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Wirtschaft: Arcor an Berliner Wasser interessiert

BERLIN (dw).In dem größten Privatisierungsfall eines kommunalen Versorgers werden die Karten neu gemischt.

BERLIN (dw).In dem größten Privatisierungsfall eines kommunalen Versorgers werden die Karten neu gemischt.Am Montag erklärte der Telefonkonzern Mannesmann Arcor, als Partner an der Seite von Suez Lyonnais bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) einsteigen zu wollen.Ziel sei es, die Telefon-Tochter der BWB, Berlikomm, zu einem Stadtnetz-Carrier auszubauen, sagte eine Arcor-Sprecherin.Neben Arcor und Suez bieten nun noch der US-Konzern Enron und das Konsortium RWE/Vivendi/Allianz für das 49-prozentige Aktienpaket des Landes Berlin.

Gleichzeitig wird die Privatisierung der Wasserbetriebe nach dem bisherigen Modell immer unwahrscheinlicher: Am Montag verließen die Fraktionsvertreter von PDS und Bündnis 90/Die Grünen die Sitzung des Wirtschaftsausschusses.Grund: Die Anträge, die die gesetzlichen Voraussetzungen zur Privatisierung legen sollten, wurden der Opposition lediglich als Tischvorlage präsentiert.Nach dem Willen der Regierungsparteien SPD und CDU sollte die Opposition die für das Milliardengeschäft wichtigen Anträge "nach einer kurzen Lesepause" durchwinken.

"Wir sehen in diesem Vorgehen eine eklatante Verletzung der Rechte der Opposition", erklärten Harald Wolf (PDS) und Vollrad Kuhn (Grüne) ihren Auszug aus der Sitzung.In diesem Verhalten komme eine "Geringschätzung des Parlamentes zum Ausdruck, die für uns unakezptabel ist", hieß es.

Ohnehin sehen Brancheexperten weiterhin schwere Hindernisse bei dem Verkauf des landeseigenen Aktienpaketes.So könnte die Verschiebung der Privatisierung auf Ende April, wie sie am vorvergangenen Wochenende beschlossen worden war, das Land Berlin in einen Liquiditätsengpaß treiben.Wenn das 3-Milliarden-Loch des Haushaltsjahres 1998 nicht durch den Privatisierungserlös gestopft wird, muß das Land allein für die Kreditzinsen jeden Monat mehr als 11 Mill.DM berappen - insgesamt rund 135 Mill.DM im Jahr.Vorschläge aus der Regierungskoalition, den Fehlbetrag notfalls erst im Haushaltsjahr 2000 zu begleichen, könnten sich als Schuß nach hinten erweisen: Immerhin sind auch im Landeshaushalt 1999 auf der Einnahmeseite rund 3,4 Mrd.DM Privatisierungserlöse enthalten - von denen noch niemand so recht weiß, wie sie erzielt werden können.Bei einer längeren Aufschiebung der Privatisierung würde Berlin also schlechtestenfalls mit Schulden von mehr als 6 Mrd.DM in das neue Jahrtausend gehen - eine Summe, die selbst dann nicht einfach aufzubringen ist, wenn Regierungsumzug und strukturelle Verbesserungen der Berliner Wirtschaft Auftrieb geben.

Nach Ansicht von Branchenkennern spricht ohnehin viel dafür, daß das Privatisierungsmodell in der jetzigen Form juristisch noch zu Fall gebracht wird.Wenn die Wasserbetriebe über die gesetzlich vorgegebene Eigenkapitalverzinsung hinaus noch Gewinne erwirtschaften soll, käme das einer Art "Kopfsteuer" gleich, die aus den Taschen der Gebührenzahler direkt in die Kassen der BWB-Eigner fließen würde.Eine juristische Anfechtung hätte nach Auffassung von Experten, "gute Chancen".

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