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Wirtschaft: Atomkraftwerke könnten bis 2039 am Netz bleiben

FDP: Entscheidung über ein Abschalten sollen allein die Betreiber fällen / CDU will Laufzeiten um mindestens acht Jahre verlängern

Berlin Der Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland könnte sich nach einem möglichen Wahlsieg von Union und FDP um bis zu 18 Jahre verzögern. Statt wie im Atomkonsens von Rot-Grün festgeschrieben, würde das letzte bestehende Kernkraftwerk dann nicht im Jahr 2021, sondern erst im Jahr 2039 vom Netz gehen. Dies ergibt sich aus der technisch und wirtschaftlich möglichen Lebensdauer des jüngsten Kraftwerks, Neckarwestheim II. „Ob ein Kernkraftwerk abgeschaltet wird, sollte allein eine Frage der Technik und der Wirtschaftlichkeit sein“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, dem Tagesspiegel. Ein politisch motiviertes, vorzeitiges Ende der Kernkraft sei nicht wünschenswert. „Solange keine Sicherheitsbedenken bestehen, muss die Entscheidung zum Abschalten am Markt getroffen werden.“

Das baden-württembergische Kraftwerk Neckarwestheim II war im Jahr 1989 in Betrieb gegangen. In Fachkreisen der Atomwirtschaft gilt eine Lebensdauer von 50 Jahren als unbedenklich. „Daran gibt es keine Zweifel“, sagte der Finanzvorstand des RWE-Konzerns Klaus Sturany am Mittwoch auf einer Investorenkonferenz der Deutschen Bank in Frankfurt. Damit könnte Neckarwestheim II bei einer Rücknahme des Atomausstiegs bis zum Jahr 2039 am Netz bleiben. Bereits am Montag hatte sich auch Eon-Chef Wulf Bernotat für längere Laufzeiten ausgesprochen.

Etwas zurückhaltender äußerte sich hingegen der CDU-Umweltexperte Peter Paziorek. Er sprach sich gegenüber dem Tagesspiegel für eine Verlängerung der Laufzeiten um durchschnittlich acht Jahre aus – was ein Ende der Atomkraft im Jahr 2029 bedeuten würde. „Wir stecken aber noch in den Beratungen“, fügte er hinzu. Es gebe auch in der Union Stimmen, die eine Gesamtlaufzeit von 50 Jahren anstrebten. Die FDP-Energieexpertin Gudrun Kopp wiederum hält eine Laufzeit von 40 Jahren für „nötig“, eine von 50 Jahren sei aber ebenfalls „möglich“.

Ob eine Verlängerung der Laufzeiten allerdings für alle Kraftwerke in Frage kommt, ist in Union und FDP umstritten. Während FDP-Frau Homburger die Entscheidung allein den Betreibern überlassen will, kann sich CDU-Mann Paziorek auch ein differenzierteres Vorgehen vorstellen. „Es könnte sein, dass nur die jüngeren Kraftwerke eine Verlängerung bekommen.“ Die älteren hingegen müssten, wie im rot-grünen Atomkonsens festgelegt, abgeschaltet werden. „Mir persönlich schwebt ein solches Modell durchaus vor“, erklärte Paziorek. Die Parteigremien hätten darüber aber noch nicht abschließend entschieden.

Welche Kraftwerke als „älter“ und welche als „neuer“ gelten könnten, erklärt die Umweltexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert: Ihrer Ansicht nach sollte man die Laufzeit nur bei Kraftwerken verlängern, die ab dem Jahr 1980 gebaut wurden. Dies sind alle Anlagen seit der Inbetriebnahme von Philippsburg I. „Diese Kraftwerke sind alle auf dem neuesten Stand“, sagte Kemfert. Bei den älteren sei es hingegen sinnvoll, sie wie geplant vom Netz zu nehmen.

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