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Wirtschaft: Argentinien droht mit dem Staatsbankrott

Argentinien steht am Rande des Abgrundes. So sehen es jedenfalls die Börsianer und diese Karte versucht derzeit Wirtschaftsminster Domingo Cavallo zu spielen.

Argentinien steht am Rande des Abgrundes. So sehen es jedenfalls die Börsianer und diese Karte versucht derzeit Wirtschaftsminster Domingo Cavallo zu spielen. Dramatisch wie es seine Art ist, verkündete er, er werde einen Teil der Auslandsschulden von 132 Milliarden Dollar neu verhandeln. Immerhin muss Argentinien im laufenden Jahr etwa 40 Prozent seines Staatshaushaltes für den Schuldendienst aufbringen.

Jakob Frenkel, Präsident des Brokerhauses Merrill Lynch und ehemaliger Chef der Zentralbank von Israel, soll die Gläubigerbanken im Auftrag der argentinischen Regierung für den Plan gewinnen. Doch für die misstrauischen Banker ist die Ankündigung Cavallos eine verdeckte Androhung des Staatsbankrotts.

IWF-Chef Horst Köhler, der von Cavallos Erklärung überrascht wurde, schickte zwei Abgesandte nach Buenos Aires, um Cavallos Vorschlag auszuloten. Sorgfältig achtete er darauf, dass die Delegation nicht so hochrangig besetzt ist, so dass sie falsche Hoffnungen wecken könnte. Denn so lange Argentinien nicht seine Abmachungen mit dem Währungsfond erfüllt, will der IWF kein neues Geld nachschießen.

Wirtschaftsexperten interpretieren Cavallos Plan als einen geschickt getarnten Erpressungsversuch. Niemand ist daran interessiert, dass Argentinien den Staatsbankrott erklärt. Wenn Buenos Aires die Schuldenzahlungen einstellt, könnte das eine ganze Reihe von Schwellenländern mit in den Untergang ziehen. Vor allem Brasilien und die Türkei gelten als Wackelkandidaten. Doch es ist nicht sicher, dass Cavallos Rechnung aufgeht. Nach einer jahrelangen Rezession und sieben erfolglosen Wirtschaftsprogrammen haben viele die Hoffnung verloren, dass es noch einen sanften Weg aus der argentinischen Krise gibt. Und schließlich ist es nicht die erste Wirtschaftskrise, die Argentinien durchlebt. Bereits im Sommer 1999 standen die Zeichen auf Sturm. Und schon 1995 war das südamerikanische Land in Folge der Asienkrise in eine zweijährige Rezession gerutscht. Nun haben der Schock vom 11. September und die Folgen für die Weltwirtschaft den Niedergang beschleunigt.

Als Argentiniens Hauptproblem gilt der feste Wechselkurs, ein Kind Cavallos. Unter dem Beifall der internationalen Finanzwelt hatte er vor zehn Jahren den Peso an den Dollar gekoppelt und so die Hyperinflation gestoppt. Heute entpuppt sich das System als Zwangsjacke. Wegen des hohen Dollarkurses ist Argentiniens Industrie nicht wettbewerbsfähig. Weil das Risiko in Argentinien höher ist als in den USA, muss Buenos Aires den Anlegern außerdem höhere Zinsen zahlen: Das bremst den Konsum und schnürt die Wirtschaft ab. Eine Abwertung scheut die Regierung, weil die meisten Argentinier in Dollar verschuldet sind. Zehntausende könnten ihre Kredite für Haus und Auto nicht mehr zur¸ckzahlen.

US-Zentralbankchef Alan Greenspan ließ jüngst verlauten, dass Schwellenländer, die sich einen festen Wechselkurs leisten, eine falsche Politik verfolgen. Das war die rote Karte für Argentinien, das bis vor zwei Jahren noch als Musterkind des Währungsfonds galt. In der internationalen Finanzwelt bröckelt der Rückhalt für den einst hoch gelobten Cavallo. Als er vergangene Woche überraschend nach New York und Washington reiste, um die Umschuldung vorzubereiten, ließen Banken und Währungsfond ihn abblitzen.

Zurück in Buenos Aires brach der für sein aufbrausendes Temperament berüchtigte Minister einen neuen Streit mit Brasilien vom Zaun. Cavallo erklärte, die Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern, die sich "den Luxus erlauben, mit ihrer Währung zu machen was sie wollen", seien "erschöpft", eine Anspielung auf den brasilianischen Real, der seit Anfang des Jahres über ein Drittel seines Werts verloren hat. Er versetzte damit dem siechen Mercosur den Todessto - zwei Wochen, bevor das südamerikanische Wirtschaftsbündnis in Brüssel mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen verhandelt.

Die Investoren zogen zum Wochenbeginn die Notbremse und verkauften ihre Papiere. Der argentiniesche Aktienindex Merval stürzte am Montag um fast neun Prozent ab und eröffenete auch am Dienstag zunächst fünf Prozent schwächer. Erst danach stieg er wieder und schloss 1,84 Prozent fester bri 223 Punkten. Dafür zog die Argentinien-Krise die Kurse am größten Wertpapier-Markt Lateinamerikas in Sao Paulo weiter nach unten. Der Bovespa-Index gab am Dienstag um gut drei Prozent auf 11 023 Punkte nach. Zu Wochenanfang war der Bovespa bereits um 3,43 Prozent gefallen.

glj

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