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Wirtschaft: Arbeitsmarkt für Juristen: Gespaltene Gesellschaft

Der Arbeitsmarkt für Juristen ist tief gespalten. Absolventen mit hervorragenden Examensnoten - bei den Juristen sind das Durchschnittsnoten bis voll befriedigend - werden händeringend gesucht und sehr gut bezahlt.

Der Arbeitsmarkt für Juristen ist tief gespalten. Absolventen mit hervorragenden Examensnoten - bei den Juristen sind das Durchschnittsnoten bis voll befriedigend - werden händeringend gesucht und sehr gut bezahlt. Die großen Kanzleien gehen bereits an die Unis, um dort die entsprechenden Kandidaten anzuwerben. Doch das betrifft nur etwa 15 Prozent der Absolventen. Der große Rest mit Durchschnittsnoten von befriedigend bis ausreichend hat es dagegen schwer beim Jobeinstieg.

In den Kanzleien wartet meistens viel Arbeit für wenig Geld. "Die jungen Anwälte arbeiten zum Teil zu haarsträubenden Bedingungen", sagt der Präsident der Berliner Rechtsanwaltskammer, Kay-Thomas Pohl. Ein Forum junger Rechtsanwälte hatte deshalb auf dem diesjährigen Anwaltstag in Bremen einen verbindlichen Mindestlohn von 4350 Mark für eine Vollzeitstelle gefordert, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Für immer mehr Berufsanfänger ist die Selbstständigkeit eine Alternative. Doch nur selten haben die jungen Anwälte in den ersten Jahren genügend Mandanten, um davon leben zu können. Viele müssen sich mit Zweitjobs über Wasser halten. Denn die Konkurrenz ist groß. Knapp 8000 Mitglieder hat die Berliner Anwaltskammer. Bundesweit liegt sie damit noch nicht einmal an der Spitze. Die meisten Anwälte gibt es in München (12 744), gefolgt von Frankfurt am Main (11 404) und Köln (8688). Und es drängen immer mehr Juristen auf den Markt. Nach Frankfurt am Main liegt Berlin mit einer Zuwachsrate von 9,5 Prozent an zweiter Stelle in der Republik. Vor zehn Jahren teilten sich noch 3000 Anwälte die Arbeit in der Stadt.

Derzeit sind in Berlin 680 Juristen bei den Arbeitsämtern arbeitslos gemeldet. Doch da sie nach Abschluss des ersten oder zweiten Staatsexamens keinen Leistungsanspruch haben, melden sich viele erst gar nicht. Die tatsächliche Zahl dürfte also höher liegen.

Bei den Arbeitsämtern sind gegenwärtig nur sieben Stellen gemeldet. Eine Ursache für die geringe Zahl ist, dass der Öffentliche Dienst die Stellen im Amtsblatt für Berlin ausschreibt. Auch das Landesarbeitsamt orientiert sich deshalb an den Stellenanzeigen in den Printmedien, um etwas über den Arbeitsmarkt zu erfahren. Danach liegt Nordrhein-Westfalen mit 18 Prozent des Stellenaufkommens weit vor Berlin mit nur zehn Prozent. Regional gebe es die meisten Stellenanzeigen in Nordwestdeutschland und Bayern, sagt Klaus Pohl.

Innenstadt meiden

In Berlin sollte man sich mit einer Kanzleigründung nicht unbedingt auf die Innenstadt konzentrieren. Denn hier haben sich die meisten Anwälte niedergelassen. Allein in Charlottenburg-Wilmersdorf befinden sich mehr als die Hälfte der Berliner Anwälte, dicht gefolgt von Mitte.

Dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt trotz der hohen Zuwachsraten vorerst nicht weiter verschlechtert, ist den größeren Altersabgängen zu verdanken, die es seit Ende der 90er Jahre im öffentlichen Dienst gibt. Sie ist eine Folge der hohen Einstellungszahlen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre. Die Entwicklung in der Verwaltung, der Wirtschaft und der Rechtsanwaltschaft werde durchaus ähnlich verlaufen, meint Klaus Pohl vom Landesarbeitsamt. Im öffentlichen Dienst sei allerdings auch die Haushaltslage für Einstellungen maßgebend.

Die Nachfrage nach Juristen in der öffentlichen Verwaltung hatte nach der Wende zunächst leicht zugenommen. Gegenwärtig beziehen sich bundesweit aber nur noch elf Prozent der Stellenanzeigen für Juristen auf diesen Sektor. "Im Vergleich zu den Vorjahren setzt sich damit der bisher schon beobachtete Rückgang kontinuierlich fort", sagt Klaus Pohl. Zudem konkurrieren die Juristen bei vielen Tätigkeitsfeldern in der Verwaltung mit Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern. Rund 80 Prozent aller Juristen sind in dem traditionellen Beschäftigungsfeld Justiz und Rechtspflege tätig. Doch wer Richter oder Staatsanwalt werden will, muss Prädikatsnoten mitbringen.

Eine Möglichkeit mit der Anwälte ihre Chancen verbessern, ist die Spezialisierung. Derzeit ist ein Trend in Richtung Familienrecht, Arbeitsrecht oder Steuerrecht zu beobachten. Die Zahl der Fachanwälte ist im vergangenen Jahr mit 17,5 Prozent überproportional angestiegen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten oder sich in internationale Rechtsgebiete einzuarbeiten. Wie in anderen freien Berufen sei es auch bei den Juristen am besten, schon während des Studiums mit Praktika oder Studentenjobs Kontakte zu knüpfen, sagt Kammerpräsident Pohl.

Neben den traditionellen juristischen Tätigkeiten in Justiz, Rechtspflege und Verwaltung ergeben sich auch in der Wirtschaft und bei Verbänden zahlreiche Berufsmöglichkeiten. Einen guten Einstieg für Berufsanfänger bieten zum Beispiel Mietervereine und Verbraucherverbände. Und wer in die Wirtschaft gehen möchte, findet vielversprechende Betätigungsfelder. Von der Abteilung Versicherungen über die Rechts- und Personalabteilungen bis zu den Finanzen sind die verschiedensten Spezialisierungen gefragt. Wichtig ist allerdings stets ein verhandlungssicheres Englisch. Unternehmerisches Denken, außeruniversitäres Engagement in Sportvereinen oder Hilfsorganisationen, Praktika und Zusatzqualifikationen, wie ein MBA oder Master of Law sind ebenfalls gern gesehen.

Zukunftsmarkt Medienrecht

Ein auch künftig wachsender Bereich sei das Medienrecht, sagt Jan Schlüschen von der auf Neue Medien spezialisierten Kanzlei Hatzfeld Schlüschen. Trotz der gegenwärtigen Konjunkturschwäche am Neuen Markt gebe es in diesem Bereich viel zu tun, zunehmend auch für kleinere Kanzleien.

Wer sich für Medienrecht interessiert, sollte sich bereits im Studium darauf konzentrieren. Wahlfächer wie gewerblicher Rechtsschutz, Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht seien eine gute Grundlage. Durch die wechselnden Kapitalgeber der Start Ups sei auch das Gesellschaftsrecht wichtig. Und wer sich beim Referendariat darum kümmert, in die Zivilrechtskammern zu kommen, die diese Fälle bearbeiten, habe bereits die richtigen Voraussetzungen für die Spezialisierung geschaffen.

Harald Olkus

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