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Wirtschaft: Arbeitsmarkt: "3,5 Millionen Arbeitslose bis Herbst 2002 unrealistisch"

Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) aufgefordert, sich vom Ziel einer Senkung der Arbeitslosenzahl auf unter 3,5 Millionen im Herbst 2002 zu verabschieden. "Er kann die Arbeitslosenzahl kurzfristig nicht verändern, es gibt keine sinnvollen Möglichkeiten, vom bloßen Verstecken der Arbeitslosen einmal abgesehen", sagte Sinn der Wochenzeitung "Die Zeit".

Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) aufgefordert, sich vom Ziel einer Senkung der Arbeitslosenzahl auf unter 3,5 Millionen im Herbst 2002 zu verabschieden. "Er kann die Arbeitslosenzahl kurzfristig nicht verändern, es gibt keine sinnvollen Möglichkeiten, vom bloßen Verstecken der Arbeitslosen einmal abgesehen", sagte Sinn der Wochenzeitung "Die Zeit". Schröder solle vielmehr den Arbeitsmarkt grundlegend reformieren. Gebraucht werde nun eine "Politik der starken Hand, die langfristig die Weichen richtig stellt". ABM-Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit lehnt Sinn ab. In den neuen Ländern seien viele Maßnahmen eingesetzt worden, trotzdem sei die Beschäftigung seit 1994 um 14 Prozent zurückgegangen. Sinn warnte die Regierung davor, angesichts der ungünstigen Lage nun in Aktionismus zu verfallen. Die Regierung sollte stattdessen die Steuerreform überarbeiten. Im Bereich der persönlichen Einkommenssteuer halte er ein Drei-Stufen-System für sinnvoll. Nach seinem Modell würde auch der durchschnittliche Arbeitnehmer davon profitieren. Als Gegenfinanzierung nannte Sinn eine lineare Kürzung der Subventionen sowie einen Verzicht auf Steigerungen im Sozialetat.

Der Abbau von Überstunden zur Schaffung von neuen Stellen ist für den Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, erst ein Thema, wenn es bis zum Jahresende keine Einigung mit den Arbeitgebern gibt. Derzeit bestehe für eine solche Forderung kein Anlass, da es bei den Arbeitgebern in der Frage Bewegung gebe. Der Gesetzgeber müsse erst eingreifen, wenn "einer der beiden Sozialpartner" nachweislich nicht zum Konsens bereit sei.

CDU und FDP kritisierten den DGB. CDU-Vize Jürgen Rüttgers warf dem Verband vor, mit der Diskussion über eine Vier-Tage-Woche vom Versagen der Koalition ablenken zu wollen. Im Übrigen sei die Idee der Arbeitszeitverkürzung kontraproduktiv und würde Stellenverluste nach sich ziehen. "Alle Versuche, über die Verteilung von Arbeit neue Arbeitsplätze zu schaffen, sind misslungen", fügte er hinzu. FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel nannte die Gewerkschaftsforderungen wirtschaftsfeindlich. Außerdem seien schon jetzt trotz der hohen Arbeitslosigkeit 1,5 Millionen Stellen unbesetzt, weil es den Arbeitslosen an Qualifikation, Mobilität und Motivation fehle.

Die Hoffnung der Bundesregierung, mit neuen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik die Lage zu verbessern, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gedämpft. Die so genannten Job-Rotations-Modelle, bei denen Arbeitslose befristet einen Arbeitnehmer ersetzten, der sich weiterbildet, funktionierten in der Praxis nicht, heißt es in einer Analyse vom Mittwoch. Nach dem Programm sollen Guthaben auf Arbeitszeitkonten in die Weiterbildung investiert werden können. Der Grund: 50 Prozent der Weiterbildungskurse dauerten nur bis zu drei Tage. 75 Prozent der Kurse seien kürzer als sechs Tage im Westen und kürzer als 7,5 Tage im Osten Deutschlands gewesen. Nur zehn Prozent des Bildungsangebots habe länger gedauert: eineinhalb Monate im Westen und mehr als drei Monate im Osten Deutschlands. Zusätzlich hätte etwa ein Viertel aller Kurse in der Freizeit stattgefunden. Die potenziellen Beschäftigungseffekte könnten dem DIW zufolge erhöht werden, wenn gering qualifizierten Arbeitnehmern verstärkt der Zugang zur betrieblichen Weiterbildung ermöglicht würde.

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