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Mitarbeiter des Zentrallagers in Nieder-Olm werfen Edeka in einem offenen Brief vor, sie "psychisch unter Druck" zu setzen. Der Lebensmittelhändler dementiert die Vorwürfe.

© Federico Gambarini/dpa

Arbeitsbedingungen: Edeka streitet mit dem eigenen Personal

Mitarbeiter eines Zentrallagers werfen dem Konzern vor, sie "psychisch unter Druck" zu setzen. Der bestreitet die Vorwürfe - das Wirtschaftsministerium vermittelt.

Während der Arbeitszeit schlafen zu können, mag für manche Arbeitnehmer verlockend klingen – für die Mitarbeiter des Edeka-Zentrallagers im rheinland-pfälzischen Nieder-Olm wirkt es jedoch wie reine Schikane. Sie würden so wenig zu tun haben, dass sie sich Betten aus Paletten gebaut hätten, berichten sie. Edeka setze sie „psychisch unter Druck“, das Unternehmen habe dem früheren Kaiser’s Tengelmann-Lager seit März 2017 „innerhalb von wenigen Wochen kurzfristig unsere kompletten bisherigen Aufgaben“ entzogen. Damit verstoße das Handelsunternehmen gegen den Tarifvertrag, der zwischen Edeka Kaiser’s Tengelmann und der Verdi-Tarifkommission ausgehandelt und Bedingung für die Ministererlaubnis gewesen sei. Eine Rückabwicklung des Verkaufs sei möglich.

Der Brief geht an den alten, nicht an den neuen Chef

Es sind heftige Vorwürfe, die die Mitarbeiter des für den Frankfurter und Mainzer Raum zuständigen Zentrallagers gegen ihren neuen Arbeitgeber erheben. In einem Offenen Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, wenden sie sich jedoch nicht etwa an Edeka-Vorstand Markus Mosa, sondern an Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Er sei schließlich bis Ende 2021 Eigentümer der Kaiser’s Tengelman "auf Abruf", das Wohlbefinden der Mitarbeiter solle deshalb ihm „wichtig sein“.

An Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub haben die Mitarbeiter des Zentrallagers aus Nieder-Olm den Offenen Brief adressiert.
An Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub haben die Mitarbeiter des Zentrallagers aus Nieder-Olm den Offenen Brief adressiert.

© Roland Weihrauch/dpa

Fast genau ein Jahr nach der Übernahme der früheren Kaiser’s Tengelmann-Märkte durch Edeka droht nun ein David-gegen-Goliath-Streit: 56 Mitarbeiter im Zentrallager Nieder-Olm gegen den Lebensmittelhändler Edeka.

Im Rahmen einer Ministererlaubnis hatte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im März 2016 die durch das Bundeskartellamt zuvor verbotene Übernahme der Kaiser’s Tengelmann-Filialen genehmigt. 16 000 Jobs sollten dadurch gesichert werden. Zu den Bedingungen gehört unter anderem, dass Edeka den Mitarbeitern eine mindestens fünfjährige Beschäftigungsgarantie gewährt. Sollte Edeka gegen eine Auflage verstoßen, behielt sich der Wirtschaftsminister vor, die Fusionserlaubnis nachträglich zurückzuziehen.

Mitarbeiter klagen vorm Arbeitsgericht auf ihre Prämie

Für Nieder-Olm hätten die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass das Lager mindestens mit seiner Größe mit rund 7000 Artikeln und 10 000 Quadratmetern erhalten bleibt, heißt es in dem Brief. Ohne Beteiligung des Betriebsrats oder der Verdi-Tarifkommission seien diese Artikel aus dem Lager „komplett herausgenommen“ worden. Aktuell würden nur noch rund 100 verschiedene Wein-Artikel aus einer Edeka-Rheinberg-Kellerei gelagert. Durch die Verlagerung der Artikel an andere Standorte sei dem Lager die Grundlage zur Kommissionierung genommen worden. Normalerweise hätten die Mitarbeiter Prämien dafür erhalten, etwa 510 Euro würden den Mitarbeitern nun im Schnitt jeden Monat fehlen, heißt es vom Betriebsrat des Lagers. 22 Klagen von Mitarbeitern würden deshalb bereits vorm Arbeitsgericht Mainz verhandelt.

Im August 2017 hätte Edeka dem Betriebsrat zwar mitgeteilt, dass über eine Lagerumstrukturierung ab Januar 2018 ausreichend Beschäftigungsvolumen geschaffen werden solle. Doch diese Betriebsänderung sei nicht kompatibel mit dem Tarifvertrag und bringe Nachteile für die Beschäftigten. Deshalb habe Verdi Edeka aufgefordert, den Tarifvertrag neu zu verhandeln beziehungsweise zu ergänzen. Doch Edeka reagiere nicht, beschweren sich die Mitarbeiter in dem Brief.

Markus Mosa ist Chef von Edeka. Der Lebensmittelhändler hat Anfang 2017 rund 400 Filialen von Kaiser's Tengelmann übernommen, gut 60 Filialen wurden an Rewe weitergereicht.
Markus Mosa ist Chef von Edeka. Der Lebensmittelhändler hat Anfang 2017 rund 400 Filialen von Kaiser's Tengelmann übernommen, gut 60 Filialen wurden an Rewe weitergereicht.

© DPA

Dennis Dacke, Sprecher des Verdi-Landesbezirks Rheinland-Pfalz-Saarland bestätigt die Vorwürfe der Mitarbeiter. Edeka habe mit der Umstrukturierung einen „einseitigen Verstoß gegen den Tarifvertrag“ begangen. Offenbar spiele das Unternehmen bewusst mit den Zukunftsängsten der Mitarbeiter und setze auf ein „langsames Zermürben.“ Er halte es durchaus für möglich, dass es zur Rückabwicklung des Verkaufs komme.

Springt Karl-Erivan Haub nun seinen ehemaligen Mitarbeitern bei? In der Tengelmann-Zentrale sei der Brief noch nicht angekommen, teilt eine Sprecherin mit. Deshalb wolle sich das Unternehmen dazu auch nicht äußern.

Edeka weist die Vorwürfe "deutlich zurück".

Auch Edeka liege der Brief offiziell nicht vor, sagt ein Sprecher. Die Vorwürfe im Brief weise das Unternehmen jedoch „deutlich zurück“. „Eine Verletzung der Bedingungen der Ministererlaubnis liegt nicht vor. Wir streben nach wie vor konstruktive Gespräche mit den Betriebsrat an und halten uns an die vereinbarten Tarifverträge“, betont der Sprecher. Es werde „in den kommenden fünf Jahren keine betriebsbedingten Kündigungen geben“. Zu den Verfahren vorm Arbeitsgericht wolle sich Edeka aber nicht äußern.

Das Wirtschaftsministerium will vermitteln

Auch das Bundeswirtschaftsministerium ist um eine Einigung bemüht. Das Ministerium sei bereits mit dem Betriebsrat in Nieder-Olm und Edeka in Kontakt. Es gehe darum, „das Lager möglichst dauerhaft über den Zeitraum des Moratoriums der Ministererlaubnis hinaus zu sichern und zu modernisieren“, sagte ein Sprecher.

Das dürfte auch ganz im Sinne der Mitarbeiter sein. Sie würden gerne künftig wieder mehr arbeiten – und weniger schlafen. Sonja Álvarez

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