zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Arbeitsagenturen vermitteln weniger

Der Anteil der Arbeitslosen, die durch die BA einen neuen Job gefunden haben, ist um ein Viertel gesunken

Düsseldorf - Die Vermittlungsoffensive der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist bislang wenig erfolgreich. Nach dem Arbeitsmarkt-Sonderbericht der Nürnberger Behörde von August ist die Zahl der Vermittlungen „nach Auswahl und Vorschlag“ durch die Arbeitsagenturen im vergangenen Jahr gesunken – und zwar um 26,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2003. Das heißt, 2004 fand nur jeder fünfte Arbeitslose durch die direkte Vermittlung der Bundesagentur eine neue Stelle. Diese enttäuschende Bilanz gibt der FDP im Wahlkampf Auftrieb. Denn die Freidemokraten fordern, die Agentur abzuschaffen. Die Union will den Beitragssatz von 6,5 auf 4,5 Prozent senken, macht sich für Einsparungen und strukturelle Veränderungen stark.

Im vergangenen Jahr haben 496 000 Arbeitslose direkt durch die Vermittlung der Agenturen, aber knapp 1,6 Millionen Arbeitslose durch Eigeninitiative eine Stelle gefunden. Die BA begründet den Rückgang der Abgänge aus der Arbeitslosigkeit „nach Auswahl und Vermittlung“ zum Teil mit einer neuen statistischen Abgrenzung.

Zudem will Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur, die Vermittlungsbilanz nicht als alleinigen Maßstab für die Effizienz der Agenturen gelten lassen. „Die Geschäftspolitik der BA sei darauf ausgerichtet, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Dabei bekomme jeder die Unterstützung, die er individuell benötige. Unter den vielfältigen Möglichkeiten sei die klassische „Vermittlung nach Auswahl und Vorschlag“ nur ein Weg, Arbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren, relativiert Alt die Aussagekraft der Statistik.

Alt verweist darauf, dass die BA bei vielen anderen Wegen der Beschäftigungsaufnahme indirekt beteiligt ist – etwa durch die Job-Börse im Internet –, ohne dass eine Vermittlung ausgewiesen wird. Damit schaffe die BA eine große Transparenz über offene Stellen und Bewerberangebote und unterstütze gleichzeitig Eigenaktivität der Arbeitslosen. „Die Vermittlungszahlen nach Auswahl und Vorschlag berücksichtigen zudem nicht, dass die BA bei vielen Arbeitslosen durch aktive Arbeitsförderung, zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen, Bewerbertraining und Betriebspraktika die Chancen verbessert, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren“, sagte Alt.

Das BA-Vorstandsmitglied möchte den Erfolg der Arbeitsagenturen lieber am Anteil der mit ihrer Hilfe besetzten Stellen messen. Hier ergibt sich eine Erfolgsquote von 46 Prozent, das heißt, etwa jede zweite Stelle, die den Agenturen gemeldet wurde, konnte auch besetzt werden. Die Möglichkeiten der Integration in Beschäftigung würden natürlich auch durch die gesamtwirtschaftliche Situation beeinflusst, sagt Alt unter Hinweis auf den Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Deren Zahl lag im Juni dieses Jahres um etwa 400000 unter der des Vorjahres.

Peter Clever, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der BA, springt Alt zur Seite. Er wirft der Politik vor, den bereits erkennbar erfolgreich gestarteten Reformprozess der Bundesagentur abgewürgt zu haben. Die BA sei mit der Mammutaufgabe Hartz IV überfrachtet worden. Dadurch seien die Reformen nach hinten geworfen worden. Hinzu sei die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement gekommen, gegen den Rat der BA eine unfertige Software für das Arbeitslosengeld II in den Massenbetrieb zu geben. „Der interne Verwaltungsaufwand ist teilweise unzumutbar und behindert die notwendigen Fortschritte an anderer Stelle. Diese wünschen wir uns gerade bei der Vermittlung nach Auswahl und Vorschlag“, sagt Clever. Sie sei zwar nur ein Teil der Aufgaben der Bundesagentur, aber gehöre zu deren Kernkompetenz. Eine Kompetenz, die für die BA gerade bei Arbeitgebern imagebildend sei.

Clever erkennt vereinzelte Fortschritte, räumt aber ein, flächendeckend sei noch viel zu tun. Dort, wo es bereits die neuen Kundenzentren gibt, habe sich die Erreichbarkeit der Vermittler verbessert, seien die Wartezeiten kürzer geworden und die effektive Zeit für Vermittlungen gestiegen. Der Politik hält Clever vor, mit dem untauglichen Konstrukt der Arbeitsgemeinschaften den Kommunen und der Arbeitsagentur die „organisierte Verantwortungslosigkeit“ aufgezwungen zu haben. Die Arbeitsgemeinschaften, die von Kommunen und Arbeitsagenturen gemeinsam betrieben werden, sind für die Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger zuständig. „Die BA und die Kommunen müssen Schritt für Schritt aus dem Chaos heraus“, sagt BA-Verwaltungsratsvorsitzender Clever. Sie seien jetzt auf einem guten Weg, aber dieser Weg sei noch weit. HB

Rainer Nahrendorf

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false