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Wirtschaft: Attraktive Wohnungen im Innenstadtbereich stärken den Standort

BERLIN . Urbanität durch Verdichtung ist eines der zentralen Ziele des Planwerks Innenstadt.

BERLIN . Urbanität durch Verdichtung ist eines der zentralen Ziele des Planwerks Innenstadt. Dadurch soll insbesondere die Aufenthaltsqualität für die Bewohner erhöht werden. Es stellt sich jedoch auch die Frage, inwieweit sich die Verdichtung der Innenstadt auf die Entwicklung der regionalen Wirtschaft auswirkt. Das vergleichsweise geringe wirtschaftliche Wachstum Berlins ist in erster Linie auf historisch bedingte Schwächen in der Wirtschaftsstruktur zurückzuführen. Daneben gibt es aber auch Einflüsse, die zunächst nicht ins Auge fallen und häufig unterschätzt werden: Dazu gehört die zumindest für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Ausdehnung der Stadt und der vielfach fehlende räumliche Zusammenhalt ihrer Teilräume. Daß man beispielsweise Berlin oft die Metropole nicht abnimmt, liegt nicht zuletzt an der dispersen Verteilung wichtiger Funktionen über eine Stadtlandschaft mit 50 Kilometern Durchmesser.Sicherlich: Zwischen Potsdamer Straße und Gendarmenmarkt und im Zoo-Bereich entwickeln sich die Potentiale für die lang entbehrten Dienstleister. Insgesamt verlieren sich die Standorte jedoch noch zu sehr. Fühlungsvorteile sind häufig nicht sichtbar und werden nicht wahrgenommen. Das Planwerk Innenstadt trägt dazu bei, das Erscheinungsbild Berlins als Wirtschaftsstandort mit hoher Zentralität zu verbessern und auf diese Weise Investoren anzuziehen.Ein zweiter Punkt betrifft die Frage, wie denn die vom Planwerk ausgemachten Verdichtungspotentiale genutzt werden sollten. Dazu ein Blick auf die Entwicklung einiger wirtschaftsrelevanter Größen: Zwischen 1992 und 1997 sind im Bereich der Innenstadt rund vier Mill. Quadratmeter Büroflächen neu gebaut worden, das bedeutet schätzungsweise Platz für 150 000 Arbeitsplätze. Demgegenüber wurden in der gleichen Zeit innerhalb desselben Gebiets lediglich 8000 Wohnungen fertiggestellt. Die Zahl der Innenstadtbewohner hat um 30 000 und damit dreimal so stark abgenommen wie im übrigen Teil der Stadt.Die Diskrepanz in der Entwicklung von Arbeitsplatzpotential und Wohnmöglichkeiten wird sich in den nächsten Jahren weiter vergrößern. Da man davon ausgehen kann, daß die Leerstände im Bereich der Bürobauten allmählich abgebaut werden, wird sich der ohnehin vorhandene Einpendlerüberschuß vergrößern, und zwar vor allem bei qualifizierten Arbeitskräften.Diese Entwicklung wird meist als Prozeß interpretiert, der die Entwicklung in anderen großen Städten quasi zwangsläufig nachholt. Dieses Argument hat vieles für sich. Gleichwohl ist zu beachten: Berlin kann aufgrund seiner Größe und Struktur nur bedingt mit westdeutschen Ballungszentren verglichen werden.Berlin hat aber im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Stadtzentrums und aufgrund seiner Flächenpotentiale die Chance, eine Vorreiterrolle für anspruchsvolle und zukunftsfähige innerstädtische Nutzungsmischungen zu spielen. Dies gilt umso mehr, als mit der faktischen Übernahme der Hauptstadtfunktion und der längerfristig wachsenden Bedeutung als überregionales Wirtschaftszentrum wieder mehr junge und gut verdienende Arbeitskräfte in die Stadt wandern. Infas beziffert beispielsweise den Zuzug qualifizierter und hochqualifizierter Arbeitskräfte im Bereich der politiknahen Einrichtungen bis zum Jahr 2000 auf rund 9000. Mit Blick auf die angestrebte kleinräumige Funktionsmischung einerseits und das vermutete Nachfragepotential andererseits sollte deshalb ein möglichst großer Teil der im Planwerk integrierten Flächen für den Bau von Wohnungen genutzt werden. Nach Berechnungen von Eichstätt sind in den Gebieten des Planwerks je nach Ausnutzung der Grundstücke und Nutzungsmischung zwischen 21 000 und 34 000 Wohneinheiten möglich. Bei einer mittleren Haushaltsgröße von 1,8 Personen könnte mithin Wohnraum für 38 000 bis 60 000 Bewohner geschaffen werden. Unterstellt man eine Erwerbsbeteiligung von 75 Prozent, so sind von diesen Bewohnern je nach Modell zwischen 28 000 bis 45 000 erwerbstätig. Nun kann man das Problem selbstverständlich nicht nur quantitativ sehen. Berlin hat ein gravierendes Defizit an besser verdienenden Führungskräften. Hier muß angesetzt werden, wenn die Wirtschaftskraft der Stadt nachhaltig gestärkt werden soll. In unserem Kontext bedeutet das, daß vor allem Wohnungen für eine anspruchsvolle Klientel angeboten werden müssen.Im Interesse kleinräumiger Nutzungsmischung und einer zukunftsweisenden Standortqualität Berlins sollte ein möglichst großer Anteil der Planwerk-Flächen für höherwertiges Wohnen genutzt werden. Wesentlich für die Marktchancen ist dabei allerdings ein attraktives Wohnumfeld.Von großer Bedeutung ist das Planwerk für die Bauwirtschaft. Gerade hier sind die Effekte für die örtlichen Unternehmen jedoch wegen des gravierenden Strukturwandels in der Branche nur schwer zu beziffern. Wichtig ist die Absicht, die Flächen kleinteilig zu bebauen. Dieses Konzept erlaubt die Beteiligung mittelständischer Entwickler und kann stabilisierend auf die Entwicklung der heimischen Bauwirtschaft wirken. Immerhin handelt es sich um ein Bauvolumen in Höhe von mehr als acht Mrd. DM. Dies reicht aus, um 5000 Arbeitskräfte über zehn Jahre zu beschäftigen.Großen Einfluß hätte eine intensivere Wohnnutzung der Innenstadt auch für Einzelhandel und konsumorientierte Dienste. Gemessen an anderen Großstädten ist der Einzelhandel in der Berliner Innenstadt vergleichsweise schwach ausgebildet. Die Verkaufsfläche beider Zentrumsbereiche Zoo und Mitte zusammen ist beispielsweise geringer als die der Hamburger Innenstadt.Dieses Ergebnis ist einmal Folge der nach wie vor geringen Ausstattung im Bezirk Mitte. Hinzu kommt die ausgeprägte polyzentrische Struktur der Stadt. Neben den beiden Zentrumsbereichen gibt es rund 90 weitere Zentren unterschiedlicher Bedeutung sowie Streulagen. Diese Entwicklung trägt zwar zu einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung innerhalb des Stadtgebiets bei, schwächt jedoch die Anziehungskraft der Innenstadt als Einkaufsort und damit ihre Zentralität schlechthin.Die in den vergangenen Jahren errichteten Einkaufszentren im Umland verstärken die zentrifugalen Kräfte: Nach Erhebungen von INRA Marktforschung hat die Zahl der Einkaufspendler von Berlin ins Umland zwischen 1995 und 1997 um ein Drittel zugenommen, während die der Einkaufspendler aus dem Umland nach Berlin um 50 Prozent abgenommen hat. Diese Veränderungen im Einkaufsverhalten betreffen auch die Innenstadt, die auch noch zusätzliche Einbußen durch die Bevölkerungsverluste hinnehmen muß. Eine kleine Modellrechnung ergibt, daß bei Realisierung des Planwerks eine Steigerung der einzelhandelsrelevanten Ausgaben der Innenstadtbewohner zwischen 233 Mill. DM und 369 Mill. DM jährlich erreicht würde. Mit diesen Mitteln wären immerhin zwischen fünf und acht Prozent der für das Jahr 2000 erwarteten Verkaufsflächen in den Zentrumsbereichen Mitte und Zoo auszulasten.Fazit: Vor dem Hintergrund eher verhaltener Erwartungen für das längerfristige Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft in Berlin und starker zentrifugaler Kräfte innerhalb der Region Berlin-Brandenburg kommt der Entwicklung der Innenstadt vorrangige Bedeutung zu. Eine schwergewichtig auf höherwertige (Eigentums-)Wohnungen abstellende bauliche Verdichtung verbessert die Standortqualität Berlins und dürfte sich positiv auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum auswirken.

Der Autor ist Geschäftsführer von Regioconsult Berlin.

PETER RING

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