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Ein Mitarbeiter des ägyptischen Pharmaunternehmens «Eva Pharma» arbeitet an der Produktion des Wirkstoffs Remdesivir,

© Fadel Dawood/dpa

Arzneimittelforschung: BDI plädiert für Nutzung von Gesundheitsdaten

Die vom geplanten Forschungsdatenzentrum gesammelten Patientendaten stehen der Industrie nicht zur Verfügung – das weckt Unmut bei den Pharmafirmen.

Ein Zusammenschluss großer Unternehmen aus der Medizin- und Gesundheitsbranche wird morgen mit Rückendeckung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die Bundesregierung auffordern, der privaten Forschung Zugang Patientendaten zu ermöglichen, die im geplanten Forschungsdatenzentrum gespeichert werden.

Das geht aus einem Positionspapier hervor, das die BDI-Initiative „Gesundheit digital“ morgen präsentieren wird und das Tagesspiegel Background vorliegt. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, „einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für die Nutzung von Gesundheitsdaten zu wissenschaftlichen Zwecken“ zu schaffen, „mit Zugang der privaten Forschung zu anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheits- und Behandlungsdaten“. 

Das Forschungsdatenzentrum wurde mit dem Digitale-Versorgungsgesetz ins Leben gerufen, ist aber noch nicht etabliert. Im gerade in Kraft getretenen Patientendaten-Schutzgesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, über die elektronische Patientenakte ab 2023 persönliche Patientendaten anonymisiert und pseudonymisiert an das Datenzentrum zu spenden.

Strittig ist seit Beginn, wer diese Daten nutzen darf – laut jetziger Gesetzeslage haben nur Forschungseinrichtungen ein Antragsrecht auf Datensätze, nicht aber Unternehmen. Kritisiert wurde das nicht nur von der Industrie, sondern auch von Digitalpolitikern der CDU, etwa Tino Sorge.

Auch der Chef der halbstaatlichen Gematik, die die Einführung der ePA zum Januar nächsten Jahres verantwortet, spricht sich für einen erweiterten Zugang zu den Forschungsdaten aus. Die Pharma-Industrie spiele eine „elementare Rolle bei der beschleunigten Forschung und Entwicklung“, sagte Markus Leyck Dieken kürzlich im Interview mit Tagesspiegel Background – Leyck Dieken war bei der Präsentation der Pläne bei einer Podiumsdiskussion anwesend.

Vorbilder Dänemark und Finnland

Die BDI-Initiative hinter dem Positionspapier vereint nahezu alle großen Akteure der Branche: Unter anderem den Bundesverband der pharmazeutischen Industrie, die Verbände der forschenden Arzneimittelhersteller und der Diagnostica-Industrie, den Zentralverband der Elektroindustrie, den Digitalverband Bitkom, außerdem mehrere große Unternehmen wie Roche, Pfizer, J&J, GSK, Bayer, Sanofi, Boehringer Ingelheim, SAP und Siemens Healthineers.

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„Die Digitalisierung nimmt eine Schlüsselrolle in der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens ein und ist damit ein zentraler Hebel für Innovationen in der Versorgung", begründete Iris Ploeger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, gegenüber Tagesspiegel Background den Vorstoß. „Notwendige Grundlage, um entsprechende Lösungen zu entwickeln und anwenden zu können, sind Gesundheitsdaten. Diese sind hierzulande allerdings noch immer nur sehr begrenzt verfüg- und einsetzbar.“

Papier fordert Zugang zu Daten aus Behandlungsvorgängen

Das Papier dreht sich dabei um sogenannte „Real World Data“, also sämtliche Gesundheitsdaten, die im ärztlichen, aber auch privaten Kontext erhoben und gespeichert werden. „Die klinische und die private Forschung können mit Real World Data beispielsweise neue Arzneimittel, Medizintechnologien oder datenbasierte Gesundheitsanwendungen entwickeln, welche die Diagnostik verbessern oder innovative Therapien ermöglichen“, heißt es im Papier. Deshalb brauche es aber „einheitliche Regeln und einen transparenten Zugang“, auch „für die forschende Gesundheitswirtschaft“. 

Der Industrie einen reglementierten Zugang zu Patientendaten zu ermöglichen, habe Vorteile auch für Patienten, Kostenträger und Leistungserbringer, wird argumentiert. So könnten freiwillige Datenspenden die Möglichkeiten der Prävention, Früherkennung und Therapieplanung verbessern.

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Auch ließen sich „Wahrscheinlichkeiten, etwa für Krankheitsverläufe und zu erwartende Therapieerfolge, leichter beziffern“. Als Vorbilder verweisen die Autoren auf andere europäische Länder, nämlich das Dänische Nationale Patientenregister und das finnische Findata, die beide unter Einhaltung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung arbeiteten. Das zeige, „dass ein DSGVO-konformer Einsatz von Real World Data in Forschung und Entwicklung mit den richtigen Governance-Strukturen möglich ist“.

Aufgabe der Politik müsse es sein, heißt es am Ende des Positionspapiers, „die entsprechenden Governance-Strukturen – das heißt Institutionen, Regelungen und Prozesse – aufzubauen und weiterzuentwickeln“. Das Forschungsdatenzentrum biete zwar „eine gute Ausgangsbasis“, die gesetzlichen Grundlagen müssten „aber angepasst werden“. Entscheidend für das Gelingen des Projekts ist aus Sicht der BDI-Initiative „die Entwicklung von dezentralen Datenbanken und Strukturen für die Nutzung von Real World Data unter der Berücksichtigung von europäischen Standards“.

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