisabhängige Elemente ’on top’ zu bekommen und eine zweite Tarifrunde im Betrieb zu führen.“ Viele Unternehmen fürchten nämlich, dass sie in guten Zeiten mehr an die Mitarbeiter auszahlen müssen, in schlechten Zeiten aber die Auszahlungen nicht entsprechend reduzieren können.

Diese Forderung stößt jedoch auf Widerstand bei den Gewerkschaften: „Die Arbeitgeber versuchen auf diese Weise das Entgelt zu drücken, so dass der Arbeitnehmer erst mit den flexiblen Leistungen auf das normale Lohnniveau kommt“, sagt Reinhard Dombre, Tarifexperte vom DGB. „Diesen Weg werden wir nicht mitgehen.“ Das sagt auch Jörg Wiedemuth, Tarifexperte der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Kein Modellabschluss

Wiedemuth sieht den Ende 2002 geschlossenen Tarifvertrag für das private Bankgewerbe, den er als moderaten Einstieg in die stärker leistungs- und ertragsorientierte Entlohnung betrachtet, aber nicht als einen Modellabschluss für andere Verdi-Branchen. Zu dem Papier der Arbeitgeber sagt Wiedemuth, „die Flächentarifverträge sind sehr viel flexibler als in derartig holzschnittartigen Stellungnahmen behauptet wird“.

Im Dezember hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften bei den Banken nach fast achtmonatigen Verhandlungen darauf geeinigt, dass vom 1. Juli 2003 an zunächst vier Prozent der Jahresgehälter erfolgsabhängig gezahlt werden. Dieser Anteil steigt von 2004 an auf acht Prozent, was einem Monatsgehalt entspricht. Wie die Regelung im einzelnen umgesetzt wird, sollen Unternehmen und Betriebsräte aushandeln. Zudem kann das 13. Gehalt künftig je nach Unternehmenserfolg zehn Prozent nach unten und 20 Prozent nach oben variieren. Auch in der chemischen Industrie hatte man sich zuvor auf flexible Jahressonderzahlungen geeinigt. In der Branche kann das 13. Monatsgehalt in einer Bandbreite von 15 Prozent nach unten und 30 Prozent nach oben vom Erfolg des Unternehmens abhängig gemacht werden.

Rolf Kroker, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft, nennt die beiden Abschlüsse einen Schritt in die richtige Richtung. In seinen Augen macht es aber keinen Sinn, wenn die Flexibilität nur in eine Richtung – nämlich nach oben – besteht. „Freiwillig mehr zahlen, das können die Unternehmen auch jetzt. In schlechten Zeiten muss es eine Öffnungsklausel nach unten geben“, sagt Kroker. Den Unternehmen gehe es darum, den fixen Kostenblock „Löhne und Gehälter“ flexibler zu gestalten, um in Krisenzeiten weniger auszahlen zu müssen. So könnten Entlassungen vermieden werden. Für den Arbeitnehmer heißt das: Er verzichtet auf einen Teil seines Entgelts, wenn es dem Unternehmen schlecht geht, verringert damit aber tendenziell das Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.

Dieses Kalkül sei für den Arbeitnehmer jedoch nicht unproblematisch, sagt Viktor Steiner, Leiter der Abteilung Staat beim gewerkschaftsnahen Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ein Arbeitnehmer trägt jetzt nicht nur das Arbeitsplatz- sondern auch einen Teil des unternehmerischen Risikos. „In schlechten Zeiten spart er für die Firma. Es könnte für ihn aber mehr Sinn machen, sein Erspartes nicht dort anzulegen, wo er arbeitet, sondern sein Risiko zu streuen.“

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