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Das Verfassungsgericht hatte die Sanktionspraxis stark eingeschränkt.

© imago/photothek/Thomas Trutschel

Arbeitsagentur fordert Hilfen für Kinder: Jobcenter setzen Hartz-Sanktionen auch gegen Jüngere aus

Die Bundesagentur für Arbeit reagiert auf das Urteil aus Karlsruhe: Auch unter 25-jährige Hartz-IV-Bezieher müssen derzeit nicht mit Strafen rechnen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen hatte sich nur auf Hartz-IV-Empfänger bezogen, die älter sind als 25 Jahre sind. Nun aber hat die Bundesagentur für Arbeit eine weiterreichende Entscheidung getroffen: Auch gegen Jüngere werden aktuell keine Strafmaßnahmen mehr verhängt.

"Wir verschicken derzeit keine Sanktionsbescheide", sagte Arbeitsagentur-Chef Detlef Scheele den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Den Jobcentern sei mitgeteilt worden, dass die vom Gericht angemahnte Änderung der Sanktionspraxis auch für junge Arbeitslose gelte.

Bis Ende November soll beim Hartz IV eine rechtlich verbindliche Übergangslösung geschaffen werden

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinem Urteil Anfang November die bisherige Sanktionspraxis im Umgang mit Hartz-IV-Beziehern stark eingeschränkt. Demnach dürfen bei Pflichtverletzungen die Leistungen höchstens um 30 Prozent gekürzt werden – bislang mögliche Kürzungen von 60 Prozent oder sogar der komplette Wegfall der Leistungen sind demnach mit dem Grundgesetz unvereinbar.

"Arbeitslose, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert werden, bekommen ihre Sanktionen auf 30 Prozent reduziert", sagte Scheele weiter. Bis Ende November solle eine rechtlich verbindliche Übergangslösung geschaffen werden, die bis zur für kommendes Jahr angestrebten gesetzlichen Neuregelung gelte.

Dennoch darf der Staat Hartz-IV-Empfänger dazu zwingen, eine Arbeit anzunehmen oder an Schulungen teilzunehmen. Bezieher des Arbeitslosengeldes II, die Auflagen der Jobcenter nicht erfüllen, dürfen künftig nicht mehr so schnell und weitreichend sanktioniert werden.

Sanktionen seien für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit in den Jobcentern kontraproduktiv, sagen Grüne und Linke

Nach dem Willen von Grünen und Linken sollen Langzeitarbeitslose mehr die Hartz-IV-Leistungen gekürzt bekommen, wenn sie nach Ansicht des Jobcenters bei der Arbeitsvermittlung ungenügend kooperieren. Beide Parteien haben dafür einen gemeinsamen Antrag in den Bundestag eingebracht, über den am Donnerstag im Plenum debattiert werden soll.

Darin fordern sie die Bundesregierung auf, schnellstmöglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Sanktionen seien für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit in den Jobcentern kontraproduktiv. Sie stünden vielmehr für mangelnde Augenhöhe zwischen Leistungsberechtigten und Staat, heißt es in dem Antrag. Statt Kürzungen sollten eine stärker „personenzentrierte und passgenaue Unterstützung von Leistungsbeziehenden in den Jobcentern“ ermöglicht werden, begründen beide Parteien ihren Vorstoß weiter.

Bundesagentur schlägt kostenlose Kinder-Tickets für Busse und Bahnen sowie Zoos und Schwimmbäder vor

Um Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien zudem besser zu unterstützen, forderte Scheele in den Zeitungen, Angebote für Kinder deutschlandweit kostenlos zu machen: "Zum Beispiel Tickets für Bus und Bahn, Eintrittskarten für den Zoo und fürs Schwimmbad." Kindern stehe das Feld nicht so offen wie anderen Gleichaltrigen. Eine Erhöhung der Regelsätze für Mädchen und Jungen dagegen lehnte Scheele ab: "Ich bin nicht sicher, ob höhere Regelsätze immer eins zu eins bei den Kindern ankommen würden."

Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte, Sanktionen für Familien mit Kindern komplett abzuschaffen. "Bundesregierung und Bundestag sollten das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von letzter Woche zum Anlass nehmen, die bisherige Hartz-IV-Mithaftung von Kindern für ihre Eltern zu beenden", erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann am Donnerstag.

"Die schlichte Umsetzung des Karlsruher Urteils ist aus Sicht von Familien mit Kindern zu wenig", erklärte er. "Kinder leiden unter jeder Kürzung der Hartz-IV-Leistungen, denn schon der normale Hartz-IV-Regelsatz von Kindern ist künstlich kleingerechnet und entspricht nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum." Jede Kürzung sei somit eine "außergewöhnliche Härte für die Kinder". (Tsp, KNA, dpa)

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