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Ruft zur Wahl der Union auf und irritiert damit die Wirtschaftsverbände: Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.

© imago images/Sven Simon

Arbeitgeberverbände und die Politik: Zoff der Funktionäre

Die Spitzen der Wirtschaftsverbände attackieren sich gegenseitig. Es geht um den richtigen Umgang mit der Politik und die Nähe zur Union.

Rainer Dulger ist für Überraschungen gut. In der vergangenen Woche rief der Arbeitgeberpräsident zur Wahl der Union und des „erfolgreichen Ministerpräsidenten“ Armin Laschet auf. Das kommt nicht alle Tage vor, denn das Neutralitätsgebot steht ganz oben auf der Gesetzestafel der Spitzenverbände der Wirtschaft. Überparteilichkeit ist die Geschäftsgrundlage der Lobbyisten. Man weiß ja nie, was kommt. Die Kommentare zu Dulgers Wahlempfehlung waren denn auch eindeutig. „Unfassbar“, hieß es im Haus der Wirtschaft, wo neben Dulgers Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) auch der Bundesverband der Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHH) residieren.

Dulger und Kampeter - schwieriges Paar

Beim DIHK bescheinigt man dem BDA-Präsidenten eine „Todsünde“ begangen zu haben. So ähnlich wie vor zwei Jahren. Dulger, damals noch Präsident von Gesamtmetall, kanzelte den CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier als „schwächsten Minister“ ab. Steffen Kampeter, selbst vor einigen Jahren auf dem CDU-Ticket zum Hauptgeschäftsführer der BDA berufen, regte sich mächtig auf über die Attacke. Inzwischen ist Dulger zum BDA-Präsidenten aufgestiegen und damit quasi der Vorgesetzte Kampeters. Das ist für beide nicht einfach.

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In der Berliner Verbändewelt stellt man sich auf einen Bundeskanzler Olaf Scholz ein. Das hatte man sich vor ein paar Wochen noch anders gedacht, aber was soll man machen? So ist die Haltung bei BDI und DIHK und beim Zentralverband des Handwerks. Wenn bloß nicht die Linken dabei sind. Die Betriebe, vor allem die Handwerker mit ihrem hohen Lohnkostenanteil, dürften in der nächsten Legislaturperiode nicht zusätzlich belastet werden durch Steuern oder Sozialabgaben. Die Industrie ärgert sich über hohe Strompreise, verspricht sich aber – ähnlich wie das Handwerk – auch gute Geschäfte, wenn SPD und Grünen ihre Investitionspläne umsetzen.

Steffen Kampeter führt seit fünf Jahren die Geschäfte der BDA.
Steffen Kampeter führt seit fünf Jahren die Geschäfte der BDA.

© imago images/Christian Thiel

„Wenig Licht und viel Schatten“ hat der BDI das Wahlprogramm der Grünen zusammengefasst. Für die BDA präsentieren die Grünen „Ladenhüter einer ideologisch rückwärtsgewandten Politik“. Umso überraschender dann im Juni die Reaktion Kampeters auf eine Anzeige der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, in der Annalena Baerbock mit zwei Steintafeln in den Händen gezeigt wird. Auf den an Moses erinnernden Gebotstafeln stehen Verbote wie „Du darfst nicht fliegen“ oder „Du darfst kein Verbrenner-Auto fahren“. Unerhört, meinte Kampeters BDA und trat als Beschützerin Baerbocks auf. „Persönliche Herabsetzungen und eine misslingende Verwendung christlicher Symbolik sind kein angemessener Umgang“, urteilte der Verband. „Das ist nicht der Stil der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände.“

BDA verteidigt Baerbock

Im Arbeitgeberlager wiederum empfinden manche Kampeters Stilkunde als Verrat. „Der hat in die eigene Jagdgesellschaft geschossen“, sagt ein Verbandsvertreter dem Tagesspiegel. „Seit wann hat die BDA eine Sozialpartnerschaft mit den Grünen?“ Kampeters Verhalten erkläre sich nicht mit dessen Sensibilität für guten Stil, sondern mit einer Männerfeindschaft: Er kann nicht mit Oliver Zander, dem Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall. Von Gesamtmetall respektive den Regionalverbänden der Metall- und Elektroindustrie stammt das Geld für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die seit zwei Jahrezehnten und mit einem dreistelligen Millionenbetrag für die Anliegen der Industrie wirbt. Unter anderem mit Anzeigen.

Umstrittene Anzeige zum Lieferkettengesetz

Zum Beispiel gegen das Lieferkettengesetz. Ein paar Tage vor dem Baerbock-Moses-Motiv veröffentlichte die INSM eine Anzeige gegen das Lieferkettengesetz, die unter anderem von Gesamtmetall sowie den Verbänden des Maschinenbaus, der Chemie und der Elektroindustrie unterzeichnet war. Und erstaunlicherweise auch von der BDA, obgleich Kampeter den Lieferkettenkompromiss der Koalition goutiert hatte. Die Erklärung für den Schlingerkurs: Kampeter wollte die BDA nicht unter den Anzeige haben, Dulger aber schon. Kampeter war düpiert und nutzte ein paar Tage später die Moses- Anzeige für eine Revanche in Richtung Gesamtmetall. Also Zander.

„Kampeter tritt auf wie der Pressereferent des Kanzleramtes“, heißt es in einem Verband. In der BDA selbst ist zu hören, man fühle sich bisweilen wie „das größte CDU-Büro des Bundestages“. Kampeter, 1963 im ostwestfälischen Minden geboren, kam 1990 für die CDU in den Bundestag. Von 2009 bis 2015 war der studierte Volkswirt Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, im Juli 2016 wechselte er dann als Hauptgeschäftsführer zur BDA ins Haus der Wirtschaft.

Oliver Zander ist Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall. Der Verband finanziert die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Oliver Zander ist Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall. Der Verband finanziert die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

© picture alliance / dpa

Kampeter folgte auf Reinhard Göhner, auch ein CDU-Mann aus Ostwestfalen, der 20 Jahre lang die BDA führte und sich dabei den Ruf als Lord Voldemort der Verbändewelt verdiente. Göhner wiederum behandelte Oliver Zander, der 2013 vom Bauindustrieverband zu Gesamtmetall gewechselt war, mit größtmöglicher Geringschätzung als Anfänger aus einer anderen Gewichtsklasse. Entsprechend groß war die Freude Zanders über den Renteneintritt Göhners sowie die Bestellung Kampeters. Im Verlauf der Jahre prägten aber zunehmen Neid und Missgunst das Verhältnis der beiden Funktionäre, die gerne große Politik machen wollen.

Wolf lässt Zander machen

Als Dulger im November letzten Jahres Arbeitgeberpräsident wurde, gab es bald Gerüchte über eine Ablösung Kampeters durch Zander. Im Juli wäre das leicht möglich gewesen, denn dem Vernehmen nach lief Kampeters Fünf-Jahres-Vertrag aus. Aber es geschah nichts. Zander sitzt immer noch in der Gesamtmetall-Zentrale am Potsdamer Platz. Auch das ist erstaunlich, denn der neue Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender von ElringKlinger, ärgert sich seit langem über Zander, lässt ihn aber machen.

Womöglich möchten sich die Präsidenten im Ehrenamt auf eingespielte Hauptgeschäftsführer verlassen, wenn es in wenigen Woche um die Einflussnahme auf die Koalitionsverhandlungen geht. „Die Wirtschaftsverbände haben extreme Schwierigkeiten, bei großen Themen von der Politik gehört zu werden“, sagt ein Verbandsvertreter. Vielleicht wird das ja anders, wenn mit dem Kanzler Scholz „die Beißhemmung gegenüber der CDU“, die Kampeter angeblich auszeichnet, keine Rolle mehr spielt. „Es fehlt die Konfliktbereitschaft“, mosert ein Mittelständler über die vergangenen Legislaturperioden. Die letzten richtigen Reformen habe Gerhard Schröder auf den Weg gebracht. In einer rot-grünen Regierung.

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