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Wirtschaft: Arbeitskampf im Advent

Verdi nutzt das Weihnachtsgeschäft für Streiks bei Amazon. Die Gewerkschaft glaubt nicht, dass der Händler im Tarifstreit einknickt.

Berlin - Sie können sich nicht einmal auf die Zahl der Streikenden einigen. Rund 400 Mitarbeiter hätten am Montag im Leipziger Verteilzentrum von Amazon die Arbeit niedergelegt, behauptet die Gewerkschaft Verdi. Es waren lediglich 230, heißt es vonseiten des Onlinehändlers. Die Gewerkschafter hoffen, dass die Ausstände im beginnenden Weihnachtsgeschäft dem US-Unternehmen zu schaffen machen. Denn bisher entfalten die seit Monaten stattfindenden punktuellen Streiks zu wenig Wirkung, um das Management des US-Unternehmens nervös zu machen: Es lehnt nach wie vor Verhandlungen mit Vertretern der Gewerkschaft über einen Tarifvertrag ab. „Verdi ist nicht Teil unserer Beziehung, deswegen verwende ich nicht viel Zeit für sie“, sagte der für die deutschen Versandzentren zuständige Logistikchef Dave Clark der Zeitung „Die Welt“.

Rund 9000 Menschen arbeiten in den neun Logistikzentren des Unternehmens hierzulande. Verdi will, das Amazon diese Mitarbeiter nach dem Tarif des Einzel- und Versandhandels bezahlt. Es geht um Weihnachts- und Urlaubsgeld und Nachtzuschläge bereits ab 20 Uhr. Verglichen mit Angestellten anderer Versandhändler verdienten die Amazon-Beschäftigten bis zu einem Drittel weniger. Amazon hingegen argumentiert, die Mitarbeiter in den formal selbstständigen Zentren gingen für die Logistikbranche typischen Tätigkeiten nach. Gemessen daran lägen Stundenlöhne um 9,50 Euro schon im oberen Bereich.

Neben Leipzig sind auch die beiden Verteilzentren im hessischen Bad Hersfeld vom Ausstand betroffen. „Ob es im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft zu weiteren Streiks kommt, liegt ganz in der Hand von Amazon“, sagte Gewerkschaftssekretärin Mechthild Middecke am Montag. Sobald Amazon verhandeln wolle, „sitzen wir am Tisch und stehen nicht mehr vor der Tür“.

Doch damit rechnet nicht einmal die Gewerkschaft selbst. Es sei unwahrscheinlich, dass Amazon bis zum Jahresende einknicken werde, sagte Jörg Lauenroth-Mago, der Leipziger Verdi-Verhandlungsführer, dem Tagesspiegel. Die Stimmung unter den Streikenden sei aber nach wie vor gut. „Wir werden auch im kommenden Jahr streiken müssen – und das werden wir auch tun“, betonte er.

Deutschland ist für Amazon mit 8,7 Milliarden Dollar (6,4 Milliarden Euro) Jahreserlös der wichtigste Absatzmarkt außerhalb der USA. Allein in Leipzig verlassen nach Gewerkschaftsangaben täglich mehrere zehntausend Sendungen das Haus. Insofern hofft Verdi, das Unternehmen mit dem Arbeitskampf an einer empfindlichen Stelle treffen zu können. Doch wie bei allen Streiks zuvor zeigte sich Amazon am Montag unbeeindruckt. Es habe „keinerlei Auswirkungen auf den Versand“ gegeben, hieß es. Er sehe nicht ein, warum er mit jemandem zusammenarbeiten solle, sagte Logistikchef Clark, der wie Verdi den Kindern das Weihnachten „ruinieren“ wolle. Simon Frost

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