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Wirtschaft: Auch die Nachbarn haben nicht gewürfelt

Die Statistiker von Eurostat haben der "kreativen Buchführung" enge Grenzen gesetztVON THOMAS GACK BRÜSSEL.Die Euro-Gegner werden sich nicht mit dem zufriedengeben, was schwarz auf weiß auf dem Papier steht.

Die Statistiker von Eurostat haben der "kreativen Buchführung" enge Grenzen gesetztVON THOMAS GACK BRÜSSEL.Die Euro-Gegner werden sich nicht mit dem zufriedengeben, was schwarz auf weiß auf dem Papier steht.Wenn am heutigen Mittwoch in Brüssel und Frankfurt die Berichte der EU-Kommission und des Europäischen Währungsinstituts vorgelegt werden, dann wird in Deutschland nach dem Motto "Was nicht sein darf, kann auch nicht sein" wieder fleißig an der Legende von der "kreativen Buchführung" gesponnen.Den südlichen Mitgliedsstaaten, so weiß der Volksmund nördlich der Alpen, sei wenig haushalterische Seriösität zuzutrauen.Die Hürde der Maastrichter Konvergenzkriterien sei nur mit Tricks übersprungen worden.Daß dies immerhin bei der Vorlage der Bonner Zahlen nicht der Fall war, mußte das DIW, das ursprünglich Zweifel gesät hatte, schon vor zwei Wochen zerknirscht eingestehen. Doch auch die Wirtschaftsdaten unserer Nachbarn sind nicht durch Würfeln zustandegekommen, wie das einige Euro-Skeptiker glaubhaft machen wollen.Die Stellungnahmen der Sparerschutzgemeinschaft und des Bundes der Steuerzahler, die die ohnehin in deutschen Landen verbreitete Angst vor dem Euro geschürt haben, offenbarten ein erstaunliches Maß an Unkenntnis der Fakten auf europäischer Ebene. Sowohl EU-Kommission als auch das Frankfurter EWI haben nämlich die ihnen gelieferten nationalen Daten, die den Konvergenzberichten zugrunde liegen, keineswegs ungeprüft übernommen.Bevor in Brüssel und Frankfurt nämlich aus dem Rohmaterial der Daten Schlüsse gezogen wurden, haben sich die neutralen Experten mit dem Zahlenmaterial aus den Mitgliedsländern beschäftigt: Die Statistiker von Eurostat, dem statistischen Amt der EU in Luxemburg.Sie haben die heikle Aufgabe, den Regierungen bei der Rechnungslegung genau auf die Finger zu schauen. Dabei können die Eurostat-Beamten, deren politische Unabhängigkeit erst beim Amsterdamer EU-Gipfel im neuen EU-Vertrag bekäftigt wurde, natürlich nicht nach eigenem Gutdünken vorgehen.Die Maßstäbe, die an das Zahlenmaterial gelegt werden, und die methodischen Regeln der Rechungslegung sind seit Jahren längst festgelegt.Die "Bibel" der Eurostat-Statistiker ist das "Handbuch für die statistischen Methoden".Lange vor Maastricht wurde es von Experten erarbeitet und beschlossen.Das Handbuch setzt der "kreativen Buchführung" der EU-Mitgliedsstaaten Grenzen. 90 Prozent der Daten seien ohnehin unstrittig, meinen die Luxemburger Eurostat-Beamten.Dort aber, wo Fragen auftauchen, werden sie keineswegs durch einsame Beschlüsse der EU-Behörde unter den Teppich gekehrt, sondern im engen Austausch mit den nationalen Experten der statistischen Ämter, dem Europäischen Währungsinstitut und den nationalen Zentralbanken offen diskutiert und gemeinsam beantwortet.Eurostat setzte zum Beispiel den Mitgliedsstaaten für den Verkauf der Goldreserven klare Grenzen: Die Einnahmen dürfen bei der Berechnung des Haushaltsdefizits von 1997 nicht berücksichtigt werden.Sie dürfen aber zur Senkung der Gesamtschuld des Staates genutzt werden.Privatisierungen, Grundstückverkäufe der öffentlichen Hand, Belastungen durch Pensionszahlungen - für all diese Fragen gibt es Regeln. In einem politischen Klima, das durch die Euro-Diskussion aufgeheizt ist, haben es die nüchternen Statistiker aber schwer.Die Statistik ist für viele Bürger zudem ein Buch mit sieben Siegeln, höchst kompliziert und wohl auch mit viel gutem Willen für viele nicht durchschaubar."Letztlich hängt es dann doch vom blinden Vertrauen ab," so meint ein Luxemburger Experte resigniert, "ob man am Ende unseren nüchternen und mehrfach geprüften Zahlen glaubt oder doch den Euroskeptikern."

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