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Wirtschaft: Asien darf nicht abgeschrieben werden

An den Wachstumspotentialen der Region hat sich nichts verändertVON HEINRICH VON PIERERIn diesen Tagen hält die deutsche Wirtschaft in Peking ihre 7.Asien-Pazifik-Konferenz mit der Rekordbeteiligung von über 700 Unternehmern, Verbands- und Regierungsvertretern sowie Angehörigen des Auswärtigen Dienstes ab.

An den Wachstumspotentialen der Region hat sich nichts verändertVON HEINRICH VON PIERERIn diesen Tagen hält die deutsche Wirtschaft in Peking ihre 7.Asien-Pazifik-Konferenz mit der Rekordbeteiligung von über 700 Unternehmern, Verbands- und Regierungsvertretern sowie Angehörigen des Auswärtigen Dienstes ab.Seit der letzten Asien-Pazifik-Konferenz 1996 in Delhi hat die Präsenz der deutschen Unternehmen in der Region weiter zugenommen.Zugleich hat sich die Lage in einzelnen Ländern der Region durch die Turbulenzen an den Finanzmärkten seit 1997 verändert. An den fundamental positiven Wachstumspotentialen der Region hat sich aber nichts Grundlegendes geändert - drei Milliarden Menschen, die voll motiviert sind, einen höheren Lebensstandard zu erreichen, und Länder mit einem großen Nachholbedarf. Deswegen wäre es völlig verkehrt und nicht im mindesten die Absicht deutscher Unternehmen, sich aus Asien-Pazifik zurückzuziehen.Kontinuität begründet gerade den guten Ruf der Deutschen.Und Kontinuität ist auch geschäftlich das einzig sinnvolle Verhaltensmuster.Denn man kann wirtschaftliche Aktivität nicht wie einen Wasserhahn auf- und zudrehen.Mancher in der westlichen Welt spricht jetzt vom Scheitern des asiatischen Modells.Ein solches Pauschalurteil ist fehl am Platze.Das asisatische Wertsystem insgesamt - mit seinen jeweiligen landesspezifischen Ausprägungen - ist nicht gescheitert.Vielmehr werden gerade Familiensinn, Solidarität, Gemeinsinn und Langfristigkeit dazu beitragen, die aktuelle Krise zu überwinden. Natürlich sind auch Fehler gemacht worden.Wo es Fehlentwicklungen gab, stehen Korrekturen an, und ein neuer Kurs ist zu bestimmen.In etlichen Fällen ist dies ja bereits eingeleitet und zeigt erste Stabilisierungserfolge.Das asiatische Sprichwort: "Besser nach Hause gehen und Netze knüpfen, als in tiefen Wassern nach Fischen gieren", ist eine passende Analogie für das, was jetzt zu leisten ist.Jedes Land muß seine innere Robustheit verbessern und auf der Basis eines stabilen binnenwirtschaftlichen Fundamentes wieder auf einen steileren Wachstumspfad einschwenken. Bei den Auswirkungen der Krise auf die deutsche Wirtschaft muß man differenzieren.Bei laufenden Projekten gibt es an einigen Stellen Verzögerungen, aber bisher zumindest keine dramatischen Rückschläge.Natürlich ist es ein Gebot unternehmerischer Risikovorsorge der Banken und aller dort engagierten Unternehmen, entsprechende Rückstellungen vorzusehen, wo Zahlungsausfälle nicht völlig ausgeschlossen werden können.Beim Auftragseingang ist die derzeit abgebremste Dynamik der asiatisch-pazifischen Länder inzwischen spürbar.Diese Bremsspuren werden sich im Laufe des Jahres in den Geschäftszahlen niedergeschlagen.Aber wenn die Krise in den regionalen Grenzen bleibt, handelt es sich auch hierbei nicht um einen Erdrutsch sondern um einen Rückschlag.Er wird sich voraussichtlich ohne nachhaltige Blessuren verkraften lassen und durch die positive Entwicklung in anderen Regionen, zum Beispiel Nord- und Südamerika, Ausgleich finden. Als drittes wird viel von den Preiseffekten durch die Veränderung der Währungsparitäten gesprochen.Auch dieses Thema ist vielschichtig.Zum Teil nutzen deutsche Unternehmen die Abwertungsländer ja selbst als Wertschöpfungsbasis und sind somit auch Begünstigte.Zum anderen Teil sind eine ganze Reihe von Industriezweigen der Abwertungsländer auf den Import von Vorleistungen und Kapitalgütern angewiesen, die sich nun für sie verteuert haben. Die Lage ist also differenziert.Man darf sich nichts vormachen über die Dauer der Genesung.Aber die Weltwirtschaft befindet sich auch nicht im Sog einer gefährlichen Abwärtsspirale.Daß auch in dieser Phase bewährte Partner für die Länder Südostasiens gefragt und hilfreich sein werden, steht außer Zweifel.Und ebenso steht außer Frage, daß die deutschen Unternehmen mit ihrer Kompetenz etwa in allen Infrastruktursektoren oder auch im Maschinenbau dabei besonders geeignete Partner sind.Nicht immer wird dabei hinreichend berücksichtigt, daß das Engagement der deutschen Wirtschaft in Asien auch bei uns in Deutschland einen unverzichtbaren Beitrag zu Beschäftigung und Arbeitsplätzen leistet.Zum einen basiert ein Großteil des Geschäfts mit dortigen Partnern auf Exporten von hier, also unmittelbar auf Wertschöpfung an deutschen Standorten.Zum anderen steuern wir aber auch zu lokalen Fertigungen in den asiatisch-pazifischen Ländern einen beträchtlichen Anteil an Zulieferungen aus deutschen Betrieben bei. Asien-Pazifik hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Standbein des deutschen Außenhandels und der deutschen Wirtschaft insgesamt entwickelt.In der gegenwärtigen Situation ist es gut, sich die Bedeutung der beiden Schriftzeichen des chinesischen Wortes für "Krise" - "weiji" - bewußt zu machen.Es setzt sich zusammen aus dem Zeichen für "Gefahr" und dem Zeichen für "Chance".Ohne Risiko keine Chance - das ist eine Binsenweisheit für jeden Unternehmer.In jedem Fall gilt: Das Risiko, auf den Märkten Asien-Pazifiks nicht vertreten zu sein, ist größer, als das Risiko, einmal eine Durststrecke zu durchlaufen. Der Autor ist Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, Müchen/Berlin.

HEINRICH VON PIERER

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