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Wind- oder Kernkraft? Auf diesen Konflikt lässt sich der Streit um unsere künftige Energieversorgung zuspitzen.

© Joker/dpa; Montage Mika

Atomkraft, Kohle, Erneuerbare: Merkels Energie-Masterplan

Die Regierung arbeitet an einem neuen Energiekonzept. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke dominieren die Diskussion über die künftige Energieversorgung.

Reisen bildet. Die kleinen Ausflüge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in diesen Tagen zu markanten Punkten der Energiewirtschaft können also nur nützlich sein. Überhaupt wird es ganz wesentlich auf die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin ankommen, um noch in diesem Herbst ein Energiekonzept für die kommenden Jahrzehnte zu entwerfen. Die Materie ist komplex, die Interessenvielfalt und -widersprüchlichkeit kaum zu überblicken, dazu sind reichlich Emotionen im Spiel und viel Geld.

Im Kern der Auseinandersetzung steht die Atomkraft. „Wir sind bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen Sicherheitsstandards zu verlängern.“ So steht es im Koalitionsvertrag von Union und FDP. Zwei Sätze weiter bekommt man dann schon einen Eindruck, wie schwierig „eine möglichst schnell mit den Betreibern zu erzielende Vereinbarung“ ist. Denn zu regeln sind unter anderem die Laufzeiten, das Sicherheitsniveau der Akws, „Höhe und Zeitpunkt eines Vorteilsausgleichs“ und die Mittelverwendung dieses Geldes, das die Akw- Konzerne durch die längeren Nutzungszeiten einnehmen. Ein Milliardengeschäft. Mit dem Bundesfinanzministerium sind sich die vier Betreiber – Eon, RWE, EnBW und Vattenfall – einig: Für eine Laufzeitverlängerung um zwölf Jahre wollen die Konzerne 30 Milliarden Euro in einen Fonds zahlen, der zum einen für das Stopfen von Haushaltslöchern und zum anderen für Forschungsmaßnahmen in der Energiewirtschaft genutzt werden könnte. Doch so wird es vermutlich nicht kommen.

Denn das Finanzministerium muss sich nun mit dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium verständigen. Vor allem Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird in der Industrie mit größtem Argwohn gesehen; BDI-Präsident Hans-Peter Keitel verglich ihn schon mit Greenpeace-Aktivisten. Tatsächlich will Röttgen die Laufzeiten eher kurz halten. Die Kernkraftbetreiber selbst rechnen mit einer Zahl zwischen zehn und 15. Weil zehn Jahre das Minimum sei, ansonsten lohne sich der ganze Aufwand nicht. Und weil mehr als 15 Jahre nicht durchsetzbar wären. Überhaupt wird für die Durchsetzbarkeit Merkel ihre Risikoscheu überwinden und dem Volk die Notwendigkeit der Atomkraft über 2020 hinaus erklären müssen. So oder so gibt es Radau. Eine erste große Anti-Akw-Demonstration ist für den 18. September in Berlin angekündigt.

Der Zoff um die Kernkraft verdeckt die anderen Themen, die auch noch ins Energiepaket sollen. Die Kohle zum Beispiel. Ohne die Abscheidung und Speicherung von CO2 bei der Kohleverstromung (CCS) hat die Kohle keine Perspektive. Ein entsprechendes CCS-Gesetz hatte Merkel im vergangenen Jahr auf Drängen ihres in Schleswig-Holstein wahlkämpfenden Parteikollegen Peter Harry Carstensen zurückgezogen. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf, der vor allem für Vattenfall und die ostdeutsche Braunkohle von Belang ist. Ein anderes Thema ist die Infrastruktur. Vor allem wegen der Integration der Erneuerbaren gibt es erheblichen Modernisierungsbedarf bei Hochspannungs- und Verteilungsnetzen. Dazu müssen die Bedingungen in diesem regulierten Segment stimmen und an einem EU-weitem Netz gearbeitet werden.

Alles in allem soll das Konzept Aufschluss darüber geben, wann Deutschland allein mit erneuerbaren Energien leben kann und welche Energieträger bis dahin genutzt werden sollen. Ende dieser Woche, wenn die Regierung von Fachleuten erstellte Szenarien über den künftigen Energiemix erhält, kommt die Diskussion richtig in Schwung. Es wird sich zeigen, ob die Sommerreise hilfreich war. Alfons Frese

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