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© dpa

Arcandor-Insolvenz: Herren ohne Stil

Seit September haben Insolvenzverwalter bei Arcandor das Sagen. Mitarbeiter klagen über den rüden Umgangs-Ton.

Essen - Die letzten Wochen haben Spuren hinterlassen in der Arcandor-Zentrale in Essen-Bredeney, sichtbare und unsichtbare. Der Parkplatz vor dem großen grauen Komplex bietet inzwischen ausreichend freie Plätze, drinnen fallen geräumte Schreibtische auf. Einzelne Mitarbeiter wirken verunsichert, wenn sie mit misstrauischem Blick über die kahlen Flure gehen.

Die Stimmung ist schlecht bei Arcandor, nicht erst, seit am 1. September das Insolvenzverfahren offiziell eingeleitet und damit das Ende des Mutterkonzerns von Karstadt und Quelle besiegelt wurde. 1800 Menschen arbeiten derzeit in Essen, die meisten für Karstadt, knapp 100 für Arcandor. Viele von ihnen haben bereits die Kündigung erhalten. Ihre Zukunft ist ungewiss, genau wie die der mehr als 25 000 Karstadt-Mitarbeiter in den Filialen. Durch das nun geltende Insolvenzrecht kann ihnen deutlich leichter gekündigt werden. Wer weniger als fünf Jahre dem Konzern angehört, dem bleibt nur ein Monat Kündigungsfrist, sagen Experten. Viele Mitarbeiter in Essen rechnen täglich mit ihrer Kündigung, einige haben die Entscheidung schon vorempfunden und ihre Büros ausgeräumt.

Doch wo Verlierer sind, gibt es meist auch Gewinner. Bei Arcandor ist dies ein etwa 20-köpfiges Team, das seit September die Büros in der Vorstandsetage des Handelskonzerns bezogen hat. Der Kölner Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg und seine Mannschaft sind die neuen Herren im Haus. Und nach allem, was man hört, scheinen sie daraus keinen Hehl zu machen.

Im Gegenteil, aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Arcandor-Zentrale klagen über deren überheblichen Stil, über Beleidigungen, Einschüchterungen und falsche Versprechen. Einem Mitarbeiter sollen die Berater eine Zukunft bis Ende des Jahres zugesichert haben. Als er kurz darauf die Kündigung erhält, heißt es nur spöttisch: Die Stelle gebe es bis dann, ihn nicht. Die Beschwerden der Mitarbeiter richten sich weniger gegen die eingeschlagene Sanierung als gegen den angeschlagenen Ton.

„Die Art und Weise, wie einzelne der Insolvenzberater sich benehmen, halte ich für vollkommen unangemessen und schädlich fürs Geschäft“, sagte ein ehemaliger leitender Angestellter dem Tagesspiegel. Eine aktuelle Führungskraft berichtete: „So einen Umgangston wie heute haben wir in Essen noch nie erlebt. Auch nicht bei Middelhoff.“

Besonders richtet sich die Kritik gegen den Berliner Unternehmensberater Thomas Fox. Er gehört dem Team von Görg an und war bereits in den drei Monaten der vorläufigen Insolvenz als „Chief Restructuring Officer“ für Karstadt zuständig, wie es auf der Internetseite von Görgs Kanzlei heißt. Er betreute also die Veränderungen in den Warenhäusern. Fox wird als impulsiv und herablassend beschrieben. Nach Aussagen mehrerer Beschäftigter soll er auf einer internen Mitarbeiterversammlung die Zukunft der Belegschaft mit den Worten beschrieben haben: „Sie werden entweder adoptiert, geheiratet oder vergewaltigt.“

Thomas Schulz, Sprecher des Insolvenzverwalters, bestätigt den Spruch. Allerdings habe Fox damit nicht die Mitarbeiter gemeint, sondern die drei Wege benannt, in die sich insolvente Gesellschaften allgemein entwickeln könnten. Schulz räumt ein, einige Mitarbeiter könnten Fox falsch verstanden haben. Die grundsätzliche Kritik am neuen Umgangston kommentiert Schulz nicht. Fox war am Freitag nicht zu erreichen.

Medienberichten zufolge soll Fox an die Spitze von Karstadt aufrücken, um die Warenhäuser zu sanieren und anschließend zu verkaufen. Dem bisherigen Karstadt-Chef Stefan Herzberg wurde zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt. Zur Begründung hieß es, Herzberg habe eigenständig mit dem Konkurrenten Metro über eine mögliche Übernahme verhandelt. Der Manager hatte früher für Metro gearbeitet und war dort 2007 im Streit gegangen.

Die Vorwürfe gegen die Insolvenzberater stehen im Gegensatz zu dem tadellosen Ruf, den Klaus-Hubert Görg genießt. Der 68-jährige Anwalt gilt als graue Eminenz, als erfolgreich, aber bescheiden. Ein juristisches Fachmagazin beschreibt ihn als „Mann der leisen Töne“. Sogar ein Mitarbeiter von Arcandor, dem gerade gekündigt wurde, bestätigt das. Er nennt Görg einen Gentleman – ganz im Gegensatz zu dessen Angestellten.

Insolvenzverwalter haben stets mit existenziellen Fragen zu tun und das Insolvenzrecht bietet ihnen weitreichende Mittel, diese zu beantworten. Häufig müssen sie Mitarbeiter mit unbequemen Wahrheiten konfrontieren und unbeliebte Entscheidungen treffen. Gerade deshalb verbietet es sich für den erfahrenen Insolvenzverwalter Volker Grub, die eigene Macht zu demonstrieren. „Insolvenzverwalter dürfen die Arroganz, die ihnen das Gesetz verleiht, nicht mit ins Unternehmen bringen“, sagt Grub, der selbst an mehr als 500 Verfahren beteiligt war, darunter bei Bauknecht, Südmilch und aktuell Schiesser. Seine Zunft müsse stets Verständnis für die Beschäftigten aufbringen und vernünftig argumentieren.

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