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Wirtschaft: Arbeitsamt-Affäre: Riester setzt Präsident Jagoda Ultimatum

Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) hat die Spitze der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgefordert, die Affäre um geschönte Vermittlungszahlen innerhalb einer Woche aufzuklären. Nach einem Gespräch mit dem Vorstand der Bundesanstalt sagte Riester am Donnerstag, bis Freitag kommender Woche erwarte er vom Vorstand der BA die Antwort auf "eine Reihe von Fragen".

Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) hat die Spitze der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgefordert, die Affäre um geschönte Vermittlungszahlen innerhalb einer Woche aufzuklären. Nach einem Gespräch mit dem Vorstand der Bundesanstalt sagte Riester am Donnerstag, bis Freitag kommender Woche erwarte er vom Vorstand der BA die Antwort auf "eine Reihe von Fragen". Nach der Vorstandssitzung der BA am Mittwochabend hatte der Arbeitsminister die beiden alternierenden BA-Vorstandsvorsitzenden Christoph Kannengießer und Ursula Engelen-Kefer einbestellt. Kannengießer forderte unterdessen, neben organisatorischen Reformen in der BA auch neue Arbeitsmarkt-Gesetze zu verabschieden, um die Vermittlung von Arbeitslosen effizienter zu machen.

Forderungen, vor allem von der Opposition, BA-Präsident Bernhard Jagoda, aber auch er selbst mögen aus den Vorgängen Konsequenzen ziehen und zurücktreten, wies Riester scharf zurück. Wer nach 16 Jahren Regierungszeit für solche "Missstände" verantwortlich gewesen sei, sagte Riester mit Blick auf die CDU, dürfe sich jetzt nicht laut äußern. Zunächst müsse es "Klarheit" über die Vorgänge geben, bevor über Verantwortlichkeiten zu reden sei. Dass er dies allerdings tun wolle, daran ließ Riester keinen Zweifel.

Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber bezeichnete die Vorgänge als "ausgesprochenes Desaster" und und "massive Fehlleitung von Geld". Die Bundesanstalt arbeite "völlig ineffizient" und sei mit ihrem Etat von 50 Milliarden Euro und über 90 000 Beschäftigten "völlig fehl am Platz". Mit dem Job-Aktiv-Gesetz drohe nun die Einstellung weiterer 3000 Vermittler, die in Wahrheit "nur sich selbst verwalten". Das Monopol der BA müsse gebrochen werden. Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen zusammen mit der Rechnungshof-Kritik bedeuteten "einen schwarzen Tag" für den Minister.

In der Sache verdichten sich offenbar die Hinweise, dass das Schönen von Vermittlungsstatistiken, das der Bundesrechnungshof aufgedeckt hatte, kein temporärer Einzelfall war. Es sei zu klären, wieso sich solche Vorgänge "über Jahre hinweg" an den Entscheidungsgremien hätten vorbeientwickeln können, sagte Riester unter Hinweis auf einen entsprechenden Fernsehbericht vom 17. September 1998. Außerdem müsse sich der Vorstand und die Verwaltung der BA fragen lassen, warum jahrelang Berichte der Innenrevision der Behörde "gefiltert" weiter gegeben wurden und so keine reale Darstellung der Arbeit der Bundesanstalt bis zu den Verantwortlichen gelangt sein.

Am Mittwochabend hatte der BA-Vorstand als erste Konsequenz ein "Sofortprogramm" beschlossen: So müssen die Innenrevisoren künftig direkt auch an den Vorstand der Behörde berichten. Dies wird als Teilentmachtung von BA-Präsident Bernhard Jagoda gewertet. Zudem soll nach dem Beschluss die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation der Arbeitsverwaltung auf den Prüfstand. Priorität müsse die "Wahrhaftigkeit der Vermittlungsstatistik" sein, hieß es dazu nach der Vorstandssitzung.

Der BA-Vorstandschef und Arbeitgebervertreter Kannengießer forderte im Gespräch mit dieser Zeitung außerdem modernere Arbeitsmarkt-Gesetze, um die Vermittlung von Arbeitslosen effizienter zu machen. "Die BA muss viel intensiver mit privaten Dienstleistern kooperieren", regte er an. Wo eben möglich, müssten "Effizienz und Wettbewerb" in die Vermittlung einziehen. Auch müsse der Druck auf unkooperative Arbeitslose noch weiter erhöht werden können, als es das Job-Aktiv-Gesetz bislang vorsieht.

Nachdem das Ausmaß der Vorgänge dem Arbeitsminister klar wird, fürchtet Riester offenbar darum, dass sein neues Job-Aktiv-Gesetz nicht zügig umgesetzt werden kann. Der BA-Vorstand habe ihm deshalb in der kommenden Woche auch zu berichten, wie Nürnberg eine zeitnahe und hochwertige Durchsetzung des Gesetzes sicher stellen will, sagte Riester.

Das Job-Aktiv-Gesetz gibt jedem Arbeitslosen das Recht auf eine intensive Betreuung durch das Arbeitsamt und die Vermittlung innerhalb von sechs Monaten. Sollte dies nicht möglich sein, verpflichtet das Gesetz die Arbeitsämter, die Vermittlung des Arbeitslosen durch eine andere - auch private - Vermittlungsorganisation zu finanzieren. "Jeder Arbeitslose hat ein Recht auf optimale Betreuung", sagte Riester. Dies sei noch nicht "in allen Köpfen der Arbeitsverwaltung" angekommen. Deshalb forderte er die BA auf, ihm Vorschläge zu machen, wie das Job-Aktiv-Gesetz "optimal" umgesetzt werden könne. Riester schloss nicht aus, dass in Zukunft deutlich mehr private Vermittler als jetzt im Arbeitsmarkt tätig werden.

asi, rvr, brö

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