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Arcandor: Auf den letzten Metern

Der Betriebsrat und der Hauptaktionär werben unverdrossen für staatliche Bürgschaften. Nächste Woche laufen die Kreditlinien aus.

Hellmut Patzelt zweifelt nicht, er kämpft. Je enger es wird für den angeschlagenen Handels- und Touristikkonzern Arcandor, desto mehr. So auch am Mittwoch, als der Betriebsrat den Mitarbeitern von Quelle Mut zuspricht. Den Gedanken an eine Insolvenz des Karstadt-Mutterkonzerns verdrängt der 55-jährige Familienvater, der vor 40 Jahren seine Ausbildung bei der Warenhaustochter begann und seit zwölf Jahren deren Betriebsrat leitet. Stattdessen stürzt sich Patzelt in Arbeit. Seit Wochen steht er vor Karstadt-Filialen in der gesamten Republik und sammelt Unterschriften für Staatshilfe. Inzwischen haben mehr als 850 000 Menschen unterschrieben, sagt er. Seine Reise endet am Donnerstag in Berlin, wo er kurzfristig um Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) gebeten hat. „Ich will auf den letzten Metern aus Sicht der Beschäftigten um eine Bürgschaft werben“, sagt Patzelt.

Die Entscheidung darüber fällt formal am kommenden Montag, wenn sich der Lenkungsausschuss der Bundesregierung mit Arcandor befasst und über die beantragte Staatsbürgschaft in Höhe von 650 Millionen Euro entscheidet. Doch seit Mittwoch mehren sich die negativen Signale für den Konzern mit 86 000 Beschäftigten, davon rund 50 000 in Deutschland. Das liegt besonders an der Erklärung der EU-Kommission, wonach man den Antrag für nicht genehmigungsfähig halte, weil Arcandor bereits vor Beginn der Finanzkrise angeschlagen gewesen sei. Die EU muss zustimmen, wenn der Bund Bürgschaften bewilligen will.

Trotz der Kritik aus Brüssel glaubt Arcandor weiter an die Hilfe aus Berlin. „Wir sind nach wie vor überzeugt, dass Arcandor die Kriterien für eine Staatsbürgschaft erfüllt“, sagte Vorstandschef Karl-Gerhard Eick in Essen.

Insolvenz schon kommende Woche?

Ohne staatliche Stütze droht dem Konzern schon Ende der kommenden Woche die Insolvenz. Das hat das Management mehrfach bestätigt. Am 12. Juni laufen Kredite über 650 Millionen Euro bei einem Bankenkonsortium aus, die ohne eine Garantie des Staates nicht verlängert werden.

Um das zu verhindern, werben inzwischen auch die Eigentümer von Arcandor um die Gunst der Regierung – zumindest die Privatbank Sal. Oppenheim, die knapp 30 Prozent der Aktien hält. Die Bank bietet dem Staat ihre Anteile an, als Garantie für die gewünschte Bürgschaft für Arcandor. „Im Gegenzug für die Staatsbürgschaft geben wir dem Staat unser Aktienpaket als Sicherheit“, sagte ein Sprecher von Sal. Oppenheim dem Tagesspiegel. Wenn Arcandor irgendwann die Bürgschaft nicht mehr brauche, solle die Bank ihre Anteile zurückbekommen. Diesen Vorschlag unterbreitet Friedrich Carl Janssen, Gesellschafter von Sal. Oppenheim und Chef des Aufsichtsrates von Arcandor, derzeit in zahlreichen Gesprächen mit Spitzenpolitikern in Berlin. Am Dienstagabend traf Janssen mit Steinmeier zusammen, am Mittwoch sprach er mit Walther Otremba, der als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium voraussichtlich die Sitzung des Lenkungsausschusses am Montag leitet.

Im Finanzministerium sieht man den Vorschlag der Bank skeptisch. Das Angebot, Aktien als Garantie zu geben, „ist gar keines“, erfuhr das „Handelsblatt“ aus dem Ministerium, da Arcandor offenbar alle Vermögenswerte entweder verkauft oder verpfändet habe. Das Ministerium fordert für die Staatsbürgschaft eine „substanzielle Beteiligung der vermögenden Eigentümer“, heißt es weiter.

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