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Arbeitslosigkeit: Bundesagentur dämpft Optimismus der Bundesregierung

Trotz einer überraschend geringen Arbeitslosigkeit zum Jahresanfang geht die Bundesagentur für Arbeit von mehr Erwerbslosen 2007 als die Regierung aus.

Nürnberg/Berlin - Die Bundesbehörde bleibe vorerst bei ihrer Prognose von 4,1 bis 4,2 Millionen Erwerbslosen im Jahresdurchschnitt 2007, sagte Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA) Frank-Jürgen Weise. Das wären zwischen 280.000 und 380.000 Jobsucher weniger als 2006.

Die Bundesregierung erklärte hingegen, sie rechne bei einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent mit einem Rückgang um rund 480.000 auf möglicherweise sogar weniger als 4 Millionen Arbeitslose. Anders als von Ökonomen bislang angenommen, entstünden bereits bei einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von weniger als zwei Prozent neue Jobs. "Alles ab 1,25 Prozent bringt neue Beschäftigung", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). "Wenn wir Glück haben, können wir die Vier-Millionen-Grenze unterschreiten."

Weise: Prognose könnte korrigiert werden

Weise schloss allerdings eine Korrektur der BA-Prognose nicht aus, falls sich die derzeit positive Entwicklung fortsetze. "Bei neuen volkswirtschaftlichen Eckdaten werden wir die Lage neu bewerten", sagte er. Für die erste Jahreshälfte rechne er mit einem stabilen Trend, die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte hänge von der weiteren Konjunkturentwicklung ab. Von der Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte zum Jahresanfang erwarte er zunächst keine Auswirkung auf den Arbeitsmarkt.

Mit 4.247.000 ist die Zahl der Arbeitslosen im Januar auf ein neues Sechs-Jahres-Tief gesunken. Der Anstieg fiel im Monatsvergleich mit 239.000 nur halb so stark aus wie im langjährigen Mittel. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich zwar im Monatsvergleich um 0,6 Punkte auf 10,2 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie aber noch bei 12,1 Prozent gelegen. Im Vergleich zum Januar 2006 ging die Arbeitslosenzahl um 764.000 Jobsucher zurück. Seit der deutschen Einheit hat es nach der BA-Statistik keinen solchen starken Rückgang gegeben.

Mildes Wetter sorgt für Aufschwung

Als Ursache für die Entwicklung in diesem Januar führt BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt vor allem die milde Witterung bis zum Erfassungsstichtag Mitte des Monats an. Vom Rückgang von 764.000 gingen rund 100.000 auf das Konto der guten Konjunktur; für 400.000 bis 500.000 sei hingegen das weitgehend schnee- und frostfreie Wetter verantwortlich. Auf vielen Baustellen habe weitergearbeitet werden können. Auch schlage sich in den Zahlen die bessere Betreuung der Arbeitslosen in den Agenturen und Jobcentern nieder. Ebenso werde genauer überprüft, ob jemand tatsächlich arbeitslos sei.

Die Auswirkungen der erstmals in diesem Winter eingesetzten so genannten Saisonkurzarbeitergeld-Regelung auf den Arbeitsmarkt lassen sich nach Angaben von BA-Finanzvorstand Raimund Becker noch nicht klar benennen. Wegen des milden Winters sei es aber offenbar kaum genutzt werden. Modellrechnungen sprächen von 3.500 bis 4.000 Fällen.

Mehr Stellenangebote

Die neue Kurzarbeitergeld-Regelung, mit der die bisher übliche Entlassung von Beschäftigten in Außenberufen verhindert werden soll, wird nach Einschätzung von BA-Manager Alt auch in den kommenden Jahren die übliche Winterarbeitslosigkeit drücken. Möglicherweise werde sie zwischen November und Februar nur noch um 300.000 bis 350.000 saisonbedingt zulegen. Das wäre rund die Hälfte des in den Vorjahren üblichen Zuwachses in den vier Wintermonaten. Hinzukomme der starke Stellenabbau in der saisonabhängigen Baubranche in der Vergangenheit.

Als Hinweis auf eine stabile Aufwärtsentwicklung bewertet die BA-Führung das große Stellenangebot: Im Januar seien bei den Arbeitsagenturen 594.000 Stellen gemeldet gewesen - 179.000 mehr als vor einem Jahr. Diese Entwicklung spiegelt auch die Erwerbstätigen-Statistik des Statistischen Bundesamtes wider: Danach wurden von Dezember 2005 bis Jahresende 2006 rund 492.000 neue Stellen geschaffen. Ihre Gesamtzahl beläuft sich nun auf 39,62 Millionen. Die Zahl sozialversicherungspflichtiger Jobs lag im November mit 26,95 Millionen um 428.000 über dem Vorjahresniveau.

Müntefering sieht Wende erreicht

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sieht angesichts der jüngsten Erwerbslosenzahlen die Wende auf dem Arbeitsmarkt erreicht. "764.000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr - das ist eine stolze Zahl", sagte er am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung wolle die Arbeitslosigkeit aber noch weiter reduzieren, kündigte Müntefering an. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach von einem "guten Signal". Sein SPD-Amtskollege Hubertus Heil betonte, die Reformen der vergangenen Jahre zahlten sich jetzt aus.

Dagegen warnten Oppositionspolitiker vor zu großer Euphorie. 4,247 Millionen Arbeitslose seien ein gesellschaftlicher Skandal, sagte Linkspartei-Geschäftsführer Dietmar Bartsch, der zudem von einem "gespaltenen Aufschwung" sprach. Ostdeutsche, Frauen und junge Menschen unter 25 profitierten nicht von der wirtschaftlichen Erholung. Nach Ansicht des stellvertretenden FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle zeigten die Zahlen, dass die strukturellen Probleme der Massenarbeitslosigkeit weiterhin nicht gelöst seien. "Mildes Wetter kann keine Arbeitsmarktreform ersetzen", betonte er. (tso/dpa)

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