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Findet die italienische Steuergesetzgebung gut: Fußballstar Cristiano Ronaldo.

© REUTERS

Auch Cristiano Ronaldo profitiert: Wie Italien zum Steuerparadies für Reiche wird

Mit extrem niedrigen Steuersätzen will die Regierung Vermögende ins Land locken. Einige vermuten sogar, dass Ronaldo deswegen nach Turin gewechselt ist.

Italien ist ein Steuerparadies für Vermögende. Regierungen aller politischen Lager haben in den letzten Jahren Steuervergünstigungen für Reiche und Spitzenverdiener ausgeweitet. Den bisher letzten Schritt in diese Richtung unternahm die im August gestürzte Regierung aus der rechtsnationalen Lega und der populistischen 5-Sterne-Bewegung im Rahmen ihres Wachstumsdekrets.

Profiteure sind Italiener, die in die Heimat zurückkommen, aber auch Ausländer, die ihren Steuersitz nach Italien verlagern. Für Beschäftigte reduziert sich die Einkommensteuer im „günstigsten Fall“ gegenüber vergleichbaren Steuerzahlern um bis zu 93 Prozent. „Damit ist Italien in einer Pole Position im Steuerwettbewerb mit den anderen Ländern“, meint die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore.

Wer 2020 seinen steuerlichen Wohnsitz nach Italien verlegt, muss für fünf Jahre nur auf 30 Prozent des Einkommens Steuern zahlen, wenn die Steuern in den beiden vorhergehenden Jahren im Ausland entrichtet worden sind: Die restlichen 70 Prozent sind steuerfrei. Gehen die Betroffenen nach Süditalien, haben Kinder oder kaufen eine Wohnung oder ein Haus, werden nur auf zehn Prozent des Einkommens Steuern fällig. Das lohnt sich. Während der „normale“ Italiener auf 100.000 Euro Einkommen 36.170 Euro Steuern zahlt, hat ein „Rückkehrer“ oder reicher Ausländer, der nach Neapel zieht, nur 2300 Euro zu entrichten.

Die Maßnahmen sollen vor allem Wissenschaftler und Investitionswillige anlocken. Laut der Notenbank Banca d’Italia haben 2018 etwa 120.000 Italiener ihre Heimat verlassen. „Die Incentives sind sehr stark und können tatsächlich dazu beitragen, die Entscheidung zu einer Rückkehr zu vereinfachen“, glaubt Michele Valentini, der einer Vereinigung von etwa 900 Rückkehrern angehört. Die Regierung hat zuletzt etwa in London um Rückkehrer und reiche Ausländer geworben. Sie nimmt in Kauf, dass auch Steuerflüchtlinge zurückkommen, die sich damit weißwaschen oder dass viele nach Auslaufen der Regelung wieder ins Ausland gehen.

Das im Ausland „geparkte“ Vermögen der Italiener beträgt der Notenbank zufolge 85 Milliarden Euro. Rechtsanwälte in der Schweiz wie der Zürcher Enzo Caputo bieten Hilfe bei der „Kombination des italienischen Dolce Vita mit unvorstellbar niedrigen Steuersätzen im neuen Steuerparadies“ an. Caputo wirbt, etwa auf Youtube, unverhohlen um „Schwarzgeld in der Schweiz“ und verweist auf beste Kontakte vor allem in die italienische Exklave Campione d’Italia am Luganer See, die ihr Geldwäsche- und Mafia-Image loswerden wolle.

Superreiche zahlen eine Pauschale von nur 100.000 Euro

Auch Fußballer Cristiano Ronaldo schätzt die Steuervorteile Italiens. Er profitiert von einer Regelung, die die damalige Linksregierung 2017 einführte: Superreiche, die nach Italien ziehen, zahlen für alle Einnahmen aus dem Ausland einen Pauschalbetrag von nur 100.000 Euro. „Ronaldo ist vor allem aus fiskalischen Gründen nach Italien gekommen. Er hat auf solche Dinge immer sehr geachtet“, meint der Mailänder Steuerberater Antonio Argenio, der dem Steuerberaternetzwerk Ecovis International angehört.

Die Regelung heißt in Italien „Legge Paperone“. Das ist der italienische Name für den geizigen Onkel und Multimilliardär Dagobert Duck aus den Disney Comics. Leute wie er profitieren von der Regelung besonders. Familienmitglieder zahlen sogar noch weniger – 25.000 Euro pauschal pro Jahr.

Reiche Rentner sollen angelockt werden

Nach Einschätzung von Siegfried Mayr, auch er Steuerberater in Mailand, ist das Gesetz „eine klare Abweichung vom Prinzip der unbeschränkten Steuerpflicht (Welteinkommensprinzip) für steuerlich ansässige Personen und von den verfassungsrechtlichen Prinzipien der progressiven Besteuerung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie auch vom Gleichheitsgrundsatz.“ Der von Politikern und den EU-Finanzministern immer wieder vollmundig propagierte Kampf gegen Steuerdumping wird ebenso ad absurdum geführt wie Italiens Ruf nach europäischer Solidarität.

Die 100.000-Euro-Flat-Tax gilt für maximal 15 Jahre und erstreckt sich auf alle ausländischen Einkünfte: Immobiliensteuern, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Finanzanlagen im Ausland, Schenkungsteuer. Es gibt nicht einmal Meldepflichten für das Vermögen außerhalb Italiens. Der Betroffene muss nur seinen Wohnsitz in Italien anmelden, sich dort mehr als die Hälfte des Jahres aufhalten und neun der vergangenen zehn Jahre außerhalb des Landes gewohnt haben.

Auch die Bemühungen, reiche Rentner anzulocken, sind im Wachstumsdekret ausgeweitet worden. Denn viele vermögende italienische Pensionisten haben ihren Wohnsitz – oft zum Schein – nach Portugal verlagert, wo sie praktisch keine Steuern zahlen. Sie und reiche Rentner aus dem Ausland sollen sich lieber in Süditalien ansiedeln. Wer seinen Wohnsitz südlich von Rom in Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern anmeldet, zahlt pauschal nur sieben Prozent auf alle im Ausland erzielten Einkünfte. Voraussetzung ist, dass der Betroffene die zurückliegenden fünf Jahre nicht in Italien ansässig war. Im Visier sind auch deutsche Rentner. Zahlen dazu gibt es noch nicht: Die Regelung ist gerade erst in Kraft getreten.

Gerhard Bläske

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