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Wirtschaft: Auch deutsche Lipobay-Opfer klagen in USA

Auf den Bayer-Konzern kommen weitere Millionen-Forderungen von Lipobay-Geschädigten zu: Anwälte aus Deuschland und den USA kündigten an, am Montag eine Sammelklage deutscher Geschädigter gegen die amerikanische Bayer Corp. einzureichen.

Auf den Bayer-Konzern kommen weitere Millionen-Forderungen von Lipobay-Geschädigten zu: Anwälte aus Deuschland und den USA kündigten an, am Montag eine Sammelklage deutscher Geschädigter gegen die amerikanische Bayer Corp. einzureichen. "Wir lassen nicht zu, dass Bayer nur in den USA entschädigt, und es Opfer erster und zweiter Klasse gibt", sagte der Münchener Rechtsanwalt Michael Witti am Montag in Berlin. Witti und sein amerikanischer Kollege Kenneth B. Moll vertreten nach eigenen Angaben mehr als 2000 Lipobay-Geschädigte aus Deutschland. Weltweit hätten mehr als sechs Millionen Menschen das Medikament eingenommen. Der Bayer-Konzern hatte das cholesterinsenkende Medikament Lipobay im vergangenen August weltweit vom Markt genommen, nachdem es in Zusammenhang mit 52 Todesfällen gebracht worden war. Unmittelbar danach hatten große US-Kanzleien Sammelklagen gegen den Konzern angekündigt. Rechtsanwalt Witti versucht jetzt, auch die Rechte deutscher Lipobay-Opfer vor einem US-Gericht geltend zu machen. Dort dürfen Kläger auf wesentlich höhere Schadenersatz- und Schmerzensgeldzahlungen hoffen als vor deutschen Gerichten. Darum ist die Versuchung groß, vor US-Gerichten zu klagen, auch wenn der Schaden im Ausland entstanden ist. Nur der Grund muss stichhaltig sein.

Witti argumentiert, dass Bayer den Cholesterinsenker nicht rechtzeitig vom Markt genommen und nicht ausreichend vor Nebenwirkungen gewarnt habe. Sein US-Kollege Moll sagte, Lipobay - das in den USA unter dem Namen Baycol vermarktet wird - sei vor allem in Amerika von der Bayer Corp. entwickelt und vermarktet worden. Deshalb sei es angebracht, das Verfahren in den USA zu führen.

Dagegen ist die Bayer AG in Leverkusen der Meinung, dass ein deutsches Gericht zuständig ist. "Streitigkeiten zwischen deutschen Staatsangehörigen und einem deutschen Unternehmen sind vor deutschen Gerichten unter Anwendung deutschen Rechts auszutragen", teilte die Bayer AG bereits am Sonntag mit. Für deutsche Patienten sei das Medikament im Übrigen in Deutschland entwickelt worden. Der Konzern zeigte sich zuversichtlich, dass die Klage von Witti und seinem amerikanischen Kollegen Moll von US-Gerichten zurückgewiesen wird.

Der erste Gerichtstermin vor dem zuständigen Bezirksgericht in Minnesota wird nach Angaben von Witti im Februar stattfinden. Witti sagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, es sei sinnlos zu glauben, dass der Fall in vier bis sechs Wochen entschieden sei. Schon eine Entscheidung in diesem Jahr sei mehr als optimistisch. Der Anwalt rechnet damit, dass Bayer sich auf einen Vergleich einlassen wird. Die Frage sei nur, in welchem Umfang man sich einigen werde. "Der Weg ist steinig."

Analysten gehen davon aus, dass die neue Sammelklage von nicht-amerikanischen Opfern keinen weiteren Einfluss auf den Kurs der Bayer-Aktie haben wird. "Wir gehen unverändert davon aus, dass sich der Schadenersatz auf ein bis zwei Milliarden Dollar belaufen wird", sagte Pharma-Analyst Michael Vara von der Commerzbank. Diese Summe sei bereits im Aktienkurs berücksichtigt. Der Kurs der Bayer-Aktie gab bis zum Montagnachmittag in einem schwachen Marktumfeld um knapp 1,7 Prozent auf 36,55 Euro nach.

Sammelklage

Vor amerikanischen Gerichten können viel höhere Schadenersatz- und Schmerzensgeldsummen erstritten werden als vor deutschen Gerichten. Berühmt geworden ist der Fall Richard Boeken: Der an Lungenkrebs erkrankte Amerikaner hat vom Tabakkonzern Philipp Morris drei Milliarden Dollar Schadenersatz erstritten. Interessant ist vor allem die Möglichkeit der Sammelklagen in den USA. Das versucht der Münchner Anwalt Michael Wiiti nun auch für deutsche Lipobay-Geschädigte durchzusetzen. Das Prinzip: ein oder mehrere Betroffene ziehen im Namen aller Geschädigten vor Gericht. Das Urteil ist trotzdem für alle bindend. Das große Geschäft machen aber oft nicht die Betroffenen, sondern die Anwälte: Wenn sie erfolgreich sind, fließen 30 bis 40 Prozent der Schadenersatzsumme in ihre Tasche.

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