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ARBEITSKAMPF BEI DER BAHN Heute wird wieder verhandelt: BAHN-CHEF Hartmut Mehdorn TRANSNET-CHEF Norbert Hansen BAHN-PERSONALVORSTAND Magret Suckale GDL-VORSITZENDER Manfred Schell „In höchstem Maße unsolidarisch“

Die Konzernführung macht den Lokführern Vorwürfe – und stellt dennoch Kompromisse in Aussicht

Um markige Worte ist einer wie er nie verlegen, auch nicht bei diesem Konflikt. Es dürfe nicht sein, dass „eine kleine Berufsgruppe ganz Deutschland terrorisiert“, tönte er Anfang der Woche nach dem erneuten Lokführer-Streik. Immer wenn es ernst wird, rückt der sonst so behagliche Mehdorn seinen Kontrahenten auf die Pelle. Für den 64-Jährigen geht es um viel: Diese Tarifrunde entscheidet darüber, mit welchen Zahlen sich die Bahn 2008 an den Kapitalmarkt wagt. Den Gewerkschaften Transnet und GDBA hat er bereits einen üppigen Lohnaufschlag eingeräumt. Gesteht er der GDL noch mehr zu, kommen nicht nur seine Zahlen ins Rutschen – wegen einer Sonderklausel müsste er dann auch die Verhandlungen mit den anderen beiden Gewerkschaften neu aufrollen. Das will Mehdorn unbedingt vermeiden. Immerhin wähnt er sich kurz vor dem Ziel – der Teilprivatisierung. Deshalb wird Mehdorn hart bleiben. „Es gibt nicht mehr“, ist sein erklärtes Credo. brö

Es gibt nicht viele einstige Spitzenleute der Jusos, die in ihrem späteren Berufsleben Vizechef eines Aufsichtsrats geworden sind. Norbert Hansen ist einer von ihnen, er sitzt als Führer der Gewerkschaft Transnet im Kontrollgremium der Deutschen Bahn. In den Siebzigern im Dienst der Revolution, heute im Dienst der Privatisierung – dieser Spagat gelingt Hansen, 55, trotz der Kritik anderer Gewerkschaftsführer an seinem Mehdorn- freundlichen Kurs. Um Kampfparolen ist Hansen dabei nicht verlegen, er sieht etwa gleich „Zehntausende Arbeitsplätze“ in Gefahr, sollte die Bahn im Zuge der Privatisierung aufgespalten werden. Immerhin vertritt die Transnet sieben von zehn Bahn-Beschäftigten. Seit vergangenem Montag ist der gebürtige Husumer ohnehin über alle Einwürfe erhaben: Das von ihm ausgehandelte Ergebnis von 4,5 Prozent und einer Einmalzahlung von 600 Euro ist der höchste Tarifabschluss aller deutschen Branchen in diesem Jahr. brö

Manchmal klopft es bei einem Lokführer an der Scheibe. Öffnet er, steht er vor einer gepflegten Dame Anfang 50, die ihm ein Formular unter die Nase hält. Darauf steht, dass sie zur Mitfahrt auf der Lok berechtigt ist und Margret Suckale heißt. Die meisten Lokführer müssen da erst einmal schlucken – und freuen sich dann, dass eine so wichtige Managerin ausgerechnet sie auf der Tour begleiten will.

Suckale, Arbeitsdirektorin bei der Bahn, ist eine Ausnahmeerscheinung unter den hemdsärmeligen Verantwortlichen des Konzerns. Wo sich andere mit Sprüchen hervortun, zieht sie das bedächtige Wort vor. Als oberste Personalmanagerin des 230 000 Beschäftigte zählenden Konzerns trägt die Juristin die Verantwortung für die Verhandlungsstrategie – zum ersten Mal, seit sie 2005 in die erste Reihe des Managements aufgerückt ist. „Frauen führen in der Regel nicht laut und sind auch mal bereit, einen Fehler bei sich zu sehen“, hat sie einmal gesagt – und damit wohl auch sich selbst gemeint. Dass Suckale, die sich mit Mehdorn duzt, trotzdem zäh sein kann, hat sie bereits in den Jahren zuvor bewiesen. 1997 kam sie vom Ölkonzern Mobil Oil, übernahm die Rechtsabteilung der Bahn und machte dann Schritt für Schritt Karriere. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge ist von den 533 Vorstandsposten der 100 größten deutschen Unternehmen nur ein einziger mit einer Frau besetzt – mit Margret Suckale. Damit das so bleibt, muss sich die Bahn gegen die Attacken der Lokführer behaupten. Für den Konzern hängt viel davon ab. brö

Der freundliche Herr mit dem vollen Haar und den grauen Schläfen, der auch in den rauchfreien Bahnhöfen gerne zur Pfeife greift, verkörpert nicht das Bild eines kämpferischen Gewerkschafters. Dabei hat Manfred Schell (64) der Bahn zugesetzt wie kaum einer vor ihm. Zwei Warnstreiks hat der Chef der Lokführergewerkschaft in den vergangenen Tagen organisiert. Doch vergisst er nie die Fahrgäste. Als am Dienstag im Frankfurter Hauptbahnhof nichts mehr ging, suchte Schell das Gespräch mit Pendlern und Reisenden. „1500 Euro netto bei Arbeit am Wochenende und in der Nacht, das ist völlig unangemessen für die verantwortungsvolle Arbeit eines Lokführers“, erläuterte er immer wieder.

Der gebürtige Aachener weiß, wovon er spricht: Ende der 50er Jahre schaufelte er noch Kohle auf den Dampfloks, dann avancierte er zum Führer auf elektrischen Loks. Seit 1970 ist er GDL-Mitglied, seit 17 Jahren leitet er die 140 Jahre alte Gewerkschaft – und ist damit so lange wie kein anderer Gewerkschaftschef in Deutschland im Amt. In den 90er Jahren saß er für ein Jahr für die CDU im Bundestag, wo er gegen die Bahn-Reform stimmte. Heute freilich könnte er sich auch einen Börsengang vorstellen.

Vorher aber will Schell, der vor fünf Jahren den Bruch mit den beiden anderen Bahn-Gewerkschaften einleitete, für die 34 000 GDL-Mitglieder einen eigenen Tarifvertrag durchboxen. Es wird wohl seine letzte große Anstrengung als GDL-Chef. Im Mai kommenden Jahres erreicht er die Altersgrenze. ro

Berlin/Frankfurt am Main - Im Tarifstreit mit den Lokführern strebt die Bahn eine schnelle Einigung an. Am heutigen Freitag – es ist der 13. – wird in Frankfurt am Main im „Steigenberger Hotel Metropolitan“ verhandelt. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir gleich sitzen bleiben und die Nacht durch verhandeln“, sagte Konzernchef Hartmut Mehdorn am Donnerstag in Berlin. „Wir müssen ans Eingemachte kommen.“ Falls sich die Lokführer nicht bewegten, drohe Stellenabbau. „Hier wird etwas gefordert, das nur auf dem Rücken der anderen Mitarbeiter zu finanzieren wäre. Das ist in höchstem Maße unsolidarisch“, sagte Personalchefin Margret Suckale.

Die andere Seite gibt sich ebenso hart: „Wir machen der Bahn keine Hoffnung, dass wir am Freitag einlenken“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Manfred Schell, jüngst. Nach zwei massiven Warnstreiks in den vergangenen Tagen ist die Situation zerfahren. Die Bahn hat der GDL weitere Arbeitsniederlegungen gerichtlich untersagen lassen. Ob es dabei bleibt, wird am Samstag das Arbeitsgericht Mainz entscheiden. Die GDL fordert einen eigenen „Fahrplanpersonaltarifvertrag“ (FPTV) für ihre 34 000 Mitglieder – mit Grundgehältern, die zwischen 27 und 40 Prozent steigen sollen, verbunden mit einer Verkürzung der Arbeitszeit von 41 auf 40 Stunden.

Suckale sagte dazu, die Personalkosten bei den GDL-Mitgliedern würden um bis zu 45 Prozent steigen, ginge die Bahn auf die Forderungen ein. Im Zuge des Wettbewerbs um Regionalstrecken „können wir uns das gar nicht leisten“. Die Konkurrenz werde vor allem über die Löhne ausgetragen, hier liege die Bahn im Schnitt schon heute um ein Viertel höher als andere Schienenunternehmen. Zugleich wies sie den häufig bemühten Vergleich der Lokführer mit den Piloten als falsch zurück. „Es ist nicht der Lokführer allein, der es fertig bringt, dass der Zug von A nach B fährt, sondern da arbeiten viele andere Berufsgruppen mit“, erklärte sie. Die Verantwortung in diesem Beruf sei begrenzt. „Der Lokführer kann heute keine Fehler mehr machen, da würde ihn die Technik ausbremsen.“ Piloten müssten viel komplexere Anforderungen erfüllen und außerdem Englisch sprechen.

Dennoch zeigte sich die Bahn kompromissbereit. „Wir sehen viele Möglichkeiten, uns zu bewegen“, sagte Mehdorn. Details wollte er aber nicht nennen. Es gehe ihm nicht um Gesichtswahrung, sondern um die Bahn und ihre Belegschaft. Das Unternehmen habe sich bereits beim Tarifabschluss mit den Gewerkschaften Transnet und GDBA Anfang der Woche bewegt, die ein Plus von 4,5 Prozent ab 2008 sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro ausgehandelt hatten. „Sich das sichern und dann weiter streiken geht nicht“, appellierte Suckale. Man prüfe derzeit aber, ob auch Mitglieder der GDL Anspruch auf die ausgehandelten Tarifsteigerungen haben. Zu den Gesamtkosten durch den bisherigen Abschluss sagte sie: „Wir reden hier über einen nicht ganz kleinen dreistelligen Millionenbetrag.“ Die Kosten der GDL-Forderung mochte sie nicht beziffern.

Mehdorn wollte außerdem nicht ausschließen, dass der Abschluss am Ende zu höheren Fahrpreisen führen wird, sagte aber: „Das haben wir zur Zeit aber nicht auf dem Fahrplan.“

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